Die Vernehmung von Nikolai Jeschow, ehemaliger Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der UdSSR

Übersetzung aus dem Englischen von Gerhard Schnehen

Quelle: http://msuweb.montclair.edu/~furrg/research/ezhovinterrogs.html

Version in PDF hier, Offensiv 9/2014

INHALT:

Grover Furr: Einleitung

Jeschows Vernehmungen vom 18.- 20. April 1939

Jeschows Vernehmung vom 26. April 1939, getrennt veröffentli
cht

Jeschows Vernehmung vom 30. April 1939

Jeschows Vernehmung vom 5. Mai 1939

Jeschows Vernehmung am 17. Mai 1939

Jeschows Verhör am 21. Juni 1939 durch Rodos

Jeschows Vernehmung am 29. Juni 1939 durch Rodos, Kedrows Bericht betreffend

Jeschows Vernehmung vom 2. Juli 1939 durch Rodos, betr. Mnatsakanow

Jeschows Vernehmung am 8. Juli durch Rodos

Jeschows Vernehmung am 8. Juli durch Rodos

Jeschows Vernehmung am 24. Juli 1939 durch Rodos, einschließlich eines Zitats aus der Frinowski Vernehmung

Jeschows Vernehmung am 2. August 1939 durch Rodos

Jeschows Vernehmung am 3. August 1939 durch Rodos

Jeschows Geständnis vom 4. August 1939 (getrennt veröffentlicht)

Das Jeschow Protokoll am Schluss der Untersuchung, 1. Februar 1940

Einleitung von Grover Furr

Wir wissen nicht, wie viele Vernehmungen von Jeschow im Umlauf sind. Sämtliches Strafverfolgungsmaterial, das praktisch alle wichtigen Angelegenheiten der UdSSR in den späten 30iger Jahre betrifft, ist immer noch streng geheim und wird in den Archiven des Präsidenten der Russischen Föderation verwahrt. Ich habe einfach jene Texte, die bis heute freigegeben wurden (Stand Juli 2010), übersetzt.

Ich habe diese Geständnisse aus folgenden ‚halboffiziellen‘ Quellen zusammengestellt und übersetzt:

Briuchanow, Boris Borisowitsch und Schoschkow, Jewgeni Nikolajewitsch.

Opravdaniiu ne podlezhit. Ezhov i Ezhovshchina 1936-1938 gg. Sankt Peterburg: OOO “Petrovskii Fond” 1998.

Polianskii, Aleksei. Ezhov. Istoriia zheleznogo stalinskogo narkoma. Moskau: Veche, Aria-AiF, 2001.

Pavliukov, Aleksei, Ezhov. Biografiia. Mosvow: Zakharov, 2007.

Ich bezeichne diese Quellen als ‚halboffiziell‘, weil sie von allen antikommunistischen Forschern ohne weiteres zitiert werden. Diese Forscher ignorieren sie fast vollständig und ignorieren auch vollständig ihre Bedeutung, aber sie sehen sie nicht als gefälscht an.

Ich habe auch noch die folgenden Quellen benutzt, die mehr oder weniger ‚offiziell‘ sind:

Lubianka. Stalin i NKWD – NKGB – GUKR SMERSH. 1939 – mart 1946. Moscow: Materik, 2006.

Petrov, Nikita und Jansen, Mark. Stalinskii pitomets – Nikolai Ezhov, Moscow: ROSSPEN, 2008.

Ein paar Bemerkungen stammen aus anderen Quellen, hauptsächlich von Wassili Soijma, Zapreshchenyi Stalin, Chast 1, Moscow: OLMA-PRESS, 2001. Immer, wo es möglich war, habe ich den Text mit den Online-Versionen verglichen (http://perpetrator2004.narod.ru/), ‚“Documents of Soviet Power and of Soviet Communist Terror“, die die obigen Quellen verwendeten.

Hier verwende ich sie nur in der englischen Übersetzung für interessierte Studenten. Natürlich müssen diese Dokumente studiert werden. Ich tue dies, präsentiere aber hier nicht meine Ergebnisse.

Merke:

Wir verfügen über ein wichtiges Geständnis von Michael Frinowski, Jeschows stellvertretenden Kommissar, und zwar das vom 11. April 1939, das auch in dem oben zitierten Lubjanka-Band zitiert wird. Ich habe davon eine Übersetzung hier online gestellt.

Es sollte in Verbindung mit Jeschows Geständnissen gelesen werden.

Grover Furr

31. Juli 2010.

Jeschows Vernehmung vom 18. April bis 20. April 1939

Nach Pawljukow ist dies das erste Geständnis von Jeschow in seiner Akte. QQ 519-520 & n. 481 p. 564, zusammengefasst 520-21.

519-520

Frage:

„Sie sind als Verräter der Partei und als Volksfeind verhaftet worden. Die Untersuchung hat genügend Fakten erbracht, um Sie bei dem ersten Versuch, ihre Verbrechen zu verschleiern, zu überführen. Wir schlagen vor, dass Sie nicht abwarten, bis sie überführt werden, sondern mit Ihren Geständnissen ihrer schwarzen, verräterischen Arbeit gegen die Partei und die Sowjetmacht fortfahren.“

Antwort:

„Es fällt mir schwer als jemand, der noch vor kurzer Zeit das Vertrauen der Partei genoss, meinen Verrat zuzugeben. Aber jetzt, wo ich damit konfrontiert bin, dass eine Untersuchung zu meinem Verrat stattfindet, möchte ich vollkommen offen und ehrlich sein.

Ich bin nicht die Person, für die mich die Partei gehalten hat. Viele Jahre lang habe ich mich hinter einer Maske der Parteitreue verborgen, und gleichzeitig habe ich getäuscht, hatte zwei Gesichter und habe einen heimlichen und grausamen Kampf gegen die Partei und den sowjetischen Staat geführt.“

Zusammenfassung anderer Teile von Jeschows Erklärungen:

„Die Geschichte von Jeschows ‚Sündenfall‘ begann im Jahre 1921, als er in Tatarien tätig war und unter dem Einfluss von anarcho-syndikalistischen Ideen angeblich der Ortsgruppe der sogenannten Arbeiteropposition beitrat. In den folgenden Jahren, denen der innerparteilichen Diskussionen in den 30igern, soll er auch Differenzen mit der Parteilinie zum Ausdruck gebracht haben. Allerdings zeigten die Vernehmer wenig Interesse, im Müll der Geschichte herumzuwühlen, und gestatteten es Jeschow nicht, lange vom Thema abzuweichen. Zitat:

Frage:

„Was ist der Sinn dieser ganzen Geschichte über diese oder jene ‚politische Abweichung‘ von Ihnen? Als langjähriger Agent ausländischer Geheimdienste müssen Sie Ihre direkte Spionagearbeit zugeben. Sprechen Sie davon!“

Antwort:

„Also gut. Ich werde genau an dem Punkt ansetzen, als meine geheimdienstlichen Verbindungen anfingen.“

Zusammenfassung:

„Jeschow berichtete, dass er durch seinen Freund F. M. Konar*, der lange polnischer Agent war, in die Spionagearbeit hineingezogen wurde. Konar erhielt von Jeschow politische Nachrichten und gab sie an seine Vorgesetzten in Polen weiter, und bei einer Gelegenheit erzählte Jeschow davon, und schlug dann vor, dass er sich als Freiwilliger für die Polen arbeiten sollte. Da Jeschow aber bereits Informant für den polnischen Geheimdienst geworden war, da er über Konar schon wichtige Partei- und Staatsgeheimnisse verraten hatte, hatte er wohl keine andere Wahl, als diesem Vorschlag zuzustimmen.

*F. M. Konar – Stellvertretender Kommissar für Landwirtschaftsfragen. Er wurde im März 1933 wegen Sabotage in der Landwirtschaft auf dem Höhepunkt der schweren Hungersnot hingerichtet. Konar war nach Angaben seiner Tochter Nadeschda (Memoiren) auch ein Freund des Dichters Ossip Mandelstam.

Die Polen sollen einen Teil ihrer Erkenntnisse, die sie von Jeschow erhielten, mit ihren deutschen Verbündeten geteilt haben, und so wird nach einer gewissen Zeit auch ein Angebot von dieser Seite gekommen sein.

Nach Angaben von Jeschow fungierte Marschall A. I. Jegorow – Erster Stellvertretender Volkskommissar für Verteidigung – als Mittelsmann (zwischen Jeschow und den Deutschen). Er traf sich mit Jeschow im Sommer 1937, und gab ihm zu verstehen, dass er von seinen Kontakten zu den Polen wusste, dass er selbst polnischer Agent war, der im Auftrag deutscher Dienste innerhalb der Roten Armee eine Gruppe von Verschwörern gebildet hatte, und dass man ihm eine Anweisung erteilt habe, enge Arbeitsbeziehungen zwischen seiner Gruppe und der von Jeschow herzustellen.

Jeschow stimmte diesem Vorschlag zu und versprach, Jegorows Leute vor Strafverfolgung zu schützen.“

Jeschows Vernehmung vom 23. April 1939 (24. 4. 39)

Die Zitate sind identisch mit jenen, die Jeschow am 24. April 1939 am Anfang und am Ende seiner Geständnisse machte; siehe Petrow & Jansen, 365-6 sowie Pawljukow, 522-523.

Pawljukow schreibt dazu zehn Seiten, P & J zitieren dasselbe Archiv, anderer Ort, insgesamt vier Seiten.

Pawljukow: Es gibt keine Anzeichen dafür, dass dieses Geständnis erzwungen wurde oder dass man auch nur darauf aus gewesen wäre (522), es zu erzwingen.

Petrow & Jansen, 365-6:

„Ich meine, dass es ganz wichtig ist, eine ganze Reihe neuer Tatsachen zu meiner amoralischen Zügellosigkeit mitzuteilen. Ich meine damit, dass ich schon sehr lange homosexuell bin.

Es fing in meiner frühen Jugend schon an, als ich meine Schneiderlehre begann. Im Alter von 15 oder 16 Jahren hatte ich Sex mit gleichartigen Lehrlingen in derselben Schneiderwerkstatt. Dieses Laster brach während meines Dienstes in der alten zaristischen Armee an der Front wieder auf. Abgesehen von einem einmaligen Zusammensein mit einem Soldaten aus unserer Kompanie, ging ich eine Beziehung mit einem gewissen Filatow ein – mein Freund aus Leningrad, der bei mir im Regiment diente. Unsere Beziehung war ‚gegenseitig‘, d.h. die weibliche Rolle wurde mal von mir, mal von ihm eingenommen. Später kam Filatow an der Front um.

1919 wurde ich zum Kommissar in der Zweiten Formation des Funk- und Fernmeldedienstes ernannt. Mein Sekretär war ein gewisser Antoschin. Ich weiß, dass er 1937 noch in Moskau war und dass er irgendwo als Leiter einer Funkstation arbeitete. Er war Funker für besondere Aufgaben. 1919 hatte ich mit ihm homosexuelle Kontakte.

1924 tat ich Dienst in Semipalatinsk (heute heißt die Stadt Semei/Kasachstan – G. Furr). Mein alter Freund Dementjew kam mit. Mit ihm hatte ich bei verschiedenen Gelegenheiten homosexuelle Kontakte, bei denen ich die aktive Rolle spielte (anscheinend meint er, dass Dementjew die weibliche Rolle einnahm – G.F.).

1925 nahm ich homosexuelle Kontakte zu einem gewissen Bojarski auf. Das war in Orenburg. Er war damals Vorsitzender des regionalen kasachischen Gewerkschaftsrats. Soweit ich weiß, ist er heute Direktor eines Künstlertheaters in Moskau. Unsere Beziehung beruhte auf Gegenseitigkeit.

Damals kamen wir zusammen in Orenburg an und wohnten im gleichen Hotel. Unsere Beziehung war nur von kurzer Dauer. Als seine Frau kam, war sie vorbei.

Im gleichen Jahr 1925 wurde die Hauptstadt Kasachstans von Orenburg nach Ksyl-Orda verlegt, wo ich dann arbeitete. Bald schon kam F. I. Goloschtschekin, der neue Sekretär des regionalen Parteikomitees. Jetzt ist er Hauptschlichter. Er war Junggeselle ohne Frau, und ich war es auch. Vor meiner Abreise nach Moskau war ich für ungefähr zwei Monate in sein Apartment eingezogen und verbrachte dort oft die Nacht. Ich nahm auch zu ihm sehr schnell homosexuelle Beziehungen auf, und bis zu meiner Abreise nach Moskau ging das so weiter, mal mehr, mal weniger. Auch hier beruhte unsere Beziehung auf Gegenseitigkeit.

1938 hatte ich bei zwei Gelegenheiten homosexuellen Verkehr mit Dementjew, mit dem ich schon 1924 solche Kontakte hatte, wie ich vorhin schon erwähnte. Das war im Herbst 1938 in meinem Apartment, nachdem ich schon als Kommissar für Innere Angelegenheiten entlassen war. Dementjew lebte mit mir etwa zwei Monate zusammen.

Wenig später, noch im Jahr 1938, kam es zweimal zu homosexuellen Kontakten mit Konstantinow. Ich kannte ihn seit 1918 aus der Armee. Er arbeitete mit mir schon vor 1921. Seit 1921 sahen wir uns kaum noch. Auf meine Einladung hin kam er 1938 häufig in meine Wohnung. Er war zwei oder dreimal in meiner Datscha. Zweimal kam er mit seiner Frau. Die anderen Male allein. Er verbrachte oft die Nächte mit mir. Wie ich vorhin schon sagte, hatten wir zu der Zeit zweimal homosexuellen Verkehr. Unsere Beziehung beruhte auf Gegenseitigkeit. Ich sollte noch hinzufügen, dass ich, als er mit seiner Frau da war, mit ihr einmal geschlafen habe.

Wir tranken viel dabei.

Ich mache diese Angaben, um zu zeigen, dass ich moralisch heruntergekommen war.

24. April 1939, N. Jeschow.

Jeschows Vernehmung vom 26. April 1939, getrennt veröffentlicht

Jeschows Geständnis vom 26. April 1939 gehört hierhin (aus der Lubjanka)

Lubjanka. Stalin I NKWD – NKGB-GUKR „Smersch“. 1939-mart 1946. Moskau, 2006, S. 52-72.

Nr. 37. Mitteilung von L. P. Berija an J. W. Stalin zu N. I. Jeschow, angefügt Vernehmungsabschrift

27. April 1939

Nr. 1268/b Streng geheim

Genosse STALIN,

anliegend sende ich Ihnen die Abschrift des Vernehmungsprotokolls zu Jeschow vom 26. April 1939. Die Vernehmung wird fortgesetzt.

Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, L. Berija

ABSCHRIFT DES VERNEHMUNGSPROTOKOLLS ZUR VERHAFTETEN PERSON NIKOLAI IWANOWITSCH JESCHOW vom 26. April 1939

JESCHOW, N.I., geb. im Jahr 1895 in Leningrad, ehemaliges Mitglied der AKP (b) seit 1917. Vor der Verhaftung: Volkskommissar für Flussschifffahrt.

Frage: Bei der letzten Vernehmung gestanden Sie, dass Sie zehn Jahre lang für Polen spioniert haben. Sie verheimlichten jedoch eine Reihe Ihrer Spionagekontakte. Die Untersuchung fordert von Ihnen, ein wahrheitsgetreues und ausführliches Geständnis zu dieser Frage abzulegen.

Antwort: Ich muss zugeben, dass ich, obwohl ich wahrheitsgemäße Angaben zu meiner Spionagearbeit für Polen machte, ich tatsächlich meine Spionageverbindungen zu den Deutschen vor der Untersuchung verheimlicht habe.

Frage: Mit welchem Ziel versuchten Sie, die Untersuchungskommission von Ihren Spionageverbindungen zu den Deutschen abzulenken?

Antwort: Ich wollte meine direkten Spionageverbindungen zu den Deutschen vor der Untersuchung nicht eingestehen, da meine Zusammenarbeit mit dem deutschen Geheimdienst nicht nur auf Spionagearbeit beschränkt war. Ich organisierte auch eine antisowjetische Verschwörung und bereitete einen Staatsstreich vor durch terroristische Anschläge gegen die Führer von Partei und Regierung.

Frage: Gestehen Sie all Ihre Spionageverbindungen, die Sie der Untersuchung verheimlichten sowie die Umstände Ihrer Anwerbung!

Anwort: Ich wurde 1934 unter folgenden Umständen als deutscher Geheimdienstagent angeworben. Im Sommer 1934 schickte man mich zur Behandlung nach Wien zu Professor Norden.

Frage: Wer ist Norden?

Antwort: Norden ist Deutscher. Er ging von Frankfurt nach Wien aus Gründen, die mir nicht bekannt sind – eine medizinische Kapazität. Er ist auch Miteigentümer verschiedener Sanatorien, nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern Europas.

Viele kranke Menschen aus vielen Ländern der Welt, darunter auch viele der führenden Arbeiter aus der UdSSR fuhren oft zu Norden nach Wien zur Behandlung.

Frage: Wer zum Beispiel?

Antwort: Soweit ich weiß, behandelte Norden Tschubar, Gamarnik, Jakir, Weinberg und Metalikow.

Frage: Wer warb Sie an?

Antwort: Ich wurde von Dr. Engler, dem Hauptassistenten von Norden, für die Zusammenarbeit mit dem deutschen Geheimdienst angeworben.

Frage: Mir ist nicht klar, welche Verbindung Dr. Engler zum deutschen Geheimdienst hatte.

Antwort: Um diese Frage im Einzelnen zu beantworten, bitte ich Sie darum, die Umstände schildern zu dürfen, unter denen ich von Dr. Engler angeworben wurde.

Frage: Sprechen Sie!

Antwort: Nach meiner Ankunft in Wien Ende 1934 wurde ich in einem sehr komfortablen Haus des Sanatoriums untergebracht.

In der dritten Woche meines Aufenthalts im Sanatorium nahm ich eine intime Beziehung zu einer Krankenschwester auf, deren Name mir entfallen ist. In der ersten Nacht lief alles glatt ab, aber bei ihrer nächsten Schicht trat Dr. Engler plötzlich ins Zimmer, fand mich mit ihr in einer peinlichen Situation und machte großes Aufhebens davon. Er rief sofort die Krankenschwester, die mit einem Schrei aus dem Zimmer lief, und Engler fing dann an, sich mit mir in gebrochenem Russisch zu unterhalten. Er sagte:

„Wir haben noch nie einen solch skandalösen Vorfall hier im Sanatorium gehabt! Dies ist kein Freudenhaus. Sie ruinieren den guten Namen des Hauses. Wir haben hier Wissenschaftler aus der ganzen Welt, und Sie machen so etwas! Ich muss Sie aus dem Sanatorium ausweisen, und wir werden Ihre Regierung von dieser schändlichen Affäre berichten. Ich kann nicht garantieren, dass diese skandalöse Geschichte nicht in der Presse erscheinen wird.“

Ich flehte Engler an, das nicht zu tun und bot ihm Geld an. Engler wurde dann noch hitziger und ging demonstrativ.

Am nächsten Tag ging ich zu Engler und entschuldigte mich für meine Grobheit und für das Geld, das ich ihm angeboten hatte und sagte zu ihm, dass ich die ganze Angelegenheit friedlich beilegen wolle. In einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, machte er mir folgendes Angebot: „Entweder Sie arbeiten mit dem deutschen Geheimdienst zusammen oder wir werden Sie in der Presse diskreditieren. Sie haben die Wahl!“

Irgendwann gab mir Engler zu verstehen, dass er genau wisse, wer ich sei, was ich in der UdSSR tue und welche Position ich dort einnehmen würde (damals arbeitete ich als Chef der Industrieabteilung beim Zentralkomitee der Partei sowie als stellvertretender Vorsitzende der Parteikontrollkommission).

Ich war völlig schockiert, und mir wurde klar, dass man mir die Krankenschwester nach einem vorher abgestimmten Plan geschickt hatte und bat Engler, mir Bedenkzeit zu geben. Er stimmte zu.

Weil ich nicht in Eile war, diese Frage zu entscheiden, kam Engler nach zwei oder drei Tagen selbst auf mich zu und fragte: „So - Sie hatten Zeit genug zum Nachdenken. Was haben Sie beschlossen?“ Erneut bat ich ihn, alles einvernehmlich zu regeln, ohne irgendwelche Skandalgeschichten. Er weigerte sich energisch. Engler erklärte, dass er den Vorfall noch am gleichen Tage dem Polizeipräsidenten vorlegen werde, und dass morgen ein Artikel über mein schändliches Verhalten in der österreichischen Presse erscheinen würde. „Bedenken Sie“, fuhr er fort, „dass Sie nicht nur eine Sexorgie im Sanatorium abgehalten haben, sondern auch noch versucht haben, unsere Angestellten zu bestechen.“

Ich beschloss, Englers Vorschlag zuzustimmen.

Frage: Die Umstände Ihrer Anwerbung durch den deutschen Geheimdienst, die Sie geschildert haben, sind wenig glaubwürdig.

Es ist unverständlich und merkwürdig, dass Sie sich anwerben ließen, zumal alles, was Sie befürchten mussten, war, dass eine intime Beziehung zu irgendeiner Frau, breitgetreten werden konnte.

Also reden Sie Klartext: Wie gelang es dem deutschen Geheimdienst wirklich, Sie anzuheuern?

Antwort: Damals war ich gerade erst in wichtige politische Funktionen befördert worden. Öffentliches Aufsehen, was diesen Vorfall betraf, hätte mich in der UdSSR diskreditieren und hätte zur Aufdeckung meiner Verderbtheit führen können. Außerdem war ich, wie die Untersuchungskommission ja weiß, schon mit dem polnischen Geheimdienst verbunden, so dass ich nichts zu verlieren hatte.

Frage: So verbanden Sie sich also auch noch mit dem deutschen?

Antwort: Ich musste ja. Engler verlangte von mir eine kurze schriftliche Verpflichtung für eine Zusammenarbeit mit dem deutschen Geheimdienst, die ich dann gab.

Frage: Das heißt, Sie gaben ihnen eine Verpflichtungserklärung?

Antwort: Ja.

Frage: Erhielten Sie einen Geheimnamen?

Antwort: Nein.

Frage: Was dann?

Antwort: Nachdem meine Anwerbung formal abgeschlossen war, bat ich Engler, mich darüber zu informieren, mit wem und wie ich die Beziehungen mit ihnen aufrechterhalten sollte. Engler antwortete, dass er selbst Mitarbeiter des deutschen Militärgeheimdienstes sei.

Er sagte, dass er mit mir zusammenarbeiten werde.

Frage: Es ist mir nicht ganz klar, wie Engler, der in Wien lebte, mit Ihnen, der Sie in Moskau waren, Verbindung halten sollte.

Es war so, dass Engler angeboten worden war, nach Moskau zu kommen, weil die medizinische Abteilung des Kreml 1932-33 die Frage des Baus eines besonderen Sanatoriums nach Art der Sanatorien von Prof. Norden aufgeworfen hatte.

Man wollte einen Mitarbeiter von Norden zum Leiter eines solchen Sanatoriums machen. Engler sagte mir, dass man mit ihm in Verhandlungen stünde und dass er sein Einverständnis gegeben habe, nach Moskau zu gehen. Aber die Sache hatte sich verzögert, weil Moskau nicht bereit war, die Bedingungen zu akzeptieren, die Engler erfüllt wissen wollte.

Frage: Sie haben gesagt, dass Verhandlungen mit Engler im Gang waren, nach Moskau zu ziehen, um dort zu arbeiten. Wer hat diese Verhandlungen geführt?

Antwort: Engler erzählte mir, dass er mit Metalikow verhandeln würde – dem ehemaligen Chef der medizinischen Abteilung des Kreml. Er wollte speziell deswegen nach Wien kommen.

Frage: Welche Aufgaben stellte Ihnen Engler nach Ihrer Anwerbung?

Antwort: Er wollte vor allem, dass ich mich dafür einsetzte, dass er so schnell wie möglich nach Moskau eingeladen werde. Ich versprach Engler, alles Nötige in die Wege zu leiten, um diese Angelegenheit zu beschleunigen.

Frage: Haben Sie dieser Forderung entsprochen?

Antwort: Als ich wieder in Moskau war, setzte ich mich sofort mit Metalikow in Verbindung und empfahl ihm, diese Frage dem Rat der Volkskommissare der UdSSR zur Beschlussfassung vorzulegen.

Kurz darauf teilte mir Metalikow mit, dass die Partei diesen Vorschlag abgelehnt hatte. Dann riet ich ihm, die Frage dem Zentralkomitee der Partei vorzulegen.

Das Politbüro des ZK der Partei beschloss, Engler nicht einzuladen und stattdessen ein sowjetisches Ärztekollektiv nach Norden zu schicken, und danach aus einer Gruppe von Spezialisten einen Chefarzt für das ‚Barwicha‘-Sanatorium zu bestimmen, das nach dem Modell der nordenschen Sanatorien errichtet werden sollte. Aus diesem Grund kam Engler nicht nach Moskau.

Frage: Haben Sie Engler für den deutschen Geheimdienst irgendwelche Informationen übergeben, die besonders gehütete Geheimnisse der Sowjetunion waren?

Antwort: Während der Zeit, als ich direkten Kontakt zu ihm hatte, also in Wien und danach in Bad Gasstein (ein Kurort in Österreich), wo er mich zweimal aufsuchte, informierte ich Engler nur über die allgemeine Lage in der Sowjetunion und in der Roten Armee, an der er besonders interessiert war.

Frage: Sie weichen einer direkten Antwort aus. Die Untersuchungskommission hat Interesse daran zu erfahren, was für Informationen mit Spionagecharakter Sie Engler übergeben haben?

Antwort: Ich berichtete Engler nur über das, was ich aus dem Kopf über den Stand der Bewaffnung und der militärischen Vorbereitungen in der Roten Armee wusste, insbesondere was die Schwachpunkte dieser Vorbereitungen in der Arbeiter- und Bauernarmee der Roten Armee (der volle Name der Roten Armee damals – GF) anging. Ich erzählte ihm, dass die Artillerie der Roten Armee sehr rückständig wäre, was Qualität und Quantität der Bewaffnung anging, und dass sie in keiner Weise an die Artilleriebewaffnung der führenden kapitalistischen Staaten heranreichte.

Was die allgemeine wirtschaftliche Lage in der UdSSR anging, so berichtete ich Engler von den Schwierigkeiten beim Aufbau der Kolchosen sowie über die großen Probleme bei der Industrialisierung des Landes. Ich illustrierte das am Beispiel der Stalingrader Traktorenwerke, wo kurz nach der Aufnahme der Produktion ein großer Teil der teuren Einrichtungen schon wieder eingestürzt seien. Dementsprechend sei der Erfolg der Industrialisierung der UdSSR als zweifelhaft anzusehen. Des Weiteren informierte ich ihn über die immensen Disproportionen im Wachstum verschiedener Branchen, was große Auswirkungen auf die allgemeine wirtschaftliche Situation im Lande habe. Insbesondere betonte ich die rückständigen Verhältnisse im Bereich der Nichteisenmetalle sowie bei bestimmten Legierungen, was die militärischen Vorbereitungen der Roten Armee verzögere.

Frage: Sie haben gestanden, dass es Ihnen nicht gelang, Engler in die UdSSR zu bekommen. Wie bewerkstelligten Sie Ihre Kontakte mit dem deutschen Geheimdienst nach Ihrer Rückkehr in die Sowjetunion?

Antwort: Ich habe schon gestanden, dass es eine Entscheidung gab, eine Gruppe sowjetischer Ärzte zu Norden zu schicken. Als sie aus Wien zurückkamen, trat einer von ihnen, die mit Norden gearbeitet hatten – er hieß Taitz – auf Englers Anweisung hin mit mir in Spionageverbindung.

Frage: Wann und unter welchen Umständen entstand diese Spionageverbindung zu diesem Arzt?

Antwort: Das war ungefähr Anfang 1935. Dr. Taitz war immer bei Konsultationen mit erkrankten hochrangigen Patienten zugegen, so dass ich ihn schon gut kannte. Das erste Gespräch, bei dem er mit mir Spionageverbindungen aufnahm, fand in meinem Büro statt. Er kam unter dem Vorwand einer Routineuntersuchung. Nach den gewöhnlichen Fragen zu meiner Gesundheit, fing er an, von seiner Reise nach Wien zu erzählen. Nachdem er mir von seinem Aufenthalt in Nordens Sanatorium berichtet hatte, informierte er mich darüber, dass er gute Bekanntschaft mit Dr. Engler geschlossen hatte, der Grüße an mich ausrichten ließ, da wir gut bekannt waren.

Als Taitz sich mit mir über Engler unterhielt, erwähnte er auch taktvoll den Zwischenfall, der sich in Wien ereignet hatte - mit mir und der Krankenschwester. Scherzhaft gestand ich meine Unvorsichtigkeit ein und fragte ihn, ob irgendjemand von den anderen Ärzten, die mit Norden zusammenarbeiteten, von dem Vorfall erfahren hatten. Er beruhigte mich und sagte mir, dass niemand außer Engler und er von der Sache wüssten und fügte hinzu, dass ihm die ‚guten‘ Beziehungen zwischen Engler und mir bekannt seien. Mir war klar, dass er alles wusste, und ich fragte ihn direkt, was für Aufträge Dr. Engler ihm für mich gegeben habe. Taitz sagte, dass Engler mir aufgetragen hatte, mit ihm, Taitz, Spionagebeziehungen aufzunehmen und diesen Kontakt so lange aufrechtzuerhalten, bis es keine Notwendigkeit dafür mehr gebe, und über ihn sämtliche Informationen zu übermitteln, die Engler interessierten.

Frage: Wo befindet sich dieser Taitz jetzt?

Antwort: Er wurde 1937 verhaftet, und soweit ich weiß, ist er erschossen worden.

Frage: Wie lange dauerten Ihre Verbindungen zu ihm?

Antwort: Grob gesagt, das ganze Jahr 1935 hindurch.

Frage: Wo fanden Ihre konspirativen Treffs statt?

Antwort: Immer dann, wenn ich die eine oder andere Information übergeben wollte, in meiner Wohnung. Taitz kam dann immer unter dem Vorwand, mich zu untersuchen.

Frage: Was für Spionageaufträge erhielten Sie von Taitz?

Antwort: Taitz meinte, dass Engler in erster Linie an geheimen Informationen über die Bewaffnung der Roten Armee sowie an allen Einzelheiten über die Verteidigungskraft der UdSSR interessiert sei. Zu der Zeit war ich Vorsitzender der Industrieabteilung des Zentralkomitees der Partei und stellvertretender Vorsitzender der Parteikontrollkommission, die ich praktisch leitete.

In dieser Kommission gab es eine Militärgruppe, die von N. Kuibyschew geleitet wurde. Die Arbeit dieser Gruppe und das Material, mit dem sie arbeitete, unterlagen einer besonders strengen Geheimhaltung, und deshalb arbeitete sie unter meiner Führung. Die Dokumente, die von dieser Gruppe erarbeitet wurden und die Fragen der Armee und ihre Bewaffnung betrafen, wurden ausschließlich an das Verteidigungskomitee und an mich weitergegeben. In der Regel nahm ich all diese Dokumente zu mir nach Hause, und wenn Taitz kam, übergab ich sie ihm für einen kurzen Zeitraum, wonach er sie mir sofort wieder zurückgab.

Ich weiß, dass er die meisten dieser Notizen fotokopierte und sie an seine Auftraggeber weitergab.

Frage: Hat er Ihnen das gesagt?

Antwort: Ja. Einmal war ich daran interessiert, an wen er die Informationen, die er von mir erhielt, weiterleitete. Taitz antwortete, dass er Fotokopien der Informationen einer gewissen Person aus der deutschen Botschaft übergeben würde, die dann die Dokumente an den deutschen Geheimdienst weiterreiche.

Frage: Wie kam er in die deutsche Botschaft?

Antwort: Er arbeitete nicht nur für die medizinische Kreml-Abteilung, sondern kümmerte sich auch um die Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Moskau.

Frage: Erinnern Sie sich an das Wesen dieser Informationen, die Sie an Taitz weitergaben?

Antwort: Ja.

Frage: Genauer!

Antwort: Während meiner Verbindung zu Dr. Taitz übergab ich ihm eine große Zahl von Berichten und Notizen über Fragen der Bewaffnung, der Ausrüstung, der Versorgung mit Lebensmitteln, über Fragen der politischen Verhältnisse und dem Stand der militärischen Vorbereitungen innerhalb der Roten Armee. Diese Materialien enthielten umfangreiches Zahlenmaterial und faktenbezogene Informationen zu verschiedenen Streitkräften, zu Bewaffnungstypen sowie zu den Verhältnissen in den Militärbezirken.

In dieser Zeit übergab ich Taitz Informationen über die Unzulänglichkeiten im militärischen Flugwesen, über die nur langsame Entwicklung neuer und besserer Flugmotortypen, über die Unfallrate bei Militärflugzeugen, über den Ausbildungsplan für Flugkader sowie taktische und technische Informationen betreffs Qualität und Quantität von Flugzeugmotoren und Flugzeugen, die wir herstellten.

Außerdem übergab ich Taitz Informationen aus der Parteikontrollkommission bezüglich der Panzerbewaffnung in der Roten Armee. Ich wies die Deutschen auf die niedrige Qualität sowjetischer Panzerungen und auf die Tatsache hin, dass die Panzer noch nicht mit Dieselmotoren ausgerüstet waren, sondern noch mit Flugmotoren liefen.

Darüber hinaus gab ich an Taitz umfangreiche Informationen über die Mängel auf dem Gebiet der Materialbeschaffung, der Versorgung mit Lebensmitteln und der Quartierverwaltung bei der Roten Armee weiter. Zu diesen Fragen fand eine Sondersitzung des Zentralkomitees der Partei statt, deren Beschlüsse ich ebenfalls an die deutschen Geheimdienste weitergab.

Aus den von mir weitergegebenen Dokumenten ergab sich ein klares Bild von den Zuständen innerhalb des militärischen Bereichs. Daraus wurde deutlich, dass die Rote Armee bei Beginn eines Krieges vor ernsthaften Problemen stehen würde.

Ich übergab auch an Taitz Material über den Zustand der chemikalischen und technischen Ausrüstung sowie über die leichte Bewaffnung der Roten Armee, aber auch noch weiteres Material, das Aufschluss über den Stand der militärischen Vorbereitungen gab, über die politischen und moralischen Verhältnisse bei einigen Einheiten im Leningrader und weißrussischen Raum, in der Wolgaregion sowie in den zentralasiatischen Gebieten, die alle von der Parteikontrollkommission überwacht wurden.

Frage: Worin bestand Ihre weitere Zusammenarbeit mit dem deutschen Geheimdienst?

Antwort: Zu Beginn des Jahres 1936 wurde Norden auf Empfehlung der medizinischen Abteilung des Kreml nach Moskau eingeladen, um sich mit einer Reihe hochrangiger Mitarbeiter zu beraten. Er blieb 10-15 Tage in der UdSSR.

Ich erinnere mich, dass unter der großen Zahl von Personen, mit denen er zusammentraf, sich Gamarnik, Jakir, Tschubar, Petrowski, Kossior, Weinberg und Metalikow befanden. Norden beriet sich auch mit mir.

Frage: Hatten Sie mit Norden Spionageverbindungen?

Antwort: Ja, ich nahm Verbindung zu ihm auf.

Frage: Zu welchen Bedingungen?

Antwort: Um bestimmte klinische Untersuchungen fortzusetzen, wurde ich in die Barwicha (Kreml-Sanatorium – Üb.) geschickt, wo ich ein eigenes Apartment erhielt. Ich blieb dort 8-10 Tage.

An einem solchen Tag kam Norden zu mir und überbrachte mir Grüße von Engler. Er sagte: „Engler ist zufrieden mit Ihrer Arbeit, und es tut ihm sehr leid, dass er nicht in die UdSSR kommen konnte. Sie müssen wieder ins Ausland gehen, um Ihre Behandlung dort fortzusetzen.“

Ich erwiderte, dass ich gesund sei und keine Notwendigkeit für einen gesonderten Auslandsaufenthalt sehe. Daraufhin gab mir Norden unverblümt zu verstehen, dass es die Deutschen seien, die auf meiner Auslandsreise bestünden, und dass es nicht so sehr darum gehe, was ich wünsche, sondern um die Forderungen des deutschen Geheimdienstes.

Dann bat ich Norden, mir einen Bericht über meinen Gesundheitszustand zu geben, was er später tat, wobei er betonte, dass es notwendig sei, dass ich in Wien in seinem Sanatorium die Behandlung fortsetze und mich dort erneut mit einer Reihe von Spezialisten beraten sollte. Auf der Grundlage dieser Erklärung wurde beschlossen, mich erneut zur Behandlung ins Ausland zu schicken.

Frage: Spricht Norden Russisch?

Antwort: Nein.

Frage: Wie haben Sie sich verständigt?

Antwort: Ich verständigte mich mit ihm über meine Frau Jewgenia Solomonowitsch Jeschowa, die Deutsch, Englisch und Französisch kann.

Frage: Sind Sie diese Auslandsreise angetreten?

Antwort: Im Sommer 1936 fuhr ich nach Wien und ließ mich dann in Nordens Sanatorium nieder.

Es gab für mich jedoch dort nichts zu tun, weil ich überhaupt keine Behandlung benötigte. Ich fragte Norden, was ich tun sollte. Er erwiderte, ich sollte zum Kurort Meran in Italien fahren.

Vor meiner Reise nach Meran teilte mir Engler mit, dass dort jemand auf mich warte, dem er selbst bei seiner geheimdienstlichen Tätigkeit unterstand. Er wolle mit mir reden.

Drei oder vier Tage nach meiner Ankunft in Meran tauchte Kandelaki auf, der ehemalige sowjetische Handelsbeauftragte für Deutschland, der an Diabetes litt.

Frage: Kam Kandelaki zur Behandlung nach Meran?

Antwort: Meran ist ein Kurort, wo man mit Trauben behandelt wird, was für die Behandlung seiner Krankheit angezeigt war.

Frage: Was war der eigentliche Grund für seine Anreise ?

Antwort: Wie ich später erfahren sollte, hatte Kandelakis Ankunft wie meine eigene ja auch, etwas mit den Spionageangelegenheiten zu tun, über die ich später berichten werde.

Frage: Fahren Sie mit Ihrem Geständnis fort!

Antwort: Kurz nachdem Kandelaki ankam, erschien auch Litwinow (der ehemalige sowjetische Außenminister, der später von Molotow abgelöst werden sollte – Üb.), dann erschien Schtein, der politische Vertreter der UdSSR in Italien, der ein paar Tage blieb und dann wieder abfuhr und seinen Wagen Litwinow überließ.

Am fünften oder sechsten Tag meines Aufenthaltes in Meran teilte mir Kandelaki mit, dass der bekannte deutsche General Hammerstein in Begleitung des polnischen Handelsministers, an dessen Namen ich mich jetzt nicht erinnern kann, angekommen sei.

Nach Hammerstein kam auch Engler.

An dieser Stelle halte ich es für nötig, Folgendes anzumerken: Als ich einmal durch den Park des Sanatoriums ging, stellte ich fest, dass Kandelaki Hammerstein grüßte und eine Unterhaltung mit ihm begann.

Eines Abends besuchte mich Litwinow und lud mich ein, mit ihm zusammen ins Café zu gehen. Litwinow sprach Hammerstein, der an dem Tisch neben uns saß, auf Deutsch an und beide tauschten Grüße aus. Am nächsten Tag stellte mich Engler Hammerstein vor.

Frage: Wie kam es dazu?

Antwort: Engler kam in mein Zimmer und sagte: „Ich möchte Sie untersuchen“, und ganz nebenbei meinte er, dass Hammerstein mich treffen wolle.

Mein Treffen mit Hammerstein wurde von Engler unter dem Deckmantel eines Spaziergangs durch den Park von Meran arrangiert. Bei einem unserer Spaziergänge trafen wir Hammerstein ‚rein zufällig‘, den mir Engler vorstellte. Danach setzten wir unseren Spaziergang zu dritt fort.

Zu Beginn unserer Unterhaltung erklärte Hammerstein: „Wir sind Ihnen sehr dankbar für die Dienste, die Sie uns geleistet haben.“ Er sagte, dass er zufrieden sei mit den Informationen, die die Deutschen von mir erhalten hatten, aber, so Hammerstein, das meiste sei ‚triviales Zeug‘. „Die Position, die Sie einnehmen, erlaubt uns nicht, mit den Informationen, die Sie uns liefern, ganz zufrieden zu sein. Sie erhalten bald Aufträge politischer Natur.“

Frage: Was für ‚politische Aufträge‘?

Antwort: Hammerstein wusste, dass ich bereits zum Sekretär des Zentralkomitees der Partei gewählt worden war. Er sagte: „Sie haben nicht nur die Möglichkeit, uns zu informieren, sondern auch die, die Politik der Sowjetmacht zu beeinflussen.“

Im Folgenden erwähnte er die, in seinen Worten, sehr gewichtigen Beziehungen, die die Deutschen in den Kreisen des Oberkommandos der Roten Armee hätten, und teilte mir mit, dass es in der Sowjetunion verschiedene militärische Verschwörungen gäbe.

Hammerstein informierte mich darüber, dass eine gewisse Zahl von Militärs mit der Situation in der UdSSR unzufrieden sei und sich das Ziel gesetzt hätte, die interne und internationale Politik der Sowjetunion zu ändern.

Die gegenwärtige Politik der sowjetischen Regierung, so fuhr Hammerstein fort, werde die UdSSR unausweichlich in eine Konfrontation mit den kapitalistischen Staaten bringen, aber dies könnte vollständig vermieden werden, wenn die Sowjetunion zu Zugeständnissen bereit sei und sich an das europäische System ‚anpassen‘ würde.

Da Hammerstein kein Russisch konnte, fragte ich ihn über Engler als Dolmetscher, wie gewichtig denn die Beziehungen von führenden Kreisen in Deutschland mit hohen Vertretern des Oberkommandos der Roten Armee seien.

Hammerstein antwortete: „Wir unterhalten Verbindungen zu verschiedenen Kreisen Ihres Militärs. Ihr Ziel ist das gleiche, aber offensichtlich gehen ihre Ansichten auseinander. Sie können sich nicht einigen, obwohl wir dies kategorisch verlangt haben.“

Frage: Was für Aufträge gab Ihnen Hammerstein?

Antwort: Hammerstein schlug vor, dass ich diese militärischen Kreise kontaktieren und zuallererst mit Jegorow Kontakt aufnehmen sollte. Er erklärte, dass er Jegorow sehr gut kennen würde. Er sei einer der wichtigsten und einflussreichsten Persönlichkeiten unter dem Teil der Militärverschwörer, die verstünden, dass ohne die deutsche Armee und ohne ein solides Abkommen mit Deutschland es nicht möglich sei, die politische Ordnung in der Sowjetunion in der gewünschten Richtung zu verändern.

Hammerstein schlug vor, dass ich mich über Jegorow über alle konspirativen Angelegenheiten auf dem Laufenden halten und dass ich die Verschwörungen, die in der Roten Armee existierten, in einer Weise beeinflussen sollte, damit sie näher an Deutschland heranrückten, und gleichzeitig sollte ich Schritte unternehmen, sie zu ‚vereinigen‘. „Ihre Position als Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei wird Ihnen dabei behilflich sein“, erklärte Hammerstein.

Damit verabschiedete er sich, ließ mich aber wissen, dass er noch weitere Treffs mit mir haben werde.

Frage: In wessen Namen sprach Hammerstein zu Ihnen?

Antwort: Im Namen von Reichswehrkreisen in Deutschland. Es ist so: Schon vor Hitlers Machtantritt besaß Hammerstein den Ruf eines Befürworters einer Annäherung zwischen der deutschen und der Roten Armee. 1936-37 verlor er seine offizielle Funktion in der Reichswehr, aber da er mehr als andere deutsche Generale über Kontakte zu sowjetischen Militärs verfügte, gab man ihm den Auftrag, sich um das sog. ‚russische Geschäft‘ zu kümmern.

Frage: Fanden die Folgetreffen mit Hammerstein statt?

Antwort: Ja, ich traf mich noch dreimal mit Hammerstein. Beim zweiten Treffen drückte er sein Interesse an den Einzelheiten an dem Mord an S. M. Kirow aus sowie darüber, wie groß der Einfluss von Trotzkisten, Sinowjewleuten und Rechten in der Partei sei.

Ich informierte ihn ausführlich, und wies besonders daraufhin, dass es zu jener Zeit unter den Tschekisten Anzeichen von Verzweiflung gegeben hate und dass Jagodas Position nach dem Mord an Kirow erschüttert gewesen sei. Dann sagte Hammerstein: „Es wäre sehr gut, wenn Sie Jagodas Position einnehmen würden!“

Ich lächelte und sagte, dass das „nicht von mir abhängt“.

Meine dritte Unterhaltung mit dem deutschen General betraf die konspirative Arbeit der Militärs in der UdSSR, weil Hammerstein zivile Angelegenheiten nicht so sehr interessierten.

Mein viertes und letztes Treffen mit Hammerstein fand in einem Café statt.

Frage: Schildern Sie ausführlich Ihr letztes Treffen mit Hammerstein.

Antwort: Einmal hatte Kandelaki vorgeschlagen, in ein typisch deutsches Café zu gehen. Ich war einverstanden. Schon bald kam Hammerstein in dieses Café. Kandelaki begrüßte ihn, und lud ihn dann ein, bei uns am Tisch Platz zu nehmen.

Kandelaki unterhielt sich mit ihm über irgendetwas auf Deutsch und sagte dann: „Es scheint ja, dass Sie den General schon kennen!“ Nachdem ich das bejaht hatte, erklärte Hammerstein, dass er sich häufig mit Kandelaki in Berlin getroffen habe und dass er sich freuen würde, „wenn ich Ihnen durch ihn immer meine besten Wünsche zukommen lassen kann“.

Bevor er ging und sich verabschiedete, bat Hammerstein mich, „Alexander Iljitsch (Jegorow) die besten Wünsche auszurichten.

Frage: Was meinen Sie mit ‚besten Wünschen‘, die Hammerstein an Sie über Kandelaki ausrichten wollte.

Antwort: Ich verstand, dass Kandelaki wie ich mit Hammerstein verbunden war, um Spionagearbeit zu leisten und dass er in Zukunft als einer meiner Kanäle zum deutschen Geheimdienst dienen sollte, umso mehr als ein paar Tage, nachdem Hammerstein abgereist war, auch Kandelaki nach Berlin abreiste und er während seines gesamten Aufenthalts im Kurort nie behandelt worden war.

Nachdem Kandelaki abgereist war, kam Litwinow häufiger bei mir vorbei und lud mich zu Spaziergängen oder ins Café ein.

Einmal als wir im Café saßen, fragte mich Litwinow: „Was für einen Eindruck hat Hammerstein auf Sie gemacht?“ Ich war etwas verwirrt und antwortete: „Den Eindruck eines intelligenten Mannes.“ „Ja“, sagte Litwinow, „Hammerstein ist einer der intelligentesten und weitsichtigsten Generäle der Reichswehr. In deutschen Militärkreisen zählt man auf ihn sehr. Er besitzt sehr viel Einfluss in der Armee.“

Ich erinnere mich, dass diese Unterhaltung mit Litwinow in Anwesenheit meiner Frau stattfand, Jewgenja Solomonowna.

Litwinow tanzte Foxtrott und führte dann mit mir eine recht seltsame Unterhaltung. Er sagte: „Hier sitzen wir und erholen uns, gehen in Restaurants, wir tanzen... Wenn sie das in der UdSSR wüssten, gäbe es einen Skandal.“

Als ich das bezweifelte, sagte Litwinow: „Daran ist nichts Eigenartiges. Aber wissen Sie: Wir besitzen keine Kultur. Unsere politischen Führer besitzen nicht die geringste Kultur.“

„Hier haben Sie die Bekanntschaft von General Hammerstein gemacht“, fuhr Litwinow fort, „und was kann daraus entstehen außer Nützliches für die UdSSR? Wenn unsere politischen Führer mit europäischen politischen Führern gute Beziehungen hätten, könnten viele Hindernisse in unseren Beziehungen mit anderen Ländern beseitigt werden. Und jetzt kehren Sie nach Moskau zurück, und sie werden anfangen, Sie wegen Ihrer Bekanntschaft mit Hammerstein auszufragen.“

An diesem Punkt endete das Gespräch mit Litwinow. Schon bald verließ ich Meran, um nach Paris zu reisen, und von dort fuhr ich mit dem Auto nach Rom und kehrte nach Wien mit dem Zug zurück.

Frage: Hatte diese Reise etwas mit Ihrer Spionagetätigkeit zu tun?

Antwort: Nein.

Frage: Haben Sie Ihrer Frau davon erzählt, dass Ihre Begegnungen mit Hammerstein einen Spionagecharakter trugen?

Antwort: Nein, damals erzählte ich ihr nichts davon, aber später verriet ich ihr, dass meine Verbindungen zu Hammerstein mit Spionage zu tun hatten.

Frage: Sie werden uns das im Zusammenhang mit den Spionageaktivitäten Ihrer Frau Jewgenja Solomonowna erzählen, aber jetzt berichten Sie uns, wie Sie in der Praxis Hammersteins Anweisungen ausführten.

Antwort: Bei dem Gespräch mit Hammerstein wurde vereinbart, dass ich mit ihm über Jegorow und Kandelaki nach deren Reisen nach Moskau in Verbindung bleiben würde.

Schon bald nach meiner Rückkehr nach Moskau lud ich Jegorow auf meine Datscha ein und versuchte herauszufinden, ob er über meine Verbindung zu Hammerstein im Bilde war. Aber da Jegorow nichts Konkretes berichtete, offenbarte ich mich ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

An einem Feiertag kam er dann wieder auf meine Datscha, und gleich bei unserem ersten Gespräch eröffnete er mir, dass er bereits von meiner Begegnung mit Hammerstein, mit dem er schon lange in Verbindung stand, wusste.

Unser Gespräch wurde durch die unerwartete Ankunft von Gästen unterbrochen, und wir vereinbarten, uns in den nächsten Tagen weiter zu unterhalten.

Frage: Fand dieses folgende Gespräch mit Jegorow statt?

Antwort: Ja. Nach drei oder vier Tagen kam Jegorow erneut zu mir, und dieses Mal erzählte er mir im Detail von der Existenz einer Gruppe von Verschwörern in der Roten Armee, zu der wichtige Militärs gehörten, die von ihm, Jegorow, angeführt wurden.

Jegorow gab mir dann die Namen der Teilnehmer dieser Verschwörergruppe: Budjonni, Dybenko, Schaposchnikow, Kaschirin, Fedko, der Kommandeur des transbaikalschen Militärbezirks, sowie eine Anzahl anderer wichtiger Kommandeure, deren Namen mir wieder einfallen werden und die ich noch nennen werde.

Er fügte hinzu, dass es in der Roten Armee zwei Gruppen gäbe, die miteinander konkurrieren würden: die trotzkistische Gruppe von Gamarnik, Jakir und Uborewitsch einerseits und die bonapardistische Offiziersgruppe um Tuchatschewski.

Frage: Sie werden uns später noch mehr über das Wesen und die Zusammensetzung der jeweiligen Gruppen erzählen. Aber jetzt erzählen Sie uns noch im Detail über Ihr weiteres Gespräch mit Jegorow über Hammerstein!

Antwort: Bei meinem Gespräch mit Jegorow erzählte ich ihm in allem Einzelheiten von meinen Begegnungen und Unterhaltungen mit Hammerstein, und gab ihm zu verstehen, dass ich bereits von Hammerstein über die Existenz verschiedener Verschwörungen in der Roten Armee informiert worden war.

Dann teilte ich Jegorow mit, dass Hammerstein es als eine fundamental wichtige Aufgabe ansehe, alle militärischen Verschwörungen zu einer mächtigen zu vereinen, um die Pläne einer antisowjetischen Verschwörung erfolgreicher realisieren zu können. Ich sagte ihm, dass ich alles in meiner Kraft Stehende tun würde, um Hammersteins Auftrag auszuführen.

Jegorow teilte mir mit, dass auch er eine Spionageverbindung mit Hammerstein habe, dass er diesen Kontakt über Köstring unterhalte, dem Militärattaché bei der deutschen Botschaft in Moskau. Darauf versprach Jegorow, mich mit Köstring zusammenzubringen, was dann noch im gleichen Jahr 1936 geschah.

An dem vereinbarten Tag kam Jegorow zusammen mit Köstring, der Zivil trug, auf meine Datscha und parkte nicht unweit auf einem für Notfälle vorgesehenen Parkplatz. Ich tat, als ob ich rein zufällig Jegorow in seinem Wagen entdeckt hätte und lud ihn und Köstring ein, sich meine Datscha anzusehen. Jegorow und Köstring waren einverstanden, und wir gingen dann in die Datscha.

Nach dem Frühstück fand das folgende Gespräch zwischen mir und Köstring statt. Köstring stellte sich ausführlich vor und erklärte: „Ich habe den Auftrag erhalten, mich mit Ihnen persönlich über die Herstellung eines vollen Einvernehmens über unsere gemeinsame Aufgaben zu unterhalten.“

Frage: Spricht Köstring Russisch?

Antwort: Ja, er spricht fließend Russisch. Dann gab Köstring mir zu verstehen, dass meine Ernennung zum Volkskommissar für Innere Angelegenheiten die Aussicht dafür eröffne, „all jene, die mit der gegenwärtigen politischen Führung unzufrieden sind, zu vereinen“ und dass ich „an der Spitze dieser Bewegung eine gewaltige Kraft aufbauen“ könnte.

Köstring sagte: „Wir Militärs denken folgendermaßen: Für uns ist der entscheidende Faktor die militärische Kraft. Deshalb stellt sich für uns als erstes die Frage, wie man die militärischen Kräfte im Interesse der gemeinsamen Sache zusammenführen kann. WIR müssen auf jede nur erdenkliche Weise unseren Einfluss in der Roten Armee verstärken, um so die russische Armee im entscheidenden Moment in einer Weise dirigieren zu können, die den Interessen Deutschlands entspricht.“

Köstring unterstrich besonders die Notwendigkeit einer Orientierung auf die Jegorow-Gruppe. Er sagte: „Alexander Iljitsch ist für uns die geeignetste Persönlichkeit, und was die Ziele der Gruppe angeht, so entsprechen sie vollständig den Interessen Deutschlands.“

Aus diesem Grunde versuchte ich später in meiner praktischen Tätigkeit zu verhindern, dass Jegorows Gruppe scheitern konnte. Jegorow und seine Gruppe wurden erst durch das Einschreiten des Zentralkomitees enttarnt.

Frage: War damit Ihr Gespräch mit Jegorow beendet?

Antwort: Nein. Köstring sprach das NKWD an. Er sagte: „Was die Aufgaben des Generalplans angeht, so spielt der Volkskommissar für Innere Angelegenheiten eine entscheidende Rolle. Damit der Staatsstreich erfolgreich sein kann und für die Machtergreifung müssen Sie im NKWD eine breite Koalition von Kräften organisieren, die mit Ihnen übereinstimmen, und diese muss mit den Militärs verbunden werden.“ Köstring erklärte, dass diese Organisationen, in der Armee und im NKWD, so vorbereitet werden müssten, dass bei Ausbruch eines Krieges aufeinander abgestimmte Aktionen zwecks Machtergreifung garantiert sind.

Frage: Und wie war Jegorows Reaktion darauf?

Antwort: Jegorow hörte Köstring zu, und wir beide stimmten mit seinen Vorschlägen überein.

Das Gespräch dauerte anderthalb bis zwei Stunden, wonach Jegorow mit Köstring zusammen wegfuhr.

Frage: Haben Sie nur über Köstring Kontakte zum deutschen Geheimdienst unterhalten?

Antwort: Nein, auch über Kandelaki.

Frage: Schildern Sie uns im Detail Ihre Treffs mit Kandelaki!

Antwort: Im Frühjahr 1936 kam Kandelaki aus Deutschland nach Moskau. Als er mich traf, grüßte er mich von Hammerstein und begann dann sofort eine Unterhaltung mit mir darüber, wie eng er mit deutschen Regierungskreisen über Göring verbunden war. Er hatte aus offizieller Quelle gehört, dass auf meine politische Kollaboration mit den Deutschen großer Wert gelegt wurde, so wie er sich ausdrückte und dass die herrschenden Kreise Deutschlands große Hoffnungen in mich setzten.

Frage: Welche konkreten Aufgaben stellte Ihnen der deutsche Geheimdienst durch Kandelaki?

Antwort: Kandelaki schilderte mir im Detail die subversive Arbeit, die er als Handelsrepräsentant der UdSSR in Berlin betrieb. Er verhandelte so mit der deutschen Regierung, dass dies der UdSSR schadete.

Frage: Wir fragen Sie nicht danach. Weichen Sie der Frage nicht aus, sondern antworten sie direkt: Haben Sie über Kandelaki Spionageverbindungen mit dem deutschen Geheimdienst unterhalten?

Antwort: Ja. Kandelaki war sozusagen der Kontrollkontakt des deutschen Geheimdiensts zu mir. Er fragte mich zum Beispiel danach, wie schnell die Aufgaben, die mir von Hammerstein gestellt wurden, erfüllt wurden, und nach seiner Rückkehr nach Berlin gab er die Informationen, die er von mir erhalten hatte, an Hammerstein und Göring weiter.

Frage: Was hat Ihnen Kandelaki konkret über seine Kontakte zu Göring mitgeteilt?

Antwort: Auf einem der Treffs mit mir – so gegen Ende 1936 oder Anfang 1937 – informierte mich Kandelaki darüber, dass er durch Hammerstein mit Göring in Verbindung getreten war.

Göring hatte Kandelaki angewiesen, nach seiner Ankunft in der Sowjetunion die Sowjetregierung darüber zu informieren, dass es ihm, Kandelaki, gelungen sei, die deutsche Regierung in der Weise unter Druck zu setzen, dass sie der UdSSR ein Darlehen anbieten würde und dass Wirtschaftsminister Schacht, unter dem Druck deutscher Geschäftskreise, bereit sei, mehrere Zugeständnisse zu machen und gewillt sei, der Sowjetunion Kredite anzubieten.

Kandelaki fügte hinzu, dass Göring Hammerstein über meine Zusammenarbeit mit dem deutschen Geheimdienst informiert habe und mich gebeten habe, den Abschluss einer Kreditvereinbarung zwischen der UdSSR und Deutschlands zu unterstützen.

Frage: Warum war dafür Ihre Hilfe nötig?

Antwort: Weil das ausschließlich im deutschen Interesse lag. Die Vereinbarung zielte auf die Intensivierung sowjetischer Exporte von Rohstoffen, die für die deutsche Kriegsindustrie lebenswichtig waren.

Frage: Was haben Sie unternommen, um die Aufträge der Deutschen auszuführen?

Antwort: Ich versprach Kandelaki meine Unterstützung, und tatsächlich verhandelte ich dann mit Rosengolz darüber, dass ein solches Abkommen erwünscht sei, mit der Folge, dass das Volkskommissariat für Außenhandel dann ein positives Votum zu dieser Vereinbarung abgab.

Frage: Wie hat sich Ihre Spionagetätigkeit dann weiterentwickelt?

Antwort: Im Sommer 1937, nach dem Prozess von Tuchatschewski, stellte mich Jegorow im Namen des deutschen Geheimdienstes vor die Aufgabe, die gesamte Spionagearbeit in der Armee und im NKWD so zu organisieren, dass ohne auf einen Krieg zu warten, die Machtergreifung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen vorzunehmen sei, so wie wir es nach dem besprochenen Plan vereinbart hatten.

Jegorow meinte, dass die Deutschen diese Änderungen vorgenommen hätten, weil sie befürchteten, dass die begonnene Zerschlagung der antisowjetischen Gruppen in der Armee auch uns, d.h. mich und Jegorow, erfassen könnte.

Jegorow zufolge hatten die Deutschen vorgeschlagen, dass wir ihnen unsere konkreten Vorstellungen zu dieser Frage so schnell wie möglich mitteilen sollten.

Wir besprachen diese neue Situation mit Jegorow und kamen zu dem Ergebnis, dass die Partei und die Volksmassen hinter der Führung der Kommunistischen Partei (Bolschewiki) stünden und dass der Nährboden für den Staatsstreich noch nicht bereitet sei. Deshalb beschlossen wir, dass es notwendig sei, Stalin und Molotow unter der Flagge irgendeiner antisowjetischen Organisation zu beseitigen, um günstige Bedingungen für meinen weiteren Aufstieg zur politischen Macht zu schaffen. Danach, wenn ich eine noch höhere Position erklommen habe, wäre es möglich, einen entscheidenden Wandel in der Politik der Partei und der Sowjetunion entsprechend deutschen Interessen herbeizuführen.

Ich bat Jegorow, den Deutschen über Köstring unsere Vorstellungen zu übermitteln und die Meinung von Regierungskreisen in Deutschland zu dieser Frage einzuholen.

Frage: Was erhielten Sie als Antwort?

Antwort: Kurz darauf informierte mich Jegorow, dass die besagten deutschen Regierungskreise nach den Worten von Köstring mit unserem Vorschlag einverstanden seien.

Frage: Was für Maßnahmen haben Sie ergriffen, um Ihre verräterischen Pläne zu verwirklichen?

Antwort: Ich beschloss, eine Verschwörung innerhalb des NKWD zu organisieren und in sie Leute hineinzuziehen, durch die ich Terrorakte gegen die Führer der Partei und der Regierung ausführen konnte.

Frage: Kann es sein, dass Sie erst nach ihrem Gespräch mit Jegorow beschlossen, eine Verschwörung innerhalb des NKWD zu organisieren?

Antwort: Nein. Tatsächlich war die Situation folgendermaßen: Lange vor jener Unterhaltung mit Jegorow, schon zur Zeit meiner Ernennung zum Volkskommissar für Innere Angelegenheiten, nahm ich eine Gruppe von Mitarbeitern mit mir ins NKWD, die eng mit meiner konterrevolutionären Arbeit verbunden war. Mein Geständnis, dass ich eine Verschwörung zu organisieren begann, sollte in dem Sinne verstanden werden, dass in Verbindung mit meinen Verhandlungen mit Hammerstein und der Herstellung von Kontakten zu den militärischen Verschwörern es notwendig war, innerhalb des NKWD selbst die verschiedenen konspirativen Organisationen auf breiter Basis zusammenzuführen.

Frage: Geben Sie mir die Namen jener Personen, die mit Ihnen bei Ihrer konterrevolutionären Arbeit eng verbunden waren und die Sie dann mit ins NKWD nahmen!

Antwort: Litwin, Zesarski, Shapiro, Schukowski und Ryschow.

Frage: Wer aus den alten NKWD-Kreisen wurde von Ihnen in die antisowjetische Verschwörung hineingezogen?

Antwort: Als ich Volkskommissar für Innere Angelegenheiten war, habe ich nach einer gewissen Zeit aus dem Personal des NKWD bestimmte Leute näher an mich herangezogen, aber auch viele ehemalige Mitglieder der Verschwörungen im NKWD, darunter Jagoda-Leute, aber auch solche aus dem Nord-Kaukasus, und brachte sie in höhere Positionen. Ich stand an der Spitze all dieser Gruppen.

Frage: Nennen Sie die Mitglieder der konspirativen Gruppen im NKWD!

Antwort: Es waren erstens Mitglieder derjenigen Gruppe, die ich selbst aufgebaut habe: Litwin, Zesarski, Shapiro, Schukowski und Ryschow;

zweitens Mitglieder der Verschwörergruppe aus dem Nord-Kaukasus: Frinowski, Dagin, Jewdokimow (obwohl Jewdokimow kein NKWDler war. Ich werde zu ihm und seiner Gruppe von NKWD-Mitarbeitern noch ein gesondertes Geständnis ablegen);

und drittens die Gruppe um Belski, Uspenski, Schurbenko, Reichman, Ljuschkow, Passowa, Gendin und Jartzew. Diese Leute, angeführt von Jagoda und Balitzki, gehörten zu Jagodas Gruppe und waren schon aktiv, bevor ich sie in die antisowjetische Arbeit hineinzog.

Ich hielt mir diese Kader für eine konspirative Arbeit warm und zog sie zu verschiedenen Zeiten in die antisowjetische Arbeit hinein, die unter meiner Führung arbeitete. Ich werde noch ausführliche Geständnisse über alle Mitglieder dieser Gruppe einzeln ablegen.

Frage: Haben Sie diese Leute auf dem Laufenden gehalten?

Antwort: Ja, ich habe jedes einzelne Mitglied mit der Verschwörung vertraut gemacht – den einen mehr, den anderen weniger – habe ihnen die Ziele und Aufgaben, die wir verfolgten, dargelegt. Das heißt, dass alle von der Existenz der Verschwörung wussten und alle die Aufträge, die ihnen erteilt wurden, im Verlauf der konspirativen, antisowjetischen Arbeit ausführten. Jeder erhielt von mir die Aufgabe, unsere Organisation durch die Anwerbung solcher Leuten zu vergrößern, die in der Lage waren, all unsere Anweisungen, was die antisowjetische Arbeit betraf, ungefragt auszuführen.

Was Jewdokimow und Frinowski betraf, so wurden sie von mir über alles Wichtige zur Verschwörung auf dem Laufenden gehalten; sie wussten absolut alles - auch dass ich Kontakte zu der Gruppe von Militärverschwörern in der Roten Armee hatte sowie zu militärischen Kreisen in Deutschland.

Frage: Die Untersuchungskommission teilt Ihnen im Voraus mit, dass Sie noch im Einzelnen über die Bedingungen der Anwerbung jedes einzelnen Mitglieds der Verschwörung, das Sie genannt haben, befragt werden. Schildern Sie jetzt aber, wie sich der Kontakt zum deutschen Geheimdienst hiernach gestaltete.

Antwort: Ich ließ den Kontakt weiterhin über Köstring laufen.

Frage: Wo fanden Ihre konspirativenVersammlungen mit Köstring statt?

Antwort: In dem konspirativen Apartment des NKWD auf dem Gogolewski Boulevard (Balitzkis ehemalige Villa).

Frage: Wie viele konspirative Begegnungen hatten Sie mit Köstring und wie waren sie organisiert?

Antwort: Ich hatte in dem genannten Apartment mit Köstring zwei konspirative Verabredungen. Wie zwischen uns im Voraus vereinbart worden war, erschien Köstring dort unter dem Namen ‚Iwanow‘. Die Personen, die das Apartment bewachten, wurden rechtzeitig im Voraus von mir informiert, um ‚Iwanow‘ ungehindert durchzulassen.

Frage: Wusste dieses Personal, wer ‚Iwanow‘ war?

Antwort: Nein, niemand wusste von meinen Treffs mit Köstring.

Frage: Beschreiben Sie Köstrings Äußeres!

Antwort: Köstring ist überdurchschnittlich groß, von normaler Statur, hat ein typisch deutsches Gesicht, eine gerade Nase, ein hervorstehendes Kinn, rasiert seinen Bart, trägt einen Oberlippenbart.

Frage: Fassen Sie den Inhalt Ihrer Gespräche mit Köstring zusammen!

Antwort: Nicht lange vor meinem zweiten Treff mit Köstring wurde Jegorow vom Zentralkomitee beschuldigt, antisowjetische Gespräche geführt zu haben.

Das führte nach einer Bestätigung dieser Beschuldigung dazu, dass Jegorow seines Postens enthoben und in den transkaukasischen Militärbezirk versetzt wurde.

Jegorow hat diese Entfernung von seinem Posten als Erster Stellvertreter des Verteidigungskommissars sehr hart getroffen, und sah dies als den Beginn seiner Enttarnung an.

Ich informierte Köstring bei einem meiner Gespräche über die Entfernung von Jegorow von dem Posten, den er einnahm, worauf Köstring darauf bestand, Jegorow mit allen Mitteln vor einer Enttarnung zu bewahren.

Ich teilte ihm auch mit, dass ich im NKWD eine konspirative Gruppe aufgebaut hatte, die erfolgreich ihrer subversiven Tätigkeit nachging. Köstring billigte meine Maßnahmen, wonach wir darangingen, uns über die Art und die Form weiterer Treffs zu verständigen.

Frage: Worüber haben Sie verhandelt?

Antwort: Köstring schlug vor, ihn im Notfall über Fedko zu kontaktieren, der ebenfalls in die Spionagearbeit verwickelt war und zu dem Köstring offiziellen Zugang hatte, da er stellvertretender Kommissar für Verteidigung war.

Frage: Warum hielten Sie es für notwendig, den Kontakt zu Köstring über einen weiteren Mittelsmann aufrechtzuerhalten, da Sie ja mit ihm direkt in Kontakt waren? Da fehlt etwas in Ihrem Bericht.

Die Untersuchung verlangt, dass Sie aufhören, Fragen auszuweichen und wahrheitsgemäß berichten.

Antwort: Dieser Vorschlag kam nicht von mir, sondern von Köstring, und ich sage Ihnen warum: Gemäß meiner Vereinbarung mit Köstring hielt ich ständigen Kontakt zu ihm über Jegorow, und nur in außergewöhnlichen Fällen sollten wir uns direkt treffen.

Diese Vereinbarung, den Kontakt zu halten, folgte der Logik der Konspiration.

Nachdem Jegorow in den Transkaukasus abkommandiert worden war, wollte Köstring, dass ich statt über Jegorow ihn durch Fedko kontaktierte, der wegen seiner Position in der Lage war, Köstring risikolos zu treffen. Da ich aber Fedko nie getroffen hatte, wies ich ihn als Mittelsmann zurück, obwohl ich prinzipiell einverstanden war, einen Mittelsmann für Kontakte zu den Deutschen zu verwenden.

Frage: Für wen haben Sie sich dann entschieden?

Antwort: Ich persönlich habe niemanden vorgeschlagen und bat um Bedenkzeit bis zu unserem nächsten Treff, um eine geeignete Person ausfindig zu machen.

Frage: Wen haben Sie ernannt?

Antwort: Ich persönlich habe niemanden ernannt. Bei meinem nächsten Treffen mit Köstring, das ungefähr im Juli 1938 stattfand, gab er mir die Namen verschiedener Personen, über die ich möglicherweise den Kontakt zu ihm laufen lassen sollte.

Köstring schlug als Kontaktpersonen vor: Sachar Beljenki, Schukowski (mein ehemaliger Stellvertreter) und Chosjainow, den Stellvertreter des Vorsitzenden des Marineamtes beim Volkskommissariat für Flussschifffahrt.

Frage: Für wen entschieden Sie sich?

Antwort: Für Chosjainow.

Frage: Warum?

Antwort: Weil ich Beljenki als schwatzhaften, chaotischen Charakter kannte, und Schukowski war bekannt für seine ehemaligen Verbindungen zu Trotzkisten. Ich zog ihnen Chosjainow auch deshalb vor, weil ich die Möglichkeit hatte, ihn im Volkskommissariat für Flussschifffahrt unter dem Deckmantel von Arbeitsbeziehungen jederzeit zu treffen.

Frage: Endete damit Ihr Gespräch mit Köstring?

Antwort: Nein. Ich informierte Köstring noch über weitere Verhaftungen unter den Militärs und erklärte ihm, dass es nicht in meiner Macht lag, diese Verhaftungen zu verhindern, aber vor allem erzählte ich ihm von der Verhaftung von Jegorow, die zu einem Scheitern der gesamten Verschwörung führen konnte.

Köstring war äußerst ungehalten über all diese Ereignisse. Er stellte mich unverblümt vor die Alternative, dass wir entweder sofort irgendwelche Maßnahmen zur Machtergreifung einleiten sollten oder wir würden Gefahr laufen, einer nach dem anderen beseitigt zu werden.

Köstring kam auf unseren alten Plan eines sogenannten ‚kurzen Schlages‘ zurück und verlangte, dass er ohne zu zögern auszuführen sei.

Frage: Sie werden über Ihre schändlichen Pläne noch vernommen werden. Jetzt berichten Sie uns über Ihre Spionageverbindung zu Chosjainow. Haben Sie Kontakt zu ihm hergestellt?

Anwort: Ja. Bei meinen häufigen Arbeitstreffen mit ihm in meinem Büro des Volkskommissariats für Flussschifffahrt fragte ich ihn, ob er im Ausland gewesen sei. Er bejahte dies und fügte hinzu, dass er in seiner Eigenschaft als Volkskommissar für Außenhandel erst im Londoner Büro und dann im Berliner Büro der Handelsvertretung gearbeitet habe. Da Chosjainow nichts Weiteres sagte, ging ich davon aus, dass er noch nicht von Köstring angesprochen worden war.

Als er ein paar Tage später wegen eines Berichts in meinem Büro war, fragte Chosjainow nach den Gründen für mein Interesse an seiner Auslandsarbeit. Im Verlauf dieses Gespräches teilte er mir mit, dass die Deutschen ihm Anweisung gegeben hatten, mit mir in Kontakt zu treten. Ich stimmte dem zu.

Frage: Hat er Ihnen gegenüber Köstring erwähnt?

Antwort: Soweit ich mich erinnere, hat Köstring, als er mir die Namen Beljenki, Schukowski und Chosjainow nannte, erwähnt, dass diese letzten drei mit dem deutschen Geheimdienst über einen anderen Verbindungsmann an der Botschaft verbunden waren, aber nicht mit Köstring selbst, der Geheimdienstarbeit ausschließlich auf militärischem Gebiet betrieb, während die drei Personen für Spionage im Allgemeinen verwendet wurden.

Frage: Hatten Sie weitere Treffs mit Köstring?

Antwort: Ich habe mich nicht mehr selbst mit ihm getroffen. Danach übernahm Chosjainow.

Frage: Wusste Chosjainow von den Terrorakten, die Sie gegen die Führung von Partei und Regierung vorbereiteten?

Antwort: Ja. Er wusste davon nicht nur durch mich, sondern auch durch den deutschen Geheimdienst, weil schon bei der ersten Zusammenkunft nach unserer Kontaktaufnahme er mir eine Direktive der Deutschen überbrachte: Sie besagte, mit allen Mitteln die Vorbereitung von Terroranschlägen voranzutreiben.

Hinzukam, dass ich vom deutschen Geheimdienst die Mitteilung erhielt, dass es in Anbetracht meiner Suspendierung im NKWD und der Ernennung von Berija als Volkskommissar für Innere Angelegenheiten als notwendig erachtet wurde, jemand aus den Reihen der Politbüromitglieder zu liquidieren, um so eine neue Führung im NKWD zu bekommen.

In diesem Zeitraum begannen im NKWD selbst Verhaftungen von aktiven Mitgliedern der von mir geführten Verschwörung, und daraufhin kamen wir zu dem Schluss, dass es entscheidend wichtig sei, am 7. November 1938 (anlässlich der Feierlichkeiten zum Jahrestag der Oktoberrevolution vor dem Kreml – Üb.) eine Massenaktion zu organisieren.

Frage: Wer ist ‚wir‘?

Antwort: Ich, Jeschow, Frinowski, Dagin und Jewdokimow.

Frage: Was sollte das für eine Massenaktion am 7. November 1938 sein?

Antwort: Ein Putsch.

Frage: Genauer: Was für ein Putsch?

Antwort: Meine hoffnungslose Lage hatte bei mir Gefühle der Verzweiflung aufkommen lassen und mich für jedes Abenteuer empfänglich gemacht, um mit allen Mitteln den völligen Zusammenbruch unserer Verschwörung und meine Entlarvung zu verhindern.

Frinowski, Jewdokimow, Dagin und ich waren übereingekommen, am 7. November 1938 gegen Ende der Parade, aber noch während der Demonstration, wenn die militärischen Streitkräfte nicht mehr da sein würden, auf dem Roten Platz einen ‚probka‘ (Stau) durch eine bestimmte Anordnung von Kolonnen herbeizuführen. Wir wollten dann die Verwirrung und Panik in den Marschkolonnen für uns ausnutzen und Bomben durch die Gegend werfen, um so einige Mitglieder der Regierung zu töten.

Frage: Wie haben Sie die Rollen untereinander aufgeteilt?

Antwort: Die Organisation und Leitung des Putsches sollten bei mir, Jeschow, Frinowski und Jewdokimow liegen. Für die Terroranschläge sollte Dagin zuständig sein. Ich habe mit allen einzeln Vereinbarungen über ihre Rolle getroffen.

Frage: Wer sollte für das Erschießen zuständig sein?

Antwort: Dagin sagte mir, dass er dafür Popaschenko, Sarifow und Uschajew, den Sekretär von Jewdokimow, einen ehemaligen Tschekisten der ‚Nord-Kaukasus-Gruppe‘ trainiert habe. Der letzte sei ein militanter junger Mann, der unbedingt in der Lage sei, einen Terroranschlag zu verüben.

Ich vereinbarte mit Dagin, dass er mich am Vortag des 7. November über den konkreten Plan informieren sollte sowie darüber, wer direkt die Anschläge ausführen würde. Am 5. November jedoch wurden Dagin und die anderen Verschwörer aus der Ochrana-Abteilung des NKWD, einschließlich Popaschenko und Sarifow, verhaftet. All unsere Pläne brachen zusammen.

An dieser Stelle finde ich wichtig, darauf hinzuweisen, dass, als Berija die Frage der Verhaftung der Verschwörer aus der Ochrana-Abteilung des NKWD, d.h. Dagin, Popaschenko und Safirow, dem ZK der Partei vorlegte, ich auf jede erdenklich Weise diese Männer in Schutz nahm, um ihre Verhaftung hinauszuzögern. Als Grund gab ich an, dass Dagin und die anderen Verschwörer aus der Ochrana-Abteilung gebraucht würden, um die Ordnung während der Oktoberfeierlichkeiten zu garantieren. Das ZK ignorierte dies und schlug die Verhaftung der Verschwörer vor. Auf diese Weise brachen all unsere Pläne zusammen.

Frage: Bedenken Sie, dass die Untersuchungskommission darauf besteht, dass Sie sämtliche Verschwörer und Terroristen anzugeben haben. Es wird Ihnen nicht gelingen, auch nur einen einzigen dieser Verräter zu decken…Welche Maßnahmen ergriffen Sie, um auch noch nach dem Scheitern Ihrer perfiden Pläne terroristische Akte zu begehen?

Antwort: In den letzten Tagen des Monats November 1938 wurde ich vom Dienst im NKWD suspendiert. Ich begriff schließlich, dass mir die Partei nicht mehr vertraute und dass der Moment meiner Entlarvung gekommen war. Ich versuchte, einen Ausweg aus dieser Situation zu finden, die ich selbst heraufbeschworen hatte und beschloss, vor nichts zurückzuschrecken, um entweder den Auftrag des deutschen Geheimdienstes auszuführen, ein Mitglied des Politbüros zu töten oder um mich ins Ausland abzusetzen, um so meine Haut zu retten.

Frage: Was planten Sie, um diese Pläne auszuführen?

Antwort: Ich beschloss , selbst jemand zu trainieren, der in der Lage sein würde, einen terroristischen Anschlag auszuführen.

Frage: Wen warben Sie dafür an?

Antwort: Lasebni – einen ehemaligen Tschekisten, den Leiter des Hafenamtes des Volkskommissariats für Flussschifffahrt.

Ich wusste, dass es im NKWD Aussagen gegen Lasebni wegen seiner Beteiligung an antisowjetischen Aktivitäten gab und beschloss, diesen Umstand für seine Anwerbung auszunutzen.

Auf einer Sitzung in meinem Arbeitsbüro im Volkskommissariat für Flussschifffahrt teilte ich Lasebni mit, dass Unterlagen im NKWD existierten, die ihn überführten, dass er entweder heute oder morgen verhaftet werden würde und dass ihn Unheil erwarte.

Ich sagte zu Lasebni: „Es gibt für Sie keinen Ausweg. Sie werden so oder so vernichtet, aber wenn Sie sich opfern würden, könnten Sie einer größeren Gruppe von Menschen das Leben retten.“ Als er nachfragte, sagte ich ihm, dass die Tötung Stalins die Lage im Land retten könnte. Lasebni stimmte zu.

Frage: Wie konnten Sie ein so offenes Gespräch mit Lasebni führen?

Antwort: Lasebni lief schon die ganze Zeit herum wie jemand, der fast am Ertrinken war, befand sich in einem Zustand der Verzweiflung und brachte mehr als nur einmal den Wunsch zum Ausdruck, sich umzubringen. Deshalb akzeptierte er ohne zu zögern meinen Vorschlag. Lasebni war sogar bereit, sich nach dem Terroranschlag an Ort und Stelle umzubringen.

Frage: Wen außer Lasebni haben Sie noch als Terroristen angeworben?

Antwort: Neben Lasebni warb ich auch noch zwei meiner alten Freunde als Terroristen an: Konstantinow, Wladimir Konstantinowitsch, den Chef des Militärhandels im Leningrader Militärbezirk sowie Dementjew, Iwan Nikolajewitsch, den Stellvertreter des Vorsitzenden der Wachhabenden der Leningrader Fabrik ‚Swetotsch‘. Sie gaben mir ihr volles Einverständnis, einen Terroranschlag unter meiner Führung auszuführen.

Frage: Warum haben Sie sich ausgerechnet für Dementjew und Konstantinow als Terroristen entschieden?

Antwort: Außer wegen einer langen Freundschaft zu ihnen war ich mit ihnen wegen meiner sexuellen Neigungen verbunden. Wie ich bereits gegenüber der Untersuchungskommission erklärt habe, war ich mit ihnen aufgrund meiner Homosexualität verbunden.

Frage: Sie werden noch im Einzelnen über die besonderen Umstände der Rekrutierung von Konstantinow und Dementjew sowie über die besonderen Aufträge, die Sie ihnen erteilten, befragt werden. Berichten Sie nun darüber, wie Sie Ihre Flucht ins Ausland planten!

Antwort: Um der Gefahr einer Verhaftung zu entgehen, instruierte ich Chosjainow, bei den Deutschen wegen meiner Flucht ins Ausland vorstellig zu werden. Nach ein paar Tagen teilte er mir mit, dass die Deutschen nicht damit einverstanden waren, mich nach Deutschland kommen zu lassen und schlugen vor, dass ich in der UdSSR bleiben und hier meine antisowjetische Tätigkeit fortsetzen sollte.

Frage: Waren Sie damit einverstanden?

Antwort: Nein. Ich war fest entschlossen, ins Ausland zu gehen und entschloss mich dann, mich an die Briten zu wenden.

Frage: Was hatten die Briten damit zu tun? Hatten Sie Kontakt zum britischen Geheimdienst?

Antwort: Ich nicht, aber meine Frau Jewgenja Solomonowna Jeschowa schon.

Frage: Woher wussten Sie das?

Antwort: Im Frühjahr 1938 befragte mich das ZK der Partei über meine Beziehungen zu Konar. Daraus schloss ich, dass sie dabei waren, mich zu überprüfen. Ich wurde nervös und fing an zu trinken. Meine Frau fragte mich des Öfteren, weshalb ich mich betrinke. Ich war mir ihrer Zuneigung bewusst und entschloss mich, ihr alles zu sagen, auch zu meiner antisowjetischen Arbeit sowie zu meinen Verbindungen zum polnischen und deutschen Geheimdienst.

Sie beruhigte mich und verriet mir, dass sie ja auch mit dem britischen Geheimdienst verbunden sei, dass sie durch ihren ehemaligen Mann Gladun schon 1926, als sie aus beruflichen Gründen in England war, angeworben worden sei.

Frage: Wo hält sich Galdun jetzt auf?

Antwort: Soweit ich mich erinnern kann, war Gladun 1937 Baustellenleiter in Charkow.

Frage: Also war Gladun auch ein englischer Spion?

Antwort: Ja. Nachdem was Jewgenja Jeschowa sagte, ist er ein alter englischer Spion, und wie ich schon ausführte, warb er sie für den englischen Geheimdienst an.

Frage: Was hat Ihnen Jeschowa über ihre Verbindungen zum britischen Geheimdienst erzählt?

Antwort: Jeschowa erzählte mir, dass sie mit dem Geheimdienst des englischen Außenministeriums verbunden sei und dass sie ihm Informationen über die Lage in der UdSSR und die politische Haltung der russischen Intelligenz liefere. Bei dieser Arbeit hat Jeschowa auch mich benutzt, weil ich mit ihr alle geheimen Materialien, die ich besaß, austauschte.

Frage: Sie lügen. Sie wussten lange vor 1938, dass Ihre Frau zum britischen Geheimdienst Kontakte besaß, und Sie wussten es nicht nur, sondern arbeiteten mit ihr aktiv für die Engländer zusammen. Deshalb müssen Sie sich dazu äußern.

Sagen Sie ganz ehrlich, mit wem Jeschowa bei ihrer Spionagetätigkeit noch verbunden war!

Antwort: Mit Sinaida Glikina und Michael Koltzow.

Frage: Die Untersuchungskommission wird noch auf die Frage der Spionageverbindungen von Jeschowa, Glikina und Koltzow zurückkommen. Aber an dieser Stelle beantworten Sie die Frage, wie Sie den englischen Geheimdienst für Ihre Flucht ins Ausland in Anspruch nehmen wollten.

Antwort: Da meine Frau im Dezember 1938 starb und die Deutschen sich weigerten, mich nach Deutschland zu bringen, unternahm ich von mir aus Schritte, um mit den Engländern Kontakt aufzunehmen.

Frage: Was unternahmen Sie nun, um mit den Engländern Kontakt aufzunehmen?

Antwort: Aus NKWD-Materialien entnahm ich, dass der Chef der baltischen Dampferflotte in Leningrad, Melnikow, Spionagetätigkeit über einen britischen Agenten betrieb. Es war Bronstein, der ehemalige Chef der Leningrader Hafenbehörde, der jetzt verurteilt wurde.

Ich informierte Jewdokimow über diese Materialien und schlug vor, Melnikow in unsere Verschwörer-Organisation hineinzuziehen.

Schon bald teilte er mir mit, dass er Melnikow anwerben konnte, und dieser habe zugestimmt, sich an der antisowjetischen Verschwörung zu beteiligen.

Etwa Ende Januar oder Anfang Februar dieses Jahres kam Melnikow mit einer Erklärung zu mir, die ihm gestattete, aus beruflichen Gründen nach England zu reisen.

Ich beschloss, dies für mich auszunutzen und ihm von den Materialien, aus denen seine Spionagebeziehung zu dem englischen Spion Bronstein hervorging, zu berichten.

Außerdem wollte ich ihm erzählen, dass ich von Jewdokimow wusste, dass er an der antisowjetischen Verschwörung beteiligt war und ihn beauftragen, bei seinem Aufenthalt in England sich mit englischen Regierungskreisen in Verbindung zu setzen und sie in meinem Namen zu bitten, mich nach England zu bringen, wobei ich sie gleichzeitig daran erinnern wollte, dass meine Frau J. S. Jeschowa Mitarbeiterin des englischen Geheimdienstes sei.

Frage: Kam es zu diesem Gespräch mit Melnikow?

Antwort: Nein, dieses Gespräch fand nicht statt, weil zu dieser Zeit, der Parteitag begann. Ich verschob Melnikows Reise nach England bis zum Ende des 18. Parteitages, zu dem Melnikow delegiert war.

Nach dem Parteitag wurde ich verhaftet.

Frage: Ihre Ausführungen zu Melnikow sind wenig überzeugend. Sie versuchen völlig vergeblich, Ihre wahren Verbindungen zum englischen Geheimdienst zu verbergen.

Antwort: Ich habe nicht die geringste Absicht, irgendetwas zu verbergen. Ich bitte Sie, mir Gelegenheit zu geben, mich an all das zu erinnern, was ich zu dieser Frage weiß, und bei einer der folgenden Vernehmungen werde ich dann dazu wahrheitsgemäße Ausführungen machen.

Frage: Wir wissen, dass die tödliche Vergiftung Ihrer Frau J. S. Jeschowa von Ihnen vorgenommen wurde.

Bekennen Sie sich schuldig dafür?

Antwort: Ja, ich bekenne mich auf jeden Fall schuldig.

Frage: Warum haben Sie Ihre Frau vergiftet?

Antwort: Ich hatte Angst, dass sie verhaftet werden würde und dass sie alles, was sie über meine konspirative und Spionagetätigkeit wusste, der Untersuchung mitteilen würde.

Frage: Wie haben Sie die Vergiftung hinbekommen?

Antwort: Nachdem man mir nahegelegt hatte, J. S. Jeschowa zu vergiften und ich sie darüber informiert hatte, wurde sie depressiv und brachte häufig ihre Absicht zum Ausdruck, sich umzubringen. Ich brachte sie in ein psychiatrisches Sanatorium und sorgte dafür, dass Sinaida Glikina und eine Ärztin von VIEM (Allunionsinstitut für Experimentelle Medizin – GF), Jekatarina Goltz, sich um sie kümmerten.

Bald schon erhielt ich eine Mitteilung von Sinaida Ordschonikidze, die meine Frau besucht hatte, aus der hervorging, dass sie fest entschlossen war, ihr Leben zu beenden, und sie bat mich dann, ihr Schlaftabletten zu besorgen.

Frage: Haben Sie dieser Bitte entsprochen?

Antwort: Ich schickte ihr Dementjew, den ich schon erwähnt habe und ließ ihr Obst bringen, die kleine Statue eines Zwerges und eine große Menge Luminal, was Dementjew meiner Frau übergab, nachdem er eine Nachricht für mich entgegengenommen hatte.

Frage: Was für eine Antwort erhielten Sie von Ihrer Frau durch Dementjew?

Antwort: In der Nachricht stand, dass sie sich von mir verabschieden wollte.

Ich erhielt dann noch eine weitere Nachricht von ihr gleichen Inhalts durch Sinaida Ordschonikidze.

Als ich diesen Brief erhielt, war sie bereits tot. Sie hatte sich durch eine Überdosis Luminal vergiftet, das ich ihr geschickt hatte.

Frage: Das bedeutet also, dass Sie einer der Hauptschuldigen am Tod von J. S. Jeschowa sind.

Antwort: Ja, ich bekenne, dass ich daran schuld bin.

Frage: Wir stellen fest, dass Sie mit Ihrer feindlichen Haltung fortfahren und sich unaufrichtig aufführen. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Sie 1.

sich über Ihre Verbindungen zum polnischen Geheimdienst nach 1937 ausschweigen; 2.

dass Sie nicht alles sagen, was Ihre Spionagearbeit für Deutschland betrifft; 3.

dass Sie als Beteiligte an Ihrer Verschwörer- und Spionagetätigkeit entweder die Toten aufführen oder offizielle Mitarbeiter ausländischer Botschaften; 4.

dass Sie die Personen decken, die mit Ihnen zusammen das verräterische Projekt eines konterrevolutionären Putsches in der UdSSR unternahmen.

Bedenken Sie, dass Sie morgen zu all diesen Fragen erneut vernommen werden, und dass sie dann erschöpfende Antworten geben müssen. Die Vernehmung ist beendet.

Richtig aufgeschrieben und von mir durchgesehen:

N. JESCHOW

Die Vernehmer:

Vorsitzender der Untersuchungsabteilung: Kobulow

Assistent des Vorsitzenden der Untersuchungsabteilung: Schwartzman

Hauptuntersuchungsführer: Sergjenko

APRF F.3 Op. (Verzeichnis), D. 375 (Angelegenheit), L. (Textstelle) 122-164, Original, maschinengeschrieben.

Jeschows Vernehmung vom 30. April 1939

Jeschows Vernehmung, Pawljukow 525-6 & n. 489, S. 564. Kurze Zusammenfassung des Verhörs auf 525-6.

Nach Pawljukow, 526, machte Jeschow Angaben über 66 weitere Verschwörer bei dieser Vernehmung allein.

Zusammenfassung:

„Die erste Phase der Vernehmung war am 30. April 1939 beendet. Im Verlauf dieser Vernehmung berichtete Jeschow über die Methoden, mit denen er Untergebene in der Tscheka für seine antisowjetische Verschwörung rekrutierte sowie über die Hauptrichtung der Sabotagearbeit innerhalb des NKWD. Diese Sabotage bestand in der Vornahme von Massenverhaftungen, die keinerlei Grundlage hatten, in dem Fälschen von Untersuchungsmaterial sowie in Vergeltungsmaßnahmen gegen unerwünschte Elemente.“

Zitat Pawljukow 525-6:

„All dies wurde getan, um in der Bevölkerung weit verbreitete Unzufriedenheit mit der Führung der Partei und der Sowjetregierung zu erzeugen, um auf diese Weise die günstigsten Voraussetzungen für unsere konspirativen Pläne zu schaffen.“

Jeschows Vernehmung vom 5. Mai 1939

Pawljukow fasst sie zusammen, 526:

„ … bei seiner Vernehmung vom 5. Mai 1939 berichtete Jeschow über die Arbeit der Verschwörer im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten. Hier fand zur gleichen Zeit der Beginn der großen Säuberung statt (nach der Absetzung von M. M. Litwinow, des ehemaligen sowjetischen Außenministers). Deshalb war das Thema subversive Tätigkeit innerhalb des Volkskommissariats für Auswärtige Angelegenheiten in jenen Tagen besonders aktuell.

Jeschow gab an, dass das Ziel dieser Aktivitäten darin bestanden habe, günstige Bedingungen für den Sieg Deutschlands und Japans in dem unvermeidlichen Krieg mit der UdSSR zu schaffen. Insbesondere wurden Versuche unternommen, zwischen der chinesischen Regierung von Tschiang Kai-schek und der Sowjetunion Unstimmigkeiten zu schüren, mit dem Ziel, es den Japanern letztendlich zu erleichtern, sich den sowjetischen Fernen Osten anzueignen.

Anfang Mai 1939 wurden von einigen NKWD-Angestellten Geständnisse erlangt bezüglich der Herstellung von Chemikalien für die sogenannte Quecksilbervergiftung von Jeschow, die er selbst veranlasst hatte. Auf diesen Punkt bei seiner Vernehmung angesprochen, bestätigte Jeschow die Fabrikationen und führte aus, dass diese Initiative unternommen wurde, um seine eigene Autorität in den Augen der Führung des Landes anzuheben.

Jeschows Vernehmung vom 11. Mai 1939 durch Kobulow

Lange Zitate bei Poljanski 222-226. Poljanski zitiert Kusmins Bericht vom 12. Dezember 1938 über Scholochow und Jeschowa.

Es ist überhaupt nicht klar, weshalb die Nähe dieser Personen zu Jeschowa (Jeschows Frau – GF) Ihnen verdächtig vorkam.

Jeschowas Nähe zu diesen Personen war insofern verdächtig, als Babel zum Beispiel, soweit ich weiß, fast nichts in den letzten Jahren geschrieben hatte und sich ständig in den dubiosen Kreisen von Trotzkisten aufhielt und, davon abgesehen, besaß er enge Kontakte zu einer ganzen Reihe von französischen Schriftstellern, von denen man auf keinen Fall sagen konnte, dass sie der Sowjetunion wohlwollend gegenüberstanden. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass Babel sich demonstrativ weigerte, seine Frau abzuschreiben, die viele Jahre in Paris gelebt hatte, sondern es vorzog, sie zu sehen. Jeschowa unterhielt eine besondere Freundschaft mit Babel. Ich vermute aufgrund meiner eigenen Beobachtungen, dass es zwischen meiner Frau und Babel um Dinge wie Spionage ging.

Welche Fakten haben Sie dazu?

Meine Frau hat mir selbst gesagt, dass sie Babel seit 1925 kannte. Sie hat immer betont, dass es nichts zwischen ihnen gäbe. Ihr Kontakt sei auf ihren Wunsch beschränkt gewesen, eine Bekanntschaft zu einem talentierten und einzigartigen Schriftsteller zu unterhalten. Babel besuchte uns mehrere Male auf ihre Einladung hin, so dass auch ich mit ihm bekannt wurde.

Ich stellte fest, dass Babel mit meiner Frau recht grob und anmaßend umging und merkte, dass meine Frau sich vor ihm fürchtete. Ich verstand, dass es nicht so sehr um die literarischen Interessen meiner Frau ging, sondern um mehr. Ich schloss intime Beziehungen zwischen ihnen aus, weil ich mir dachte, dass er meine Frau nie mit einer solchen Grobheit behandeln würde, da ihm ja bekannt war, welche soziale Position ich bekleidete. Als ich sie fragte, ob sie mit Babel die gleichen Beziehungen habe wie mit Koltzow, schwieg sie oder stritt dies lahm ab. Ich hatte immer die Vermutung, dass sie durch diese unbestimmte Antwort sie mir ihre Spionage-Beziehungen zu Babel verheimlichen wollte. Sie wollte mir wohl offensichtlich nichts über die Vielschichtigkeit dieser Beziehung anvertrauen…

Was Sie über Babel gesagt haben, reicht nicht aus, um ihn der Spionage für England zu verdächtigen. Versuchen Sie nicht einfach, Babel schlecht zu machen?

Nein. Jeschowa hat ganz bestimmt nie etwas Genaueres dazu gesagt, dass sie mit Babel zusammen für den englischen Geheimdienst spionierte . Ich bringe in diesem Fall nur meine Vermutungen zum Ausdruck. Sie beruhen auf meinen Beobachtungen über die Beziehungen zwischen meiner Frau und dem Schriftsteller Babel.

Was denken Sie im Allgemeinen über, sagen wir, Jeschowas Freundschaften mit Personen aus der Kulturszene?

Dieses ganze Milieu von Leuten, die mit dem sowjetischen Volk nur durch ganz dünne Fäden verbunden waren, hat einfach meinen Verdacht erregt.

Was können Sie uns über ihre Beziehung zu dem Schriftsteller Scholochow sagen?

Ich meine mich zu erinnern, dass – ich glaube es war im letzten Frühling – meine Frau mir erzählte, sie habe Scholochow getroffen, der nach Moskau gekommen sei und dort bei der Zeitschrift „SSSR na stroike“ (Sowjetunion im Aufbau – Üb.) vorbeigeschaut habe. Das war eigentlich nichts Besonderes, weil meine Frau immer gerne Schriftsteller treffen wollte und sich nie eine Gelegenheit in dieser Beziehung entgehen ließ. Ich war darüber sehr gut informiert.

Gut. Und wie haben Sie reagiert, als sie von den intimen Beziehungen zwischen Ihrer Frau und Scholochow erfuhren?

Ich wusste davon gar nichts. Das höre ich zum ersten Mal.

Lügen Sie nicht, Jeschow. Im Juni und August letzten Jahres haben Sie Alechin damit beauftragt, den Telefonanschluss des Hotels ‚National‘, wo Scholochow sich aufhielt, unter dem Buchstaben N zu überwachen.

(Betr. Alechin, siehe http://www. memo.ru/history/NKVD/kto/biogr/gb13.htm)

Ich habe keine solchen Anweisungen gegeben. Wahrscheinlich war Jeschowa unter diesem Buchstaben N nur rein zufällig eingetragen.

(Kusmins Bericht wird verlesen, Datum: 12. Dezember 1938, nach Poljanski, 224-5)

Geben Sie zu, dass Sie ein paar Tage, nachdem Sie die Kopie erhalten hatten, Sie sie nach Hause brachten und Sie sie Ihrer Frau zeigten und Sie ihr dann heftige Vorwürfe machten, Sie betrogen zu haben!

Nichts dergleichen! Niemand hat mir je diese Kopie über die intimen Beziehungen zwischen Jeschowa und Scholochow gegeben, und ich habe auch grundsätzlich meiner Frau nie Unterlagen aus meiner Tätigkeit gezeigt und mit ihr nie darüber gesprochen, was da drinstand.

Natürlich können Sie das abstreiten, Jeschow. Aber wir besitzen das Geständnis von Glikina, Jeschowas gute Freundin und deutsche Spionin, die inzwischen verhaftet wurde und deren Fall untersucht wird. Glikina berichtet, dass Sie Ihre Frau geschlagen haben. Ihre Frau hat sich bei ihr beschwert und ihr alles gesagt. Deshalb möchte ich Sie daran erinnern, dass Lügen Ihnen nicht helfen werden!“

Der folgende kurze Auszug aus den Geständnissen Jeschows vom 11. Mai 1939 findet sich bei Viktor Fradkin, Delo Koltsowa. Moskau: Vagrius/Mezhdunarodnyi Fond „Demokratiia“, 2002, herausgegeben von der „Memorial“-Gesellschaft. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass die Dokumente, die in diesem Band abgedruckt sind, echt sind.

Frage:

War neben Sinaida Glikina, die Sie bereits erwähnten, noch jemand zusammen mit Ihrer Frau Jeschowa J. S. (Jewgenja Solomonowna – GF) mit Spionagearbeit befasst?

Antwort:

Ich antworte mit mehr oder weniger präzisen Vermutungen. Nachdem der Journalist M. Koltzow aus Spanien zurück war, entwickelte sich eine Freundschaft mit meiner Frau. Sie besuchte ihn sogar im Krankenhaus, als er krank war.

Koltzow arbeitete auch in der Kommission oder in dem Komitee für Ausländische Literatur, dort, wo Glikina auch tätig war, und soweit ich mich erinnere, erhielt Koltzow diesen Job für Glikina auf meine Empfehlung hin.

Ich fing an, mich für die Gründe zu interessieren, weshalb meine Frau sich so stark mit Koltzow anfreundete, und einmal fragte ich sie danach. Zuerst wimmelte sie mich mit allgemeinen Bemerkungen ab, aber dann sagte sie, dass diese Nähe mit ihrer Arbeit zu tun hätte. Ich fragte: „Mit welcher Arbeit denn - mit der literarischen oder der anderen?“ und sie antwortete: „Mit der einen wie mit der anderen.“

So erfuhr ich, dass Jeschowa und Koltzow zusammen für England spionierten.

Jeschows Vernehmung am 17. Mai 1939

Vernehmung betreffs Mord an Slutzki, von Jeschow organisiert; Pawljukow, 527, keine Fragen & Antworten, keine Anmerkung, siehe Pawljukow, 531-2, über Frinowskis Aussage vom 3. Februar 1940 während des Verfahrens gegen Jeschow, als Frinowski den Mord an Slutzki schildert.

Zusammenfassung:

„Die Vernehmung vom 17. Mai 1939 widmete sich den Todesumständen des ehemaligen Vorsitzenden der GUGB des NKWD, M. M. Slutzki. Jeschow informierte uns darüber, dass der Mord an Slutzki auf seine Anweisung hin erfolgte. Der Mord erfolgte, weil Slutzkis Verhaftung nicht mehr abzuwenden war und weil er Fakten über die kriminellen Machenschaften der Verschwörer hätte verraten können.“

Jeschows Vernehmung am 16. Juni 1939 durch Rodos, Auszüge – Poljanski 230-233

„Können Sie Kossiors Geständnisse über Ihre Zusammenarbeit mit dem polnischen Geheimdienst bestätigen? Welche geheimen Informationen, wann und wo, haben Sie Kossior übergeben, und wen haben Sie auch noch dafür rekrutiert?“

„Vielleicht kannten Sie Radek und Pjatakow gut und haben durch sie irgendwelche Anweisungen von Trotzki erhalten?“

„Ich habe nie von Trotzki Aufträge erhalten, von niemandem. Ich kannte Radek nur sehr flüchtig. Ich traf ihn ein paarmal bei Pjatakow. Aber das war schon vor zehn Jahren!“

„Waren Sie mit Pjatakow befreundet?“

„Nein, nie. Mariasin, der Präsident von Gosbank, machte uns bekannt. Wir genehmigten uns ab und zu einen bei ihm oder auch bei Pjatakow. Und dann geriet ich immer an ihn.“

„Also gut. Wann war das?“

„1930 oder 31. Ich weiß es nicht mehr so genau.“

„Und was machten sie dann mit ihm?“

„Wenn er angetrunken war, spielte Pjatakow oft den Scherzbold und machte sich über die Anwesenden lustig. Einmal saß ich neben ihm. Er stach mich heimlich mit einer Heftzwecke und dann meinte er, er sei er nicht gewesen. Dann machte er es wieder, nur heftiger. Ich konnte mich dann nicht mehr beherrschen und habe ihm eine reingehauen, sodass seine Lippen aufsprangen. An dem Abend war ich sauer auf ihn und ging ihm von dann ab aus dem Weg und hatte überhaupt nichts mehr mit ihm zu tun.“

„Sie können gut lügen! Aber ich bin nicht Pjatakow und würde Sie nicht mit einer Heftzwecke zwicken. Aber dafür werde ich Sie zwingen, mir die Wahrheit zu sagen!“

„Ich werde Ihnen alles erzählen. Schlagen Sie mich nicht. Meine Schuld vor der Partei und dem Volk ist so groß, dass es ohnehin keinen Sinn macht, mich zu rechtfertigen.“

Jeschows Vernehmung vom 19. Juni 1939

Keine Fragen & Antworten. Betr.: die Neffen Viktor, Anatoli und Michael Blinow, Ehemann seiner Nichte

Pawljukow, 528:

„Im Verlauf seiner Vernehmung vom 19. Juni 1939 berichtet Jeschow von seinen konterrevolutionären Gesprächen, die er vermutlich mit seinen Neffen Viktor und Anatoli führte, aber auch mit dem Ehemann seiner Nichte, Michael Blinow. Sie stimmten wahrscheinlich völlig mit seinen antisowjetischen Ansichten überein und Viktor, so Jeschow, teilte sogar seine terroristischen Absichten, obwohl Jeschow ihm nie irgendwelche Aufträge in dieser Richtung gegeben hat.“

Pawljukow, 537:

„Wie bereits früher erwähnt, wurden im Verlauf der Vernehmung vom 19. Juni 1939 Geständnisse aus Jeschow herausgeprügelt, wonach Anatoli und Viktor seine antisowjetischen Ansichten teilten und sogar mit seinen terroristischen Ambitionen sympathisierten. Danach kamen die Neffen dran. Es gelang ihnen, Anatoli als ersten zu brechen. Er gab nicht nur zu, dass ihm Jeschows terroristische Absichten bekannt waren, sondern ‚gestand‘ auch, dass er zusammen mit seinem Bruder Viktor bereit gewesen sei, alles zu tun, um diese kriminellen Pläne zu verwirklichen.“ (Es gibt keine Beweise dafür, dass Jeschow geschlagen oder gefoltert wurde, um diese Geständnisse zu erhalten. Pawljukow vermutet dies lediglich – GF).

„Was Geständnisse persönlicher Art angeht, hat man wohl auf ‚verschärfte‘ Verhöre zurückgegriffen (d.h. Jeschow geschlagen – GF). Andernfalls fällt es schwer zu verstehen, dass sie zum Beispiel in der Lage waren, von Jeschow Geständnisse zu erhalten, die seine engsten Angehörigen belasteten.“

Jeschows Verhör vom 21. Juni 1939 durch Rodos, siehe Poljanskij, 235-238

Zusammenfassung durch Pawljukow, 527 unten:

„Wenn Sie wieder anfangen zu lügen und sich über die Vernehmung lustig machen, werden wir nicht unsere Zeit verschwenden. Dann würde ich vorziehen, dass Sie eine Woche lang zurück ins Gefängnis geschickt werden, um sich das Ganze zu überlegen.“

Jeschow hatte es sich schon zu Beginn seiner Unterhaltung mit dem Untersuchungsführer überlegt und fing schnell an zu reden:

„Ich gebe zu, dass ich mit Schukowski zusammen seit 1932 für Deutschland Spionage betrieben habe. Die Tatsache, dass ich diesen Umstand verschwiegen habe, erklärt sich durch meine Feigheit, die ich zu Beginn der Untersuchung an den Tag legte, als ich versuchte, meine persönliche Verantwortung herabzumindern, und da meine Spionageverbindung zu Schukowskij meine sogar noch älteren Verbindungen zur deutschen Abwehr verdeckten, fiel es mir schwer, darüber schon bei meiner ersten Vernehmung zu sprechen.“

Betr.: Schugowski, siehe: http://www.memo.ru/history/NKVD/kto/biogr/gb169.htm

„Wann wurden Sie deutscher Spion?“

„Ich wurde 1930 in Königsberg rekrutiert.“

„Was hat Sie dorthin verschlagen?“

„Ich wurde vom Volkskommissariat für Landwirtschaft dort hingeschickt. In Deutschland wurde ich gut und zuvorkommend behandelt. Die größte Aufmerksamkeit jedoch erhielt ich von Herrn Artnau, einem hohen Vertreter im deutschen Wirtschaftsministerium. Er lud mich zu seinem Anwesen in Königsberg ein. Ich verbrachte dort eine schöne Zeit, und es ging auch nicht ohne Alkohol ab! Wenn wir in Königsberg essen gingen, bezahlte er häufig meine Rechnungen. Ich ließ es zu. Dadurch kam ich Artnau immer näher, und oft passierte es, dass ich ihm gegenüber alle möglichen Geheimnisse über die Situation in der Sowjetunion ausplauderte. Wenn ich angetrunken war, wurde ich noch offener ihm gegenüber und ließ ihn wissen, dass ich persönlich nicht immer mit der Linie der Partei und mit der bestehenden Parteiführung einverstanden sei. Schließlich war ich während eines Gesprächs mit ihm sogar bereit, eine ganze Reihe von Fragen zu diskutieren, die den Kauf von Viehbeständen und landwirtschaftlichen Maschinen betrafen, woran Deutschland und Artnau sehr interessiert waren.“

„Wie gelang es der deutschen Spionage, Schukowski anzuwerben? Haben Sie das vermittelt?“

„Ich stellte 1932 mit Schukowskij Spionagebeziehungen her. Das kam so: Schukowskij war damals stellvertretender Repräsentant der Sowjetunion für Handelsfragen in Deutschland. Damals war ich Vorsitzender der Abteilung für Distribution beim Zentralkomitee der Partei. Als er wieder mal in Moskau war, fragte er mich, ob ich Lust hätte, mit zu den Verhandlungen zu kommen. Vorher kannte ich ihn gar nicht und sah ihn zum ersten Mal in meinem Büro beim ZK. Ich wunderte mich darüber, dass er gleich anfing, mit mir über die Lage im Büro der Berliner Handelsvertretung der UdSSR zu reden. Denn diese Fragen hatten mit meinem Amt gar nichts zu tun. Ich merkte, dass der eigentliche Grund dafür, dass er mich besuchte, nicht darin bestand, mich mit dem Stand der Angelegenheiten in der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin vertraut zu machen, sondern in ganz etwas anderem, wozu er erst einmal nichts sagen wollte, bevor ich mich nicht äußerte.

Nicht lange vor seiner Ankunft erhielt das Amt für Auslandsfragen, das damals mit zur Abteilung für Distribution beim ZK gehörte und mir unterstand, Dokumente, die Schukowski in einem äußerst negativen Licht erscheinen ließen. Aus diesen Dokumenten ging hervor, dass Schukowski eine ganze Reihe von Handelsgeschäften abgeschlossen hatte, die für das Kommissariat für Außenhandel unvorteilhaft waren. Aus diesen Dokumenten ergab sich auch, dass er in Berlin mit den Trotzkisten zu tun hatte und dass er sie bei Versammlungen der sowjetischen Kolonie verteidigte. Das veranlasste die Parteiorganisation der sowjetischen Kolonie, Schukowski aus Berlin abzuberufen. Weil er wusste, dass ich dieses Material zu Gesicht bekommen würde, erwartete er ganz offensichtlich, dass ich die Frage seiner künftigen Tätigkeit im Ausland vorweg ansprechen würde. Nachdem er seinen Bericht beendet hatte, erinnerte ich ihn an die Mängel seiner Arbeit. Schukowski informierte mich aus seiner Sicht, und am Schluss unserer Unterhaltung fragte er mich, ob er seine Tätigkeit in dem Amt der sowjetischen Handelsvertretung fortsetzen dürfe oder ob er nach Moskau zurückgerufen werden würde. Ich wich jeder Antwort aus und versprach, mir die Materialien anzusehen und dann über die Ergebnisse zu berichten.

Zu diesem Zeitpunkt beschloss ich, sämtliches Material, das Schukowski belastete, nach Berlin zu schicken, so dass Artnau es verwenden konnte, um ihn dadurch für eine Zusammenarbeit mit dem deutschen Geheimdienst anzuwerben. Ich betrachtete Schukowskij als meinen Mann, und er führte danach ohne zu zögern alle meine Aufträge betreffs einer Spionage für Deutschland aus. Schukowski hatte freien Zugang zu allen Dokumenten der Parteikontrollkommission, und er machte davon Gebrauch, sobald der deutsche Geheimdienst von ihm Materialien zu dieser oder jener Frage anforderte. Ich richtete es innerhalb des NKWD so ein, dass er Informationen für Spionagearbeit über das Sekretariat des NKWD verwenden konnte - gleich zu welcher Frage.*

*Der Hauptmann der Staatssicherheit Semjon Borissowitsch Schukowski wurde am 24. Januar 1940 erschossen. Er ist rehabilitiert worden (s. Poljanski, 393).

Jeschows Geständnis vom 25. Juni 1939, vernommen von Rodos zur Frage der Vergiftungen

-Siehe 2004 Jeschow1.Dok; Sojma; Poljanski, 241-245.

AUS DER ABSCHRIFT DES VERNEHMUNGSPROTOKOLLS ZUM VERHÖR VON N.I. JESCHOW.

VERNEHMER: RODOS, DATUM: 25. JUNI 1939

„Wie nutzten Sie dieses NKWD-Labor bei Ihrer Spionagearbeit sowie bei Ihren verschwörerischen Aktivitäten?“ fragte Rodos und blickte dabei auf Kobulow, der neben ihm saß.

„Ich wusste, dass ein solches Labor existierte und dass Jagoda davon bei seinen verschwörerischen Aktivitäten Gebrauch machte. Aber als ich zum NKWD kam, erklärte mir Frinowski, dass wir ohne dieses Labor nicht auskommen könnten und dass es für unsere Spionagetätigkeit in der Auslandsabteilung im Ausland notwendig sei. Aber ich hatte keine Ahnung davon, was sie dort trieben. Ich hatte noch nicht einmal eine Ahnung von all den Experimenten, die Schukowski erwähnte. Wahrscheinlich erlaubte ihm Frinowski das alles. Einmal – ich weiß nicht mehr genau, wann das war – erzählte mir Frinowski, dass Alechin eine Substanz im Labor hatte, die, wenn jemand sie schluckte, den Tod wie bei einer Herzattacke verursachte. Solch eine Substanz ist sehr wichtig, wenn es notwendig erscheint, Feinde im Ausland zu liquidieren. Aber sie musste getestet werden, um zu sehen, ob sie im Organismus Spuren hinterließ, die von Experten bei einer Autopsie entdeckt werden konnten. Frinowski meinte, dass sie einen Arzt hatten, der zu diesem Zweck Untersuchungen am Körper einer Person, die an dieser Substanz gestorben war, anstellte. Der Arzt sollte an drei oder vier Personen Experimente ausführen. Es ist doch egal, wie sie sterben. Mit Gift ist es sogar leichter als mit einer Kugel in den Nacken. Deshalb stimmte ich zu, aber ich hörte danach nie wieder etwas von diesem Labor oder darüber, was sie dort machten.“

„Ihre Antwort geht an der Sache vorbei. Benennen Sie die Personen, die Sie während Ihrer Spionagearbeit und bei Ihrer konspirativen Tätigkeit durch Gift, das Sie aus dem Labor erhielten, liquidierten!“

„Ich wusste nichts von diesen Giften. Ich habe sie nie zu Gesicht bekommen.“

Kobulow:

„Jeschow lügt wieder. Er denkt, dass ihm jemand glauben wird. Wir möchten ihn daran erinnern, dass er die Anweisung gab, Slutzki zu vergiften. Sowohl Frinowski als auch Alechin haben dazu Aussagen gemacht.“

Rodos:

„Haben Sie mitgekriegt, was wir Sie fragen? Wie arrangierten Sie die Vergiftung von Slutzki?“

„Frinowski machte Slutzki runter. Er meinte, dass sei Jagodas Mann und dass er ihm unter keinen Umständen vertrauen könne.“

Kobulow:

„Aber Frinowski sagt hier etwas vollkommen anderes über Slutzki. Er stand an der Spitze der internationalen Abteilung (INO) und hatte Zugang zu Informationen aus dem Ausland über Ihre Spionageverbindungen. Sie fürchteten dies und vergifteten Slutzki, nachdem Sie Ihren eigenen Mann, den Spiegelglas, an seine Stelle gesetzt hatten. Aber es gelang Ihnen nicht, Ihre Spuren zu verwischen. Spiegelglas bekam alles heraus, entlarvte eure ganze Spionenbande auf. Sie hätten auf Ihre Agenten in der INO und im Ausland etwas besser aufpassen müssen.

Erzählen Sie mal in allen Einzelheiten, wie Sie den Mord an Ihrer Frau Jewgenia Solomonowna Jeschowa durch Gift arrangierten!“

„Ich habe keine solche Vergiftung arrangiert. Sie starb an einem Beruhigungsmittel. Sie hat eine Überdosis geschluckt.“

„Und hier haben wir das Geständnis ihres Chauffeurs, dass Sie einen Tag vor ihrem Tod ihn baten, ihr Pralinen und Obst ins Krankenhaus zu bringen. Sie haben diese Sachen vergiftet. Wer gab Ihnen das Gift? Schukowski? Alechin?“

„Meine Frau starb am 21. November. Zu der Zeit waren beide schon in Haft. Und dann kann ich mich nicht erinnern, dass ich meinen Chauffeur beauftragt habe, ihr ein Geschenk vorbeizubringen.“

Kobulow:

„Spielen Sie nicht den Narren, Jeschow. Wir sind keine kleinen Kinder hier, und wir werden Ihnen nicht abnehmen, dass ein solch abgebrühter Bandit und Spion wie Sie kein Gift aufbewahrt hat und keine Ahnung hatte, wie man damit umgeht.“

„Ich erinnere mich nicht mehr an das genaue Datum, als ich meine Frau zum letzten Mal im Krankenhaus sah. Wahrscheinlich am 17. oder am 18. Sie sagte zu mir, dass sie nicht mehr leben wollte, weil sie ohnehin verhaftet werden würden, und ihr war bewusst, dass sie schwere Verbrechen auf dem Kerbholz hatte. Sie bat mich, ihr nächstes Mal irgendein Gift mitzubringen…“

„Haben Sie den Selbstmord Ihrer Frau arrangiert?“

„Ja. Sie wusste eine Menge über meine subversive Tätigkeit, über meine Komplicen und über meine verbrecherischen Pläne. Aber ich beschloss, ihr kein Gift zu geben. Ich besaß kein spezielles Gift dafür. Ich kam natürlich an normales Gift ran, aber damit hätte ich mich verdächtig gemacht, dass ich sie selbst oder durch einen Komplicen töten wollte, oder dass ich ihr einfach Gift für einen Selbstmord gab. Mir war klar, dass eine Überdosis an Beruhigungstabletten den Tod verursachen konnte. Ich sagte ihr, dass ich kein Gift, aber sehr viele Beruhigungstabletten hätte. Sie verstand.

Am 20. nahm ich eine Schachtel Pralinen und legte eine Packung Luminal hinein. Dann legte ich die Schachtel in einen Korb mit Trauben und Äpfel und wies meinen Chauffeur an, ihn ins Krankenhaus zu bringen. Natürlich beging ich ein schweres Verbrechen, aber sie hat es selbst so gewollt. Sie wollte ihrem Leben ein Ende bereiten.“

(Sojma: „Vorher hatte er Rodos bestätigt, dass er mit Hilfe von Gift seine Frau getötet habe“.)

Jeschows Vernehmung am 29. Juni 1939 durch Rodos, Kedrows Bericht betreffend

-siehe Poljanski, 250-52

„Berichten Sie von Ihrer Spionageverbindung mit dem Agenten des deutschen Geheimdienstes Mnatsakanow!“

„Ich hatte keine Verbindung zu ihm.“

„Und wenn Sie richtig darüber nachdenken? Wann lernten Sie ihn kennen?“

„Das war, glaube ich, 1935. Ich bin mit meiner Frau zusammen nach Wien zur Behandlung gefahren. Damals war ich bereits Sekretär des Zentralkomitees, und Slutzki übernahm die Aufgabe, für unsere Sicherheit im Ausland zu sorgen. Er heftete mir diesen Mnatsakanow an sozusagen. Er war Konsul oder Vize-Konsul, fuhr einen Wagen und fuhr uns in der Stadt herum.

Ja. Und er fuhr einen so schön herum, dass, wenn man erst mal Kommissar ist, man diesen Schurken automatisch in der INO mit einem führenden Posten versehen muss, obwohl man wusste, dass er ein deutscher Spion war, dass seine Frau zum polnischen Geheimdienst Kontakt hatte und dass seine Mutter eine erfahrene trotzkistische Provokateurin war!

Ich wusste von all dem überhaupt nichts. Slutzki hatte mit ihm in Wien zusammengearbeitet, hatte eine hohe Meinung von ihm und beschloss, ihn in den INO-Apparat aufzunehmen. Ich unterstützte Slutzki – nicht weil ich Mnatsakanow auch nur eine Spur kannte. Ich beschäftigte mich nicht viel mit INO-Angelegenheiten und verließ mich vollkommen auf Slutzki, was Kaderfragen anging.“

„Also ist Slutzki Schuld. Er drängte Ihnen einen deutschen Spion auf, und Sie wussten nichts über ihn. War das der Stand der Dinge?“

„Ich möchte Slutzki nicht für alles verantwortlich machen. Er drängte mir Mnatsakanow nicht auf. Ich meine, dass ich Mnatsakanow im NKWD auch nicht ein einziges Mal gesehen habe. In der INO traf ich damals nur mit Slutzki zusammen. Es waren Arbeitskontakte. Manchmal traf ich auch Spiegelglas oder Boris Berman.“

„Warum hat Sie Mnatsakanow dann angerufen und Sie gebeten, sich für ihn einzusetzen, als er schon entlarvt wurde und als man begann, ihn aus der Partei auszuschließen?“

„Er kann mich gar nicht angerufen haben. Ich hatte nur mit den Abteilungsleitern und ihren Stellvertretern eine Telefonverbindung. Wer unter ihnen hätte Mnatsakanow auch nur in die Nähe eines solchen Telefons gelassen, umso weniger, als man ihn aus der Partei ausschließen wollte. Das ist unmöglich.“

„Ich erinnere Sie daran, dass er damals von Kedrows Büro aus anrief.“

„Von Kedrow weiß ich nur, dass er ein ganz einfacher Arbeiter war in der INO. Von seinem Telefon aus war es auch unmöglich, mich zu erreichen.“

„Jetzt reicht’s aber. Schluss mit dem Lügen! Sie haben zwei Tage Zeit, sich über Ihre Spionagearbeit mit Mnatsakanow Gedanken zu machen und um sich an alle Details zu erinnern, und besonders daran, wie Sie ihn in Duilows Büro ermahnten, ja keine Geständnisse zu machen. Wenn Sie fortfahren zu lügen und sich über mich lustig zu machen, werde ich Ihren Kopf fordern.“

Jeschows Vernehmung vom 2. Juli 1939 durch Rodos, betr. Mnatsakanow

Siehe Poljanski, 252-260

„Wann und wie nahm Mnatsakanow zu Ihnen Spionagekontakte auf?“

„Es war 1935, als ich das zweite Mal nach Wien reiste, um mich wegen meiner Lungenkrankheit behandeln zu lassen.“

„Sie waren doch schon mal dort. Wann war das?“

„1934. Damals war ich allein, und das nächste Mal reiste ich mit meiner Frau zusammen. Ich wurde die ganze Zeit von dem berühmten Professor Norden behandelt.“

„Der deutsche Geheimdienst hat Sie zu ihm bestellt. War er einer Ihrer Agenten?“

„Nein. Das medizinische Direktorium des Kreml schickte mich zu ihm. Viele wichtige Arbeiter und ihre Frauen wurden von ihm behandelt. Er war mehrere Male in Moskau - schon in den 20iger Jahren. Und Norden kann kaum mit dem deutschen Geheimdienst verbunden gewesen sein. Als ich noch in Moskau war, wurde mir gesagt, dass dieser Arzt Monarchist sei und Kaiser Franz-Josef unterstütze, aber kein Hitler-Anhänger sei. Deshalb zog er auch von Berlin nach Wien, so dass die Faschisten ihn nicht verfolgen konnten. Er ist auch schon sehr alt.“

„Erzählen Sie von Ihrer ersten Reise nach Wien. Wen haben Sie dort getroffen?“

„In Wien traf ich mit Slutzki zusammen. Er hatte eine besondere Anweisung dazu von Jagoda.“

„Von Jagoda? Das ist interessant. Haben Sie selbst Jagoda gefragt?“

„Nein, ich habe mit Jagoda nicht darüber gesprochen. Zu der Zeit war ich stellvertretender Abteilungsleiter im ZK und reiste unter einem falschen Namen nach Österreich. Deshalb gab das ZK eine Direktive an Jagoda, um für meine Sicherheit zu sorgen.“

„Und wer war es dann, der sich um Ihre Sicherheit sorgte? Mnatsakanow?“

„Nein. Ich glaube, dass Mnatsakanow damals noch nicht in Wien gearbeitet hat. Es war Slutzki, der mich zuerst mit Norden bekannt machte, und danach war es irgendein Mitarbeiter von ihm. Ehrlich gesagt, ist mir der Name entfallen, und ich traf ihn nicht wieder.“

„Und wann ist Mnatsakanow an Sie herangetreten?“

„1935. Er empfing Jewgenia Solomonowna und mich am Bahnhof, und fuhr uns dann zum Büro von Slutzki. Danach brachte er uns zu Norden und zeigte uns die Stadt. Er war sehr höflich und nett zu uns.“

„Das kann ich mir vorstellen. Hat er einen Code des deutschen Geheimdienstes verwendet?“

„Nein. Er grüßte mich von Artnau, und ich war im Bilde. Daraufhin habe ich ihm geheime Informationen übergeben.“

„Welcher Art?“

„Ich weiß es nicht mehr genau. Ich glaube, Mnatsakanow war an Informationen über unsere Industrie sowie über die Bewaffnung der Roten Armee interessiert. Nicht lange davor stand ich an der Spitze der Industrieabteilung des ZK und war mit diesen Informationen sehr vertraut. Wahrscheinlich haben mir deshalb die Deutschen solche Fragen gestellt.“

„Er gab Ihnen Aufträge, die einen subversiven und Sabotagecharakter trugen?“

„Ja, aber ganz allgemeiner Art.“

„Was meinen Sie mit ‚ganz allgemein‘?“

„Zu der Zeit war ich schon Sekretär des ZK und Leiter der Abteilung führender Parteiorgane, Vorsitzender der Parteikontrollkommission und Vorsitzender der Kommission über Auslandsaufträge. Der deutsche Geheimdienst wusste das sehr genau, und ich erhielt von Mnatsakanow den Auftrag, mittels dieser Positionen Sabotagearbeit zu leisten und die Parteiarbeit zu unterminieren.“

„Konkret?“

„Nun ja, wie soll ich es sagen? Zu der Zeit lag in meiner Hand die gesamte Arbeit für die Beschäftigung leitender Kader: Auswahl ihrer Tätigkeiten, Bestrafungen, Auslandsaufträge. Ich tat also das, was ein Saboteur in solchen Positionen zu tun in der Lage war. Ich setzte dann solche Leute in leitende Funktionen ein, die nicht qualifiziert waren – politisch und moralisch gesehen, also Leute, die dagegen in der Lage waren, die Produktion zu ruinieren und die Erfüllung des Fünf-Jahr-Plans zu sabotieren oder die Partei zu schädigen. In der Parteikontrollkommission organisierte ich die Arbeit so, dass der Partei feindselig gesonnene Leute gedeckt und nicht entlarvt wurden. Leute, die der Partei gegenüber loyal waren, verloren ihre Parteimitgliedschaft und wurde in jeder Weise von Dingen ausgeschlossen. Ich schickte Leute ins Ausland, die dort als Spione arbeiten konnten und die dann dort blieben.“

„Was für ein Schurke Sie waren, Jeschow“, zischte Rodos durch seine Zähne. „Naja hiernach haben Sie auf dieser Erde wohl nicht mehr viel verloren.“

„Mir ist klar, dass ich der Partei und dem Land gewaltig geschadet habe und bereue meine Verbrechen zutiefst und bin bereit, eine gerechte Strafe auf mich zu nehmen“, sagte Jeschow mechanisch und sah angsterfüllt auf den Untersuchungsleiter.

„Kannten Sie Erna Boschkowitsch, die Frau von Mnatsakanow?“

„Ja, er machte uns mit ihr in Wien bekannt.“

„Wussten Sie, dass ihr erster Mann ein polnischer Spion war und dass sie selbst für den polnischen Geheimdienst arbeitet?“

„Nein, ich wusste nicht einmal, dass sie vorher schon verheiratet gewesen war.“

„Hat sich Ihre Frau mit ihr allein getroffen?“

„Ich glaube mich zu erinnern, dass kurz vor unserer Abreise Mnatsakanow und Boschkowitsch mit ihr einkaufen gingen. Ich war zu der Zeit im Büro des Handelsbeauftragten.“

„Was meinen Sie: War es möglich, dass Jeschowa in Wien mit Boschkowitsch Spionagekontakte aufnahm? Welche Informationen haben Sie dazu?“

„Ich habe dazu keine Informationen. Jewgenia und ich haben nie über Boschkowitsch gesprochen. Sie hat mir nie etwas von Spionageverbindungen weder zu ihr noch zu Mnatsakanow erzählt.“

„Das bedeutet nicht, dass es keine solchen Verbindungen gab. Es ist bereits erwiesen, dass Jeschowa ein englischer Spion war, und Sie haben es selbst uns gegenüber bestätigt. Seien Sie ehrlich: Sind Ihnen irgendwelche Zusammenkünfte mit Boschkowitsch nach ihrer Rückkehr in Moskau bekannt geworden?“

„Meine Frau hat mir fast nie etwas über ihre Spionagetätigkeit erzählt. Aber ich muss zugeben, dass sie vielleicht Spionageverbindungen mit ihr in Moskau hatte, weil die englischen und polnischen Geheimdienste oft zusammenarbeiteten.“

„Sie riefen Mnatsakonow besonders deshalb nach Moskau zurück, um durch ihn mit der Gestapo Kontakt aufzunehmen. Hat er Sie danach gefragt?“

„Ja. Vor meiner Abreise aus Wien drückte er diesen Wunsch aus, und ich beauftragte Slutzki, ihn für eine Arbeit im NKWD vorzumerken, sobald ich Kommissar sein würde.“

„Haben Sie mit ihm im NKWD-Gebäude konspirative Kontakte gehabt?“

„Ja, wir hatten solche Kontakte noch kurz vor seiner Entlarvung und Verhaftung.“

„Was für Aufträge gab Ihnen Mnatsakanow. Haben Sie ihm geheime NKWD-Informationen übergeben?“

„Er war an geheimen NKWD-Informationen nicht interessiert. Auf der Ebene der Abteilungsleiter und ihrer Stellvertreter waren in der Führung des Kommissariats Gestapo-Agenten vorhanden. Dann wurden viele von ihnen enttarnt, darunter Mnatsakanow selbst. Diese Agenten wussten mehr als ich. Ich erzählte ihm also aus Politbürositzungen, ZK-Vollversammlungen, von Gesprächen mit Stalin, Molotow, Kaganowitsch und anderen Führern, übergab ihm den Inhalt geheimer Briefe und Telegramme des ZK sowie des Rates der Volkskommissare.“

„Sie haben ganze Arbeit geleistet. Aber weshalb haben Sie ihn nicht gerettet, als er fiel? Er bat Sie doch, ihm zu helfen.“

„Da war nichts mehr, was ich tun konnte, weil er vollständig enttarnt war und seine Spionagearbeit zugegeben hatte.“

„Hatten Sie Angst, dass er sie aufgeben könnte?“

„Nein, niemand hätte ihm geglaubt.“

„Jeschow, Sie lügen! Wir haben Beweise gegen Sie. Als der Untersuchungsleiter Dulow Mnatsakanow verhörte, gingen sie selbst in sein Büro und sagten zu ihrem Kollaborateur: ‚Du schreibst da was? Na gut, schreib nur, schreib!‘ Das heißt doch nichts anderes, als dass Sie ihn warnten, dass er nichts über Sie aussagen sollte, und dann arrangierten sie alles so, dass er möglichst schnell erschossen wurde. War es nicht so?“

„Ja, jetzt erinnere ich mich. Ich befürchtete, dass Mnatsakanow mich als deutscher Spion entlarven könnte. Ich wollte, dass er so schnell wie möglich erschossen wurde, und das erreichte ich dann auch.“

Bei dieser Gelegenheit war Rodos mit seinem Tatverdächtigen zufrieden. Seine Geständnisse fügten sich genau ein in den Plan, den man schon vorher hatte und konnten viele unklare Stellen erklären. Er bot Jeschow eine Zigarette an. Als der ehemalige Volkskommissar sich die Zigarette anzündete, nahm Rodos die Kopie eines maschinengeschriebenen Texts aus einer Akte.

Dies war irgendeine unspezifische und nicht deutlich identifizierbare Mitteilung entweder von einem Tatverdächtigen oder von einem Vernehmer oder einfach nur der Auszug von einer anonymen Denunziation. Innerhalb des NKWD wurde es als unzulässig angesehen, sich für die Quelle einer Information zu interessieren, und nachdem er dieses Dokument von Kobulow erhalten hatte, fügte Rodos keine weiteren Einzelheiten hinzu.

Jemand hatte Informationen über eine Liebesbeziehung zwischen Jeschow und einer gewissen Stefforn, einer tschechischen und deutschen Spionin überbracht. Die Geschichte hatte sich 1934 zugetragen. Rodos hatte sich den Text dreimal durchgelesen, verstand aber immer noch nicht, wer diese Stefforn war – eine NKWD-Mitarbeiterin, die Frau eines Kollegen in der INO in Berlin oder beides gleichzeitig. Es hieß angeblich, dass Jeschow sie bat, ihn zu heiraten, aber sie hatte sich geweigert und es dann anschließend bereut. Aber dann hatte sie bald einen neuen Ehemann gefunden, einen Petruschew. Als Stefforn wegen Spionage verhaftet worden war, hatte sich Petruschew bei Jeschows Frau stark gemacht, bei ihrem Mann für sie zu intervenieren, was aber nicht half. Das war die ganze Information.

Rodos dachte nach. Jeschow hatte bereits zehn deutsche Spione angegeben, die mit ihm zusammen in Moskau gearbeitet hatten. Deshalb war diese Tschechin hier kaum von Wichtigkeit. Aber es kann sein, dass sie eine Rolle bei Jeschows moralischem Verfall gespielt hatte, was jetzt ganz wichtig erschien.

„Kannten Sie eine Frau namens Stefforn?“

„Vielleicht. Erinnern Sie mich, wer sie war.“

„Das werde ich machen. Sie war Ihre Geliebte – eine tschechische Frau, die Sie heiraten wollten, aber sie zog einen gewissen Petruschew vor.“

„Vielleicht ist das Jelena Petruschewa, eine Freundin von Jewgenja. Sie haben sich Ende der 30iger Jahre in Deutschland kennengelernt. Aber …“

„Gehen Sie in die Einzelheiten.“

„Meine Frau erzählte mir, dass Lenas Vater ein deutscher Jude aus Prag sei und dass ihre Mutter entweder eine Tschechin oder eine Polin war. Sie war mit einem sowjetischen Staatsbürger verheiratet, der im Ausland arbeitete, und sie lebte mit ihm eine Zeitlang in Deutschland zusammen.“

„War dieser Ehemann ein Angestellter der INO oder der OGPU?“

„Ich weiß nicht. Das wurde in der Unterhaltung nicht gesagt. Irgendwann im Laufe der dreißiger Jahre verließ sie ihn und ging nach Moskau. Ich kenne den Nachnamen des Ehemanns nicht. Dann heiratete sie Petruschew. Ich traf sie einige Male. Er war ein respektabel aussehender Mann. Er sagte, sein Vater sei ein bekannter vorrevolutionärer Fotograf gewesen, der beste in Russland und sehr reich. Und Petruschew selbst arbeitete in irgendeinem Verlag, entweder als Fotograf oder auch eventuell als Künstler. Seine Ehefrau erzählte mir, dass er gut zeichnen konnte. Seine Bilder hingen in ihrem Haus.“

„Erzählen Sie mir jetzt nichts von Bildern. Bleiben Sie bei der Sache. Petruschew fragte Ihre Frau, Sie zu bitten, seiner Frau Stefforn zu helfen, als sie wegen Spionage für Deutschland verhaftet worden war.“

„Jewgenja Solomonowna hat mir nie etwas davon erzählt. Wir stimmten im Allgemeinen überein, dass sie mich nicht nach Staatsangestellten und Saboteuren ausfragen sollte, die im Gefängnis saßen. Einmal bat sie mich, dem Ehemann einer Freundin zu helfen, der wegen Sabotage in einer Fabrik verhaftet worden war. Ich sagte ihr, dass ich das nicht machen könnte, weil dadurch meine Hauptaktivitäten entdeckt werden konnten, und dann wären wir beide dran gewesen. Seitdem ließ sie mich mit solchen Fragen in Ruhe.“

„Sei es wie es sei, Jeschow. Aber sie weichen der Frage zu ihren Liebesbeziehungen mit Stefforn oder Petruschewa aus. Erzählen Sie mir jetzt davon!“

„Jelena war eine interessante Frau und war mir sehr zugetan. Sie kam ein paarmal in unsere Wohnung, wohl so gegen Ende 1934. Sie hatte noch eine Freundin dabei. Wir tranken. Als sie und ich zusammen in einem anderen Raum rauchten, fing ich an, sie zu umarmen und schlug vor, dass wir uns in ihrem Apartment treffen sollten, da ihr Ehemann Petruschew in Kislowodsk zur Kur war. Ich bat um ihre Telefonnummer, um sie am nächsten Tag wieder zu sehen. Aber sie sagte, dass sie kein Telefon hätten. Ich erinnerte mich aber daran, dass meine Frau sie angerufen hatte. Das bedeutete, dass sie mit mir nicht zusammen sein wollte.“

„Was – sie arbeitete nicht und saß die ganze Zeit zu Hause herum?“

„Soweit ich mich erinnere, war sie eine Schreibkraft und arbeitete von zu Hause aus.“

„War es wirklich so schwierig, sie ins Bett zu bekommen?“

„Ich versuchte das nicht noch einmal. Nach 1934 sah ich sie nicht wieder. Jewgenja hat sie dann nicht mehr zu uns eingeladen.“

„Wie kommt’s?“

„Jelena hatte unpassende Unterhaltungen mit ihr: anti-Partei, politisch gefährlich, auch über den Hunger in der Ukraine, wo einige ihrer Verwandten lebten. Sie versuchte zweifellos auszutesten, wie meine Frau darauf reagieren würde. Außerdem hatte Jewgenja von einer ihrer Freundinnen erfahren, dass Petruschewa im angetrunkenen Zustand Andeutungen machte, dass sie mit dem NKWD zusammenarbeiten würde.“

„Jeschow: Es hat keinen Zweck zu lügen. Wir haben Beweise darüber, dass Sie mit dieser Frau längere Zeit zusammengelebt haben, dass sie Ihre Frau ihretwegen verlassen wollten, dass Sie ihr teure Geschenke machten und ihr Staatsgeheimnisse verrieten, wenn Sie betrunken waren. Ich habe nicht die Zeit, Ihnen jedes Wort einzeln aus der Nase zu ziehen. Heute, hier in diesem Raum, werden Sie Stift und Papier bekommen, und Sie werden alle Einzelheiten über Ihre schmutzige Beziehung zu dieser Hure aufschreiben. Und vergessen Sie nicht zu erwähnen, wie Ihr kompletter moralischer Niedergang dazu führte, dass Sie zum Spion und Verräter wurden.“

„In Ordnung.“

„Und noch etwas: Schon ein ganze Zeit haben Sie verheimlicht, dass Sie sich zu Männern hingezogen fühlten, was man Homosexualität nennt. Aber das kam raus, nachdem Sie diese schamlose Beziehung zu Staatsbürger V. aus dem Volkskommissariat für Flussschifffahrt in Ihrem Apartment hatten. Und davor amüsierten Sie sich auch noch vor den Augen von V. mit seiner Frau im Bett. Wird Ihnen klar, wie tief Sie gesunken sind? Sie sind einfach ein Monster, Jeschow, eine schmutzige Person und ein Perversling. Es widert mich an, Sie anzusehen.“

„Zu der Zeit war ich ziemlich betrunken…“

„Soll dies eine Rechtfertigung sein?“

„Nein, aber ich erinnere mich an gar nichts. Ich wachte morgens auf, und sie waren nicht mehr da. Mein Chauffeur erzählte mir dann, dass er sie um 3 Uhr nachts weggefahren hätte. Ich konnte also dann nichts mehr gemacht haben …“

„Das interessiert mich nicht. Aber wir wissen, dass Sie V. von Ihrer Neigung zur Homosexualität erzählten, die Sie seit Ihrer Kindheit hatten und dass Männer Frauen für Sie vollständig ersetzen konnten. Sie sollten genau aufschreiben, ab wann sie zu einem Homosexuellen wurden und auf wen Sie sich damals einließen bei diesem schmutzigen Geschäft …“

Jeschows Vernehmung am 8. Juli durch Rodos

-siehe Poljanski, 262-68

„Sagen Sie uns, wann Sie Uspenski für Ihre Spionage- und Sabotageorganisation im NKWD anwarben.“

„Ich kümmerte mich um Uspenski schon Anfang 1936.“

„War das, als er noch stellvertretender Kommandant für Innere Sicherheit im Moskauer Kreml war?“

„Ja.“

„Wie entdeckten Sie Uspenskis feindliche antisowjetische Ansichten? Hat er Ihnen gegenüber solche Ansichten geäußert?“

„Nein. Weinstock und Frinowski erzählten mir davon. Sie kannten ihn gut und schätzten ein, dass er sich für die Spionagearbeit gut eignen würde.“

„Haben Sie Uspenski persönlich gekannt?“

„Ja. Es war gleich nach meiner Ankunft im Volkskommissariat. Er stimmte sehr schnell zu, und ich sagte ihm, dass wir unsere eigenen Leute in der Provinz brauchten. Deshalb schickte ich ihn nach West-Sibirien.“

„Was für Aufträge gaben Sie ihm?“

„Er sollte Agenten aus dem Kader der Tschekisten für unsere Organisation anwerben und sie in führende Positionen befördern, so dass sie für den Fall eines Krieges oder eines Putsches die Macht ergreifen konnten.“

„Im November 1937 schickten Sie Uspenski eine kodierte Botschaft folgenden Inhalts:‚Wenn Sie denken, dass Sie fünf Jahre lang in Orenburg herumsitzen werden, liegen Sie falsch. Sehr bald, so scheint es, werde ich Sie in eine verantwortungsvollere Position bringen‘. Was bedeutet diese Botschaft?“

„Zu der Zeit ging die Führung unserer Organisation zu energischen Maßnahmen über. Es gab viel Belastendes gegen Leplewski und Sakowski, was bewies, dass sie Spione und Volksfeinde waren. Es war unmöglich, diese Dinge zu verbergen, und wir mussten diese Leute loswerden. Wir konnten sie nicht mehr verwenden. Sie konnten alles zum Scheitern bringen. Wir beschlossen, sie durch Uspenski und Litwin zu ersetzen. Ich übergab Uspenski eine kodierte Botschaft, damit er von seiner bevorstehenden Abreise aus Orenburg erfuhr und damit er anderen Leuten die Sabotage- und Spionagearbeit übergeben konnte, die er dort angeworben hatte.“

„Einverstanden. Und nun erzählen Sie uns, wie Sie Uspenski warnten, dass er verhaftet werden sollte. Hat Dagin Ihnen von Uspenskis bevorstehender Verhaftung erzählt?“

„Ja, ich glaube, dass er es war. Er kam zu mir ins Büro und erzählte es mir.“

„Und erzählte er Ihnen nicht auch, dass er das Telefongespräch zwischen den Genossen Chruschtschow und Stalin über Uspenski abgehört hatte?“

„Ja, ich erinnere mich, dass er mir von dem Gespräch über Uspenski, das er abgehört hatte, berichtete, aber er sagte nichts von einem Gespräch mit Stalin. Dagin hatte von mir die Anweisung, alle Gespräche des Politbüros abzuhören und machte mir dann sofort Mitteilung, damit ich auf dem neuesten Stand war.“

„Danach riefen Sie in Kiew an und warnten Uspenski. Was sagten Sie zu ihm?“

„Ich sagte: ‚Du wirst abberufen. Deine Lage ist kritisch‘. Etwas in der Art. Ich wollte ihm lieber keine kodierte Botschaft schicken. Sie hätten sie abfangen können, weil man mir schon nicht mehr so recht traute. Ich galt unter den Parteiführern schon als feindliches Element.“

„Erzählte Ihnen Dagin auch etwas darüber, dass Litwin aus Leningrad abberufen wurde?“

„Ich wusste nichts über die Einbestellung von Litwin nach Moskau und warnte ihn nicht. Es bestand dafür keine Notwendigkeit.“

„Weshalb?“

„Ich hatte mit ihm ein Abkommen, dass, falls er entlarvt werden sollte, er Selbstmord begehen werde.“

„War das Ihre Instruktion?“

„Nein. Im September des Jahres war Litwin in Moskau und kam dann immer zu mir auf meine Datscha. Er meinte, dass die Ankunft von Berija im NKWD der Anfang vom Ende sei und dass wir bald alle verhaftet werden würden, weil die Partei aller Wahrscheinlichkeit nach von unserem Komplott wusste. Und er sagte auch, dass er sich nicht lebend ausliefern würde und dass, falls sie ihn nach Moskau holen würden, er sich erschießen würde. Und das passierte dann auch.“

„Haben Sie ihn bei dieser Absicht unterstützt?“

„Nein, aber ich habe auch nicht versucht, ihn davon abzuhalten.“

„Das heißt also, dass Sie zugeben, dass Sie praktisch Ihrem Komplicen einen Befehl gaben, für den Fall des Scheiterns Selbstmord zu begehen?“

„Ja, genau genommen war es so.“

„Wann haben Sie Litwin für Ihre Spionagearbeit angeworben?“

„Das war 1931, als ich ihn nach Moskau versetzte.“

„Weshalb war er einverstanden, Spion zu werden?“

„Schon in den 20iger Jahren, als ich mit Litwin zusammenkam, fiel mir seine unerklärliche Neigung zum Trotzkismus auf. Offen unterstützte er Trotzki nicht, aber in seinem Umfeld gab es viele entlarvte Trotzkisten, und ich glaube auch, dass er insgeheim immer Trotzkist gewesen war.“

„Sie wollen also sagen, dass sogar Litwin ein Heuchler war?“

„Ja. Er war ein Heuchler, und wie sich später herausstellte, unterstützte er die trotzkistisch-sinowjesche Linie. Deshalb stimmte er gerne meinem Vorschlag zu, deutscher Spion zu werden. Ich glaube, dass die linke Opposition damals schon endgültig zum Scheitern verurteilt war, und Trotzki war schon aus der UdSSR ausgewiesen worden.“

„1933 wurde Litwin auf Ihre Empfehlung hin zum Vorsitzenden der Kaderabteilung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Ukraine ernannt. Geschah dies auf Anweisung des deutschen Geheimdienstes?“

„Ja. Ich erhielt diese Order von Artnau.“

„Was für Anweisungen für Spionage erhielt Litwin von Ihnen?“

„Diese Anweisungen dienten der Subversion und der Sabotage. Ich wies ihn an, solche Leute in leitende Positionen zu befördern, die durch ihre Tätigkeit die Unzufriedenheit der ukrainischen Bevölkerung hervorrufen konnten; Leute, die Sabotageakte ausführen würden, die Lebensmittel und Viehbestände ruinieren und die die Erfüllung von Industrieplänen behindern konnten. Das waren verdeckt arbeitende, rechte oder linke Oppositionelle, die daneben auch Aufträge für Sinowjew, Bucharin, Rykow und andere Feinde ausführten.“

„War auch Litwas dabei für die Verwirklichung des Basisplans, den der deutsche Geheimdienst ihnen gab? Nahmen sie ihn auch mit ins NKWD hinein, so wie die Faschisten es verlangt hatten, um die konspirative Spionageorganisation aufzubauen?“

„Ja, so war es.“

„Als Sie ins NKWD kamen, brachten Sie einen weiteren Ihrer Kollaborateure mit: Issac Shapiro*. Wann wurde er von Ihnen angeworben?“

*Betr. Shapiro, siehe auch http://www.memo.ru/history/NKVD/kto/biogr/gb537.htm

„Ich kannte Shapiro seit 1930. Er arbeitete in der Kaderabteilung des Volkskommissariats für Landwirtschaft, dessen Leiter ich war. Er und ich waren gute Freunde. Ich schätzte seinen Ehrgeiz und seine Belesenheit. Als Artnau mich anwarb und mich darum bat, Leute für Spionagezwecke aufzutreiben, dachte ich sofort an Shapiro, der mir persönlich ergeben war, und ich hatte immer den Eindruck, dass er die Sowjetmacht nicht besonders mochte und dass er die politische Linie der Partei ablehnte.“

„Führte Shapiro auf Ihre Anweisung hin Sabotageakte innerhalb des Volkskommissariats für Landwirtschaft aus?“

„Ja, aber nur für kurze Zeit. Ich beschloss, ihn ins Zentralkomitee zu holen, weil ich dort Leute für subversive Zwecke brauchen konnte.“

„Wusste er, dass Sie deutscher Spion waren?“

„Ja. Ich hatte ihm erzählt, dass wir beide für den deutschen Geheimdienst arbeiten würden, um später die Regierung zu stürzen und im Falle eines Krieges mit Deutschland an die Macht zu kommen.“

„Was für Aufträge von Ihnen führte Shapiro innerhalb des NKWD aus?“

„Er war praktisch mein wichtigster Assistent. Zuerst ernannte ich ihn zum Sekretariatschef und danach machte ich ihn auch zum Vorsitzenden der Ersten Sonderabteilung. Er hatte viele Möglichkeiten für die Ausführung von Sabotage innerhalb des NKWD, und er führte all meine Aufträge für Spionage- und subversive Zwecke aus – sowohl meine als auch die von Frinowski. Und als Berija ins NKWD kam, fand er sofort heraus, dass Shapiro ein Feind war, und ließ ihn im November 1938 verhaften.“

„Ich weiß das alles. Es wäre besser, wenn Sie mir erzählen würden, wie Sie Ljuschkow rekrutierten und wie Sie ihm halfen, nach Japan zu entkommen.“

„Ich warb ihn direkt nach seiner Rückkehr aus Leningrad an, wo er an der Untersuchung der Ermordung Kirows teilgenommen hatte. Damals war ich bereits Sekretär des Zentralkomitees und Ljuschkow wusste, dass ich bald die Aufsicht über das NKWD bekommen würde. Als ich ihn dann in mein Büro rief und andeutete, dass ich Informationen über seine Verbindungen zu den Petljurowisten während des Bürgerkrieges in der Ukraine hatte und dass mir auch andere belastende Fakten bekannt waren, bekam er Angst und stimmte sofort zu, für mich als deutsch-japanischer Spion zu arbeiten.“

„Hatten Sie wirklich solche Informationen?“

„Nein, nicht wirklich. Ich täuschte das nur vor, um Ljuschkow anzuwerben. Aber ich nahm an, dass er ein feindliches Element war mit einer anrüchigen Vergangenheit, was sich als richtig herausstellen sollte. Ljuschkow war bereit, als Spion zu arbeiten.“

„Warum gaben Sie Ljuschkow die Anweisung, nach Japan zu fliehen?“

Jeschow dachte einen Moment nach. Er konnte sich nicht mehr an einen Grund erinnern, weshalb Frinowski, einer der Leiter der Verschwörung im NKWD, vorgeschlagen hatte, seinen Kollegen Ljuschkow zu verhaften. Aber dann hatte er eine Lösung.

„Frinowski erzählte mir oft, dass er Ljuschkow nicht mochte. Er sei ein Feigling und könnte uns alle jeden Moment verraten. Nach unseren Anweisungen führte er wichtige Spionagearbeiten für den japanischen Geheimdienst aus, und er wusste eine ganze Menge über unsere subversive und Sabotagearbeit. Frinowski meinte, er müsse ihn loswerden, was bedeutete, ihn umzubringen. Und er sagte mir, dass er das alleine bewerkstelligen würde. Ich beschloss, ihm nicht im Wege zu stehen.“

„Hat Frinowski ihnen mitgeteilt, wie er Ljuschkow umbringen wollte?“

„Nein, aber ich meine, er wollte ihn zuerst mal verhaften und danach wollte er ihn im Gefängnis vergiften oder ihn irgendwie umbringen.“

„Was für eine Bande! Und wer hat Ljuschkow dann gewarnt?“

„Das weiß ich nicht. Aber Frinowski wollte Gorbach aus Nowosibirsk anstelle von Ljuschkow ernennen und diesen nach Moskau holen – angeblich wegen einer neuen Arbeit, aber in Wirklichkeit, um ihn zu verhaften. Ljuschkow bekam wohl mit, dass Gorbach schon auf dem Weg nach Chabarowsk war und floh über die Grenze.“

Jeschows Gegenüberstellung mit Schukowski am 21. Juli 1939 – Rodos & Jesaulow anwesend

(„ochnaia stavka“ = „direkte Gegenüberstellung“)

Siehe Poljanski, 269-72; B&S 138-9.

“Kennen Sie diesen Mann?”

„Ja.“

„Wer ist das?“

„Nikolai Iwanowitsch Jeschow“.

„Und Sie?“ fragte Rodos Jeschow.

„Ja, das ist Semjon Borissowitsch Schukowski.“

„Verdächtigter Jeschow. Bestätigen Sie Ihr Geständnis betreffs der konspirativen Sabotage-und terroristischen Aktivitäten des ehemaligen stellvertretenden Kommissars des NKWD Schukowski, das Sie am 17. Juli des Jahres ablegten!“

Vernehmer: „Wann wurden Sie deutscher Spion?“

Jeschow: „Ich wurde 1930 in Königsberg/Deutschland angeworben.“

(An dieser Stelle wiederholt Jeschow Wort für Wort das Geständnis vom 21. Juni gegenüber Rodos, siehe Poljanski, 235-38).

„In Deutschland wurde ich gut und zuvorkommend behandelt. Die größte Aufmerksamkeit wurde mir seitens des hohen Beamten im deutschen Wirtschaftsministerium, Artnau, zuteil. Nach der Einladung auf sein Landgut in Königsberg hatte ich eine angenehme Zeit dort und war auch dem Alkohol nicht abgeneigt … In Königsberg bezahlte mir Artnau oft meine Rechnungen im Esslokal … Ich protestierte nicht dagegen … Dadurch kam ich Artnau immer näher, und häufig war es so, dass ich dann alle möglichen Geheimnisse über die Situation in der Sowjetunion ausplauderte … Wenn ich betrunken war, wurde ich sogar noch offener ihm gegenüber, und gab ihm zu verstehen, dass ich persönlich nicht vollständig mit der Linie der Partei und der bestehenden Parteiführung einverstanden war. Dann kam ich an einen Punkt, an dem ich mich bei einer Unterhaltung bereit erklärte, eine ganze Reihe von Fragen zur Regierung der UdSSR, was den Kauf von Viehbeständen und landwirtschaftlichen Maschinen betraf, mit ihm zu diskutieren. Artnau war daran sehr interessiert …“

(An dieser Stelle führt die Quelle neues Material an, das vorher noch nicht als Teil dieses Geständnisses abgedruckt wurde).

„Da ich Schukowskis Feigheit und Sturheit kannte, hielt ich es nicht für nötig, ihn über konspirative Angelegenheiten auf dem Laufenden zu halten. Erst im Frühling 1938 weihte ich ihn voll in diese Dinge ein. Dann wurde er zu meinem Stellvertreter ernannt und stand an der Spitze der Verwaltung des NKWD und des GULAG.

Wir Verschwörer hatten zum GULAG Sonderpläne, zu denen ich schon im Detail Geständnisse abgelegt habe, und ich beschloss, Schukowski auf den neuesten Stand zu bringen. Zu diesem Zeitpunkt waren diejenigen, die ihn wegen trotzkistischer und Spionageverbindungen hätten entlarven können, schon verurteilt, so dass die Gefahr, dass er verhaftet werden könnte, vorüber war. Ich informierte ihn über die Existenz der Verschwörung innerhalb des NKWD und darüber dass die konspirative Organisation mit Regierungskreisen in Deutschland, Polen und Japan verbunden war. Ich weiß nicht mehr ganz genau, aber ich glaube, ich habe ihm auch von unserem Wunsch erzählt, mit den Engländern Kontakt aufzunehmen. Dann informierte ich ihn über die führenden Personen in der konspirativen Organisation sowie über unsere weiteren Pläne, besonders über unsere terroristischen Pläne.“

„Welche Aufträge erteilten Sie Schukowski, was den GULAG betraf?“

„Die konspirativen Aufträge in Bezug auf den GULAG, die ich Schukowski erteilte, bestanden aus Folgendem: Wir schickten eine große Anzahl von kompromittierten Leuten in den GULAG, um dort zu arbeiten. Wir konnten sie nicht für Operationen gebrauchen, aber wir behielten sie dort zu dem Zweck, eine Reserve für Verschwörungen zu bilden, die wir für den Fall eines Putsches verwenden konnten. Ich beauftragte Schukowski damit, diese Leute bereitzuhalten, sich aber selbst nicht mit ihnen auf der Basis einer Verschwörung abzugeben, sondern alle konspirativen Aufträge, die für den GULAG gedacht waren, mit Hilfe dieser Leute auszuführen …“

Vernehmer: „Gaben Sie Schukowski diese terroristischen Aufträge, als er in der Abteilung für operationelle Technologie arbeitete? Sprachen Sie mit ihm über die terroristischen Aufgaben der Verschwörung?“

Jeschow: „Ja, ich sprach mit ihm darüber. Es gab zwei Varianten bei unseren Plänen. Die erste: Für den Fall eines Krieges schlugen wir vor, die Mitglieder der Regierung zu verhaften und sie physisch zu beseitigen. Die zweite Variante: Sollte es in naher Zukunft keinen Krieg geben, dann sollte die Führung von Partei und Regierung durch terroristische Akte beseitigt werden, besonders Stalin und Molotow. Ich kann mich genau darin erinnern, dass ich darüber mit Schukowski gesprochen habe, nachdem ich ihn mit der Existenz der Verschwörung vertraut gemacht hatte.“

Vernehmer: „Verdächtigter Schukowski: Haben Sie von Jeschow die kriminellen Aufträge erhalten, von denen er gerade gesprochen hat?“

Schukowski: „Ich habe keine solchen kriminellen Aufträge erhalten, und ich höre von terroristischen Aufträgen heute zum ersten Mal bei dieser Gegenüberstellung.“

Rodos an Schukowski: „Gibt es noch etwas, das Sie uns mitteilen wollen?“ (nachdem er eine negative Antwort erhalten hat, drückt er den Knopf, damit die Wachen ihn abführen können).

Jeschows Vernehmung am 24. Juli 1939 durch Rodos, einschließlich eines Zitats aus der Frinowski-Vernehmung

s. Poljanski, 272-75

Der Vernehmer fragt Jeschow: „Kürzlich legte Frinowski Geständnisse ab zu Ihren terroristischen Aktivitäten. Ich werde sie Ihnen jetzt vorlesen:

‚Als Schukowski Leiter der 12. Abteilung war, erteilte Jeschow ihm den Auftrag, Gifte zu entwickeln, mit dem Ziel, sie für terroristische Anschläge zu verwenden. Jeschow, der mit Schukowski in meiner Anwesenheit sprach, meinte, dass es notwendig sei, sich mit der Frage der Entwicklung solcher Gifte zu beschäftigen, die eine sofortige Wirkung haben und die man gegen Leute einsetzen konnte, ohne Spuren zu hinterlassen. Jeschow sagte auch ganz klar, dass man diese Gifte brauche, um sie im Land zu verwenden‘.

Bestätigen Sie dieses Geständnis, Jeschow?“

„Ich kann das nicht bestätigen. Bei einem der Verhöre sagte ich, dass ich nichts mit diesem Labor zu tun hatte. Frinowski und Schukowski haben sich darum gekümmert. Ich habe ihnen keine Aufträge in Verbindung mit diesen Giften erteilt und habe keine Gespräche über diese Gifte geführt.“

„Hören Sie auf zu lügen! Sie sind nicht nur von Frinowski, sondern auch von Schukowski, Alechin und Dagin beschuldigt worden. Sie standen an der Spitze der Verschwörung und gaben Anweisungen, Gifte zu entwickeln, um die Führer von Partei und Regierung auf niederträchtige Weise zu ermorden. Hier noch etwas von dem, was Frinowski gestanden hat:

„Ich muss sagen, dass die offene Verwendung von Helfern für einen Terroranschlag nicht entscheidend war. Helfer konnten verdeckt Verwendung finden, weil das Labor und die Entwicklung von Produkten in der Hand von Barkan und Dagin lagen. Sie waren in der Lage, Produkte zu vergiften und der Helfer, der gar nicht wusste, dass die Produkte vergiftet waren, konnte sie an Mitglieder des Politbüros weiterreichen.

Jeschow gab Schukowski Aufträge zur Präparierung von Produkten, und nachdem er die 12. Abteilung verlassen hatte, übergab er diese Anweisungen an Alechin, und ich und Jeschow bestätigten diese Direktiven mehr als einmal. 1937 und 1938 gab es mehrere Gespräche, an denen ich selbst, Jeschow und Alechin, teilnahmen. Wir waren ständig damit befasst, wie wir diese Arbeit im Labor handhaben sollten. Das Problem bestand darin, dass jene Gifte, die im Labor entwickelt wurden, eine Art Geschmack besaßen und Spuren im menschlichen Organismus hinterließen. Wir stellten also die Aufgabe, dort Gifte zu entwickeln, die keinen Geschmack hatten, so dass sie in Wein, in anderen Getränken oder in Lebensmitteln verwendet werden konnten, ohne dass sie den Geschmack oder die Farbe der Lebensmittel oder des Getränks veränderten. Wir schlugen vor, getrennt Gifte mit einer sofortigen und mit einer verzögerten Wirkung zu entwickeln, die im menschlichen Körper keine sichtbaren Zerstörungen hinterließen, so dass sie bei einer Autopsie der getöteten Person nicht identifiziert werden konnten, so dass nicht herausgefunden werden konnte, dass diese Person vergiftet worden war.“

„Was sagen Sie dazu?“

„Mir fallen jetzt ein paar Gespräche mit Frinowski über Gifte ein. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich ihm irgendwelche Direktiven für ihre Entwicklung und Verwendung gegeben habe.“

„Aber Sie werden sich erinnern! Denken Sie darüber nach! Ich bin davon überzeugt, dass das Gedächtnis von Verrätern und Schurken wie Sie in Strafzellen sehr schnell wiederhergestellt werden kann. Alle erinnern sich nach ein paar Tagen.“

„Die Verwendung von Giften bei Terroranschlägen gegen die Regierung wurde von uns diskutiert, als unser ursprünglicher Plan für einen Staatsstreich und für eine Machtergreifung gescheitert war.“

„Machen Sie dazu nähere Angaben!“

„Bereits im Sommer letzten Jahres (1938 – GF) beschloss unsere Organisation, am 7. November einen militärischen Staatsstreich durchzuführen.“

„Wer war bei dieser Zusammenkunft anwesend und wo fand sie statt?“

„Auf meiner Datscha. Anwesend waren Frinowski, Jewdokimow, Dagin, Schurbenko, Schukowski and Nikolajew-Schurid. Das war sozusagen der Generalstab unserer subversiven Organisation. Oh – ich vergaß Litwin zu erwähnen. Er war geschäftlich in Moskau.“

„Beriefen Sie dieses Treffen eigens zu dem Zweck ein, damit Ihr Generalstab von Banditen teilnehmen konnte?“

„Ja. Die Anwesenheit des Stabs war unverzichtbar, weil der Coup in Leningrad stattfinden sollte, und der Stab sollte alles absichern.“

„Zu diesem Zweck machten Sie Schurbenko auch zum Kopf des UNKWD für Moskau sowie für den Moskauer Verwaltungsbezirk, so dass seine Anwesenheit Ihre verräterische Verschwörung absichern konnte?“

„Ja, so ist es. Ich hatte Schurbenko selbst noch vor Berijas Ankunft im NKWD in diese Position gebracht.“

„Fahren Sie fort! Was haben Sie auf Ihrer Datscha diskutiert?“

„Wir beschlossen, dass die Truppen des Inneren (beim NKWD – GF), die in Moskau stationiert waren und die Frinowski als Ersten Stellvertreter des Kommissars unterstanden, den Staatsstreich ausführen sollten. Was ihn anging, so sollte er eine Kampfgruppe ausbilden, die in der Lage war, die Mitglieder der Regierung, die bei der Parade anwesend waren, zu liquidieren. Danach beschlossen wir, einen endgültigen Plan für einen Coup vorzubereiten und Direktiven an unsere Leute in den Republiken und Bezirken darüber zu erlassen, was sie am 7. November zu tun hatten.“

„Wer war bei diesem Treffen anwesend?“

„Nur drei von uns: Frinowski, Schukowski und ich. Es war entweder Ende September oder Anfang Oktober in meinem Büro.“

„Was haben Sie besprochen?“

„Zu dem Zeitpunkt war der Handlungsspielraum unserer Organisation schon ernsthaft eingeschränkt, als Berija das NKWD übernommen hatte. Er ersetzte Frinowski, und wir konnten dann nicht mehr die Truppen des Inneren verwenden.“

„Aber wieso? Er muss doch seine Agenten dort gehabt haben?“

„Ja, er hatte seine Leute, aber Berija hatte schon Informationen über unsere Verschwörung und ließ fast alle im September verhaften. Ich konnte diese Verhaftungen nicht verhindern, ohne mich selbst zu entlarven. Dann schlug Frinowski vor, den Coup aufzuschieben und die Macht durch Vergiftungen von Regierungsmitgliedern zu übernehmen – in erster Linie Stalin, Molotow und Woroschilow. Ihr Tod hätte sofort Verwirrung im Land erzeugt, so dass wir das hätten ausnutzen können für eine Machtübernahme. Wir schätzten ein, dass wir danach dann sämtliche Regierungsmitglieder und Mitglieder im NKWD, die uns entgegenstanden, verhaften konnten, unter dem Vorwand, dass sie Verschwörer seien, die am Tod unserer Führer Schuld seien.“

„Was für niederträchtige Kreaturen! Was hätte Euch Gangster aufhalten können?“

„Frinowski meinte dann, dass Dagin die Vergiftungen vornehmen würde und dass Alechin und Schurkowski ihm die giftigen Substanzen geben würde. Aber wir mussten die Gifte parat haben. Wir beschlossen also, diesen Terroranschlag dann auszuführen, wenn die benötigten Gifte verfügbar waren. Wir beschlossen, uns dann zu treffen, wenn Dagin die Gifte besaß und dann einen genauen Plan für den Staatsstreich zu entwerfen. Aber Schukowski wurde dann unerwartet festgenommen – ein paar Tage nach diesem Treffen und danach auch Alechin und Dagin, so dass ich nicht wusste, ob Dagin das Gift schon hatte.“

Jeschows Vernehmung am 2. August 1939 durch Rodos

-Poljanski, 275-80; Brjuchanow & Schoschkow, 139-142, teilweise unterstrichener und kursiv gedruckter Text

„ Erzählen Sie uns von den Sabotageakten gegen die Wirtschaftseinrichtungen des NKWD, die von Ihnen und Ihren Kollegen ausgeführt wurden“, sagte Rodos, als er die Geständnisse aufschreiben wollte.

Jeschow:

„Es gab eine große Zahl von wirtschaftlichen Einrichtungen, die der Leitung des NKWD unter Jagoda unterstellt waren und die in den Jahren 1937 und 1938 beträchtlich ausgeweitet wurden, darunter die Lager von Kolyma, Indigirka, Norilstroi und andere. Mir gelang es, die wirtschaftliche Aktivität des NKWD durch Hinzufügung neuer Komplexe stark auszuweiten.

In diesen Jahren gelang es mir auch, bei der Regierung das Verständnis für die Frage der Übertragung zahlreicher waldreicher Regionen, die dem Kommissariat für Waldwirtschaft unterstanden, unter die Obhut des NKWD zu bringen, so dass dann das Produktionsprogramm der Waldlager des NKWD für den Export von Holzprodukten im Jahr 1938 ungefähr die Hälfte des gesamten Programms des Kommissariats für Waldwirtschaft ausmachte.

Dem NKWD wurde danach der Bau von Eisenbahnlinien übertragen, die die größte verteidigungspolitische Bedeutung hatten, wie die Baikal-Amur-Strecke, die von Ulan-Ude nach Nauschi, die von Soroka-Pljassetskaja, die Uchto-Petscherkskaja-Linie und andere.

Mir gelang die Übertragung von Projekten unter die Verwaltung des NKWD, die einen rein verteidigungspolitischen Wert besaßen, darunter die Werft von Archangelsk sowie fast sämtlicher Zellulose-Fabriken von Archangelsk, Solikamsk und anderer. Gleichzeitig organisierte ich den Bau von zehn weiteren kleineren Zellulose-Werken. Auf Initiative des NKWD wurden zusätzlich zu den Programmen, die von der Regierung gebilligt worden waren, dem NKWD auch noch der Bau des weltweit größten Wasserkraftwerks, das von Kuibyschew, unterstellt.

Sabotage und schlechtes Management schossen auf den Baustellen ins Kraut und gingen völlig straffrei durch. Wir beschäftigten uns bald nur noch mit kriegswichtigen Projekten und erlangten dadurch praktisch die Kontrolle über einen wesentlichen Teil der Kriegsproduktion. Das versetzte uns in die Lage, unsere konspirative Tätigkeit nötigenfalls flexibel zu handhaben und verschiedene subversive Maßnahmen zu ergreifen, die dazu beitragen konnten, im Kriegsfall die Niederlage der UdSSR herbeizuführen und uns an die Macht zu bringen.

… Die größte Zahl an Gefangenen befand sich in den Grenzregionen im Fernen Osten. Hier war es für uns sehr leicht, verschiedene wirtschaftliche Aufgaben verteidigungspolitischer Natur zu übernehmen, weil es einen Arbeitskräftemangel gab. Die Lager in den fernöstlichen Regionen befanden sich in der Nähe der Grenzen: Wir schickten dorthin hauptsächlich Gefangene, die wegen Spionage, Sabotage, terroristischer Anschläge und anderer schweren Verbrechen verurteilt worden waren, aber fast gar keine sogenannten ‚normalen‘ Gefangenen.

Auf diese Weise wurde entlang der Grenze im Fernen Osten, direkt im Rücken der Roten Armee, die aktivste und erbitterste konterrevolutionäre Kraft in Stellung gebracht, von der wir voll und ganz für den Fall eines schwierigen Krieges mit Japan Gebrauch machen wollten … Eine große Zahl von Gefangenen, die im Straßenbau tätig waren, wurde auch an unserer westlichen Grenze in der Ukraine, in Weißrussland, im Leningrader Verwaltungsgebiet sowie in der Karelischen ASSR konzentriert.

… Zu unserem konspirativen Plan gehörte es, dass wir für diese Gefangenen, die wegen der schwersten Verbrechen (Spionage und Terrorismus) verurteilt worden waren, die privilegiertesten Verhältnisse schufen, zumal dies auch eine qualifizierte Kraft war, die bei der Leitung von Verwaltungsangelegenheiten und von wirtschaftlichen Arbeiten in den Lagern häufig verwendet werden konnte. In ihren Händen konzentrierte sich auch die kulturelle und Bildungsarbeit in den Lagern. Es ist klar, in welchem Geiste dann erzogen wurde. Schließlich erlaubte dieses in den Lagern errichtete Regime, dass die konterrevolutionären Aktivitäten der Gefangenen oft völlig straflos weitergehen konnten.

In den Lagern der sogenannten 3. Abteilung war die Arbeit so schlecht organisiert und die Lager waren so unzureichend bewacht, dass die Gefangenen die Möglichkeit hatten, ihre eigenen konterrevolutionären Zellen aufzubauen und sich ungehindert treffen konnten. Es gab viele solcher Fälle. Die Zahl der Wachposten in diesen Lagern war sehr begrenzt. Es waren oft unzuverlässige Leute. Die materielle Lage der Soldaten und des kommandierenden Personals waren dürftig, und dann kam noch hinzu, dass die Gefangenen selbst auch noch oft als Wachpersonal eingesetzt wurden. Die Folge dieser so organisierten Sicherheitslage war, dass es in vielen Fällen zu Massenfluchten aus den Lagern kam. Wir taten nicht viel gegen dieses Übel – und das ganz bewusst, und zwar in der Hoffnung, dass die Flüchtigen ihre konterrevolutionäre Aktivität fortsetzen und zu einer Kraft für die Verbreitung aller Art von antisowjetischer Agitation und Gerüchten werden würden.

Mir gelang es, dass eine ganze Reihe von Arbeiten der Verteidigungsindustrie der Leitung des NKWD zugeordnet wurde. Der Grund dafür bestand nicht darin, die Arbeitskraft der Gefangenen auszunutzen. Darunter befanden sich auch das Pawschinski-Werk, die Tuschinski-Fabrik, die Flugzeugmotoren herstellte und andere. Außerdem baute das NKWD eine ganze Reihe neuer Werke aus eigener Initiative auf, die der Kriegsproduktion dienten …“

„Meinen Sie, wir haben Sie hierher bestellt, damit sie im Namen des NKWD über die erfolgreiche Erfüllung des Fünf-Jahr-Plans berichten können? Sie sind ein Bandit, ein Verschwörer, ein Saboteur, ein Terrorist und ein Verräter. Halten Sie sich genau an die Fragen, die Ihnen gestellt werden!“

„Sabotage und schlechtes Management schossen auf den Baustellen völlig straflos ins Kraut.“

„Kann ich mir gut vorstellen bei einem Kommissar wie Sie!“ sagte Rodos lächelnd und setzte seine Notizen fort.

„Es gelang uns, vollständig zur Kriegsproduktion überzugehen, und wir bekamen so einen großen Teil davon unter unsere Kontrolle …“

„Wer ist ‚wir‘?“

„Na ja, unsere Verschwörerung: Ich, Schukowski, Frinowski und andere. Ich habe sie schon aufgeführt.

Dadurch erhielt unsere Organisation die Möglichkeit, für den Fall, dass es für die Erreichung unserer konspirativen Ziele nötig sein würde, zu variieren und unterschiedliche subversive Maßnahmen auszuführen, die zur vollständigen Niederlage der UdSSR in Kriegszeiten und zu unserem Machtantritt beitragen konnten.“

„In welchen Bereichen wurde die subversive Tätigkeit Ihrer Organisation hauptsächlich konzentriert?“

„Die meisten Gefangenen gab es in den fernöstlichen Grenzregionen. Hier war es sehr leicht für uns, verschiedene wirtschaftliche Aufgaben für Kriegszwecke zu übernehmen, weil es an Arbeitskräften fehlte. Die Lager in den fernöstlichen Regionen lagen in der Nähe der Grenzen, und wir schickten dorthin größtenteils solche Gefangene, die wegen Spionage, Sabotage,Terrorismus und anderer schwerer Verbrechen verurteilt worden waren. Wir schickten fast keine ‚normalen‘ Gefangenen dorthin.

Auf diese Weise wurde direkt im Rücken der Roten Armee die aktivste und fanatischte konterrevolutionäre Kraft geschaffen, die wir auf die verschiedenartigste Weise für den Fall von Komplikationen und im Falle eines Krieges mit Japan einsetzen wollten.“

„Haben Sie eigens dafür Ljuschkow dorthin geschickt? Was für Aufträge gaben Sie ihm?“

„Anfang 1937 unterhielt ich mich mit Frinowski, und wir beschlossen, unseren eigenen Mann im Fernen Osten zu haben, durch den wir den Kontakt zum japanischen Geheimdienst unterhalten konnten. Für den Fall eines japanischen Angriffs hatte er den Auftrag, die Konterrevolutionäre aus den Lagern entweichen zu lassen, mit ihrer Hilfe die Waffenlager und den Nachschub der Armee zu beschlagnahmen und sich dann an die Spitze terroristischer und Sabotageaktivitäten im Rücken der Roten Armee zu stellen. Wir beratschlagten darüber und beschlossen dann, Ljuschkow dafür zu verwenden, den ich bereits 1936 für unsere Organisation angeworben hatte. Danach zog ich ihn aus der Asowo-Tschernomorki-Region ab und machte ihn zum Chef des NKWD für die Fernostregion.“

„In welchen anderen Gebieten haben Sie ähnliche Zentren der Spionage und Sabotage geschaffen?“

„Wir taten dies auch an den westlichen Grenzen der UdSSR. Eine beträchtliche Zahl unserer Gefangenen wurde an unseren westlichen Grenzen in der Ukraine, in Weißrussland, im Raum Leningrad und in der Karelischen ASSR konzentriert.“

„Im Leningrader Raum sowie in Karelien war Litwin Ihr Mann dort?“

„Ja. Wir schickten ihn Anfang 1938 anstelle von Schukowski dorthin, dem ich nicht ganz vertrauen konnte.“

„Und in der Ukraine?“

„Dort erhielt Uspenski alle Aufträge, darunter den Auftrag, den Kontakt mit dem polnischen und deutschen Geheimdienst herzustellen. Deshalb machte ich ihn zum Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der Ukraine.“

„Wann wurde er von Ihnen angeworben?“

„Anfang 1937. Er kam aus Nowosibirsk nach Moskau, bevor er zum Chef des UNKWD für den Raum Orenburg ernannt wurde. Ich wusste, dass Uspenski antisowjetisch und parteifeindlich eingestellt war, und deshalb stimmte er sofort zu, bei uns zu arbeiten.“

„Boris Berman schickten Sie nach Weißrussland? Wussten Sie, dass er ein deutscher Spion war?“

„Ja. Artnau hatte mir erzählt, dass er kurz nachdem ich Volkskommissar für Innere Angelegenheiten geworden war, angefangen hatte, für den deutschen Geheimdienst zu arbeiten. Er war Anfang der dreißiger Jahre angeworben worden, als er sich als sowjetischer Bürger in Deutschland aufhielt. Ich stellte sofort Spionagekontakte zu ihm her. Er war damals stellvertretender Leiter des INO. 1937 schickte ich ihn nach Weißrussland und machte ihn zum Volkskommissar für Innere Angelegenheiten. Dort traf er sich mit deutschen Agenten und erhielt Aufträge und Anweisungen.“

„Das bedeutet, dass Ihre weitverzweigte Spionageorganisation im Falle eines Angriffs auf die UdSSR durch Japan und Deutschland nicht nur in Moskau die Macht ergreifen konnte, sondern auch in den Grenzregionen, um so den Invasoren Tür und Tor zu öffnen. Habe ich das richtig Ihren Geständnissen entnommen?“

„Ja, das war genau das, was wir geplant hatten. Es ist zwecklos es abzustreiten.“

„Sagen Sie: Wurde die konterrevolutionäre Arbeit von Ihnen durch Ihre Bundesgenossen in den Lagern deshalb organisiert, um dort Stützpunkte für Sabotage und antisowjetische Aktivitäten zu errichten?“

„In den Lagern war die Arbeit der sogenannten 3. Abteilung so schlecht organisiert und die Lager waren so schlecht bewacht, dass die Gefangenen die Möglichkeit hatten, ihre eigenen konterrevolutionären Gruppen aufzubauen und sich mühelos mit anderen zu treffen. Derlei Erscheinungen gab es viele. Das Wachpersonal war äußerst begrenzt und bestand aus unzuverlässigen Leuten; die materielle Situation der Soldaten und des Leitungspersonal war sehr schlecht, und hinzu kam noch, dass die Gefangenen selbst als Wachpersonal verwendet wurden. Die Folge dieser Desorganisation war, dass es häufig zu Massenausbrüchen kam. Wir duldeten dieses Übel ganz bewusst, in der Hoffnung, dass die Geflohenen außerhalb der Lager ihre konterrevolutionäre Tätigkeit fortsetzen und zu einer Kraft werden würden, die jede Art von antisowjetischer Agitation und Gerüchten verbreiten helfen würden …“ (Rodos‘ Telefon klingelt).

Rodos: „Ich muss sofort weg. Ich werde um vier Uhr wieder da sein. Wir werden die Vernehmung morgen fortsetzen, und Sie werden sich daran erinnern, welche Art von Sabotage Sie mit Ihren Bundesgenossen zusammen in den Wirtschaftseinrichtungen des NKWD durchführten.“

Jeschows Vernehmung am 3. August 1939 durch Rodos

s. Poljanski, 280-284

„Die ganz überwiegende Zahl von Gefangenen waren sogenannte ‚üble Verweigerer‘ – also in der Regel Leute, die die Arbeitsnormen nicht erfüllt hatten, was für sie bedeutete, dass sie ganz gezielt nur äußerst dürftig verpflegt wurden, was wir auch aus Sabotagegründen taten. Dieser Umstand sowie eine ganze Reihe anderer subversiver Maßnahmen machte es notwendig, immer mehr Gefangene nach Kolyma zu verlegen. Die Regierung gab jedes Jahr enorme Mittel für die Entwicklung von Kolyma aus – Hunderte von Millionen Rubel. Wenn diese Mittel vernünftig angelegt worden wären, hätte der Bergbau in den reichen Gruben von Kolyma stark mechanisiert werden können. Diese Mechanisierung hätte nicht nur die Notwendigkeit entfallen lassen, große Mengen an Gefangenen nach Kolyma zu verlegen und sie mit enormen Mengen an Lebensmitteln und anderen Dingen versorgen zu müssen, sondern hätte auch der Gewinnung von Metallen gedient und die Kosten dafür beträchtlich senken können.

Mittlerweile wurde die Mechanisierung auch durch Sabotage verzögert, und die gesamte Förderung von Erzen basierte weiter auf manueller Arbeit. Dies hatte zur Folge, dass schon 1938 mehr als 100.000 Gefangene nach Kolyma kamen. Die gesamte Gegend von Kolyma ist aber nicht nur reich an Gold, sondern auch an anderen Metallen. Es gibt dort zum Beispiel riesige Kohlelager und andere Arten von Brennstoffen. Selbst bei vorsichtiger wirtschaftlicher Herangehensweise an die Sache, wäre es möglich gewesen, ohne große Schwierigkeiten die Nachfrage in Kolyma nach Kohle und sogar Öl ohne die kostspieligen Transporte aus dem europäischen Teil der UdSSR zu befriedigen. Aber diese Kohlevorräte werden überhaupt nicht ausgebeutet. In Kolyma wäre es fraglos möglich, die Einfuhren selbst von Sprengstoffen und der einfachsten Ausrüstung zu beenden, die jedes Jahr in großen Mengen herangefahren werden. Zu diesem Zweck wäre es notwendig, in Kolyma ein ganz simples Werk bescheidener Größe zu errichten oder Werkstätten, die die einfachste Ausstattung oder Ersatzteile selbst herstellen könnten, weil fast sämtliche Rohmaterialien dafür dort existieren.

Schließlich könnte man die Einfuhr von Lebensmitteln beträchtlich verringern. Das wäre in Kolyma ohne weiteres möglich, wo man die Herstellung von Fleisch, Fisch und sogar Gemüse entwickeln könnte. All diese Möglichkeiten wurden von uns ganz bewusst vernachlässigt, so dass die Versorgung des Ortes voll und ganz dem Staat aufgebürdet wurde.

Ich habe bereits erwähnt, dass die Region von Kolyma, aber auch die goldreichen anderen Regionen reiche Vorkommen an einer ganzen Reihe seltener Erze aufweisen. So gibt es dort Zinn, Antimon, Kupfer, Glimmer und andere industriewichtige Erze. Diese extrem wichtigen Erze, die eine enorm wichtige Bedeutung für die Volkswirtschaft und Verteidigung haben, werden überhaupt nicht abgebaut bzw. werden nur in ganz kleinen Mengen gefördert, wie zum Beispiel Zinn, obwohl es in Kolyma alle Möglichkeiten gibt, dort Produktionsstätten für den Abbau dieser Erze - nicht nur von Gold - zu errichten, zumal die Regionen mit diesen Vorkommen ganz in der Nähe sind.

Für die gleichzeitige Gewinnung dieser Erze zusammen mit der Goldgewinnung und der anderer Edelmetalle, die es dort in unmittelbarer Nähe gibt, wäre es möglich, ein einheitliches, energetisches und mechanisches Produktionszentrum aufzubauen, um so auch die Kosten für die Gewinnung von Gold und anderer seltener Metalle erheblich zu verringern. Aber diese Fragen wurden von uns ganz bewusst aus Sabotagegründen ausgeklammert, und wurden der Regierung noch nicht einmal vorgetragen.“

„Welche Rolle spielten dabei die ausländischen Geheimdienste, mit denen Sie kollaborierten?“

„Sie wussten natürlich, was wir taten, und bestärkten uns in jeder Weise bei unserer subversiven Arbeit. Aber soweit ich weiß gaben sie uns keine besonderen Aufträge, weil ihnen klar war, dass wir am besten wissen mussten, wo wir am sinnvollsten unsere Sabotage konzentrieren konnten.“

„Benennen Sie die konkreten Einrichtungen, wo Sabotage Ihren Anweisungen entsprechend ausgeführt wurde!“

„Der Bau der Uchto-Petschersk-Straße besaß eine entscheidende Bedeutung für die Gewinnung von Kohle, Öl und anderen wertvollen Erzeugnissen, ohne die die wirtschaftliche Entwicklung der nördlichen Region insgesamt unmöglich ist. Wir verzögerten den Bau dieser Straße bewusst und in jeder Weise unter verschiedenen Vorwänden, und die zugewiesenen Ressourcen wurden auf viele Arbeitsbereiche verteilt, so dass die Wirkung verpuffte. Die Verzögerung jener Straße wird meistens damit erklärt, dass es eine unzureichende Planung gab, die das Kommissariat für Straßen und Eisenbahnlinien nicht vorlegte. Aber die Saboteure innerhalb des GULAG und im Kommissariat für Straßen und Eisenbahnen organisierten mit unserer Hilfe eine nicht enden wollende Auseinandersetzung über die Wahl der Richtung der Straßen, was inzwischen schon lange andauert, so dass die Planung und die Forschungsarbeiten bis heute in verschiedenen Sektoren noch nicht einmal begonnen haben. Schließlich war es wichtig, unsere Ressourcen nicht an zu vielen Arbeitsfronten zu zersplittern, sondern sie auf die entscheidenden Abschnitte für den Export der Produktion zu konzentrieren. Und gerade der Bau der Uchto-Petschersk-Straße hätte strikt auf verschiedene Stadien aufgeteilt werden müssen. Auf das erste Stadium hätte man alle Kräfte und Ressourcen konzentrieren sollen, um den Bau des Workuta-Abes-Abschnitts fertigzustellen, um Kohle ausführen zu können. Aber wir konnten das verhindern, weil alle Entscheidungen dafür in meiner Hand lagen. Auch der Bau des Abschnitts von den ölreichen Gebieten von Uchta bis hin zu Kotelnitsch hätte in Angriff genommen werden müssen, und diese Arbeiten hätten aus zwei Richtungen, von Kotelnitsch und von Uchta aus vorgenommen werden müssen. Erst im letzten Stadium hätten jene Abschnitte fertiggestellt werden sollen, die das kohlereiche Workuta-Gebiet mit den ölträchtigen Uchta-Regionen verbunden und auf diese Weise in zwei Richtungen die Ausfuhr von Kohle und Öl erlaubt hätten. Aber wegen unserer Sabotage wurde nichts von uns aus in dieser Richtung unternommen.“

„Welche Art von subversiver, Spionage- und Sabotagetätigkeit führten Sie im GULAG selbst durch?“

„ Wir verstanden, dass die Ausweitung der wirtschaftlichen Aufgaben des NKWD zu einer Verschlechterung unserer grundlegenden operativen Arbeit führen musste. Wir schlugen vor, das System von Lagern weithin zu nutzen und in sie die kompromittierten NKWD-Mitarbeiter zu schicken. Das waren nicht nur Trunkenbolde, Faulpelze und Taugenichtse. Darunter waren Leute mit einer trotzkistischen Vergangenheit, Rechte, die mit Bucharin sympathisierten oder Leute von Jagoda. Tatsächlich wurden alle von uns angeworben, und indem wir sie in den GULAG brachten, gaben wir ihnen zu verstehen, dass wir Belastendes gegen sie besaßen, das jederzeit gegen sie verwendet werden konnte. Auf diese Weise schufen wir eine besondere Reserve von Leuten, die jede beliebige konspirative Arbeit auszuführen bereit waren.

Aber auch ohne diese Leute gab es viele antisowjetische Elemente im GULAG. Die konspirative Leitung des GULAG blieb aus praktischen Gründen erhalten. Zu dem Zeitpunkt, als ich in das NKWD kam, stand an der Spitze des GULAG ein Verschwörer aus Jagodas Gruppe, Matwei Berman – Boris Bermans älterer Bruder. Er hatte gerade eine große antisowjetische Gruppe aufgebaut, die meist hohe Positionen im GULAG bekleidete. Darunter waren sehr viele Trotzkisten, Sinowjew-Anhänger, also Rechte, und es war leicht, sie auf unsere Seite zu ziehen, als Berman wegging und der GULAG von Rykow geleitet wurde. Er gehörte zu jenen Verschwörern, die auf meine Initiative hin diesen Posten erhalten hatten, um im GULAG Sabotageaufträge auszuführen. Und nachdem er abgezogen und zum Kommissariat für Forstwirtschaft bestellt wurde, wurde der GULAG von dem Spion Schukowski geleitet, der mit mir verbunden und gleichzeitig mein Stellvertreter war.

Im Sommer 1938 machte mich das Zentralkomitee der Partei mehr als einmal darauf aufmerksam, dass ich von suspekten Leuten umgeben sei, die mit mir zusammen in das NKWD gekommen waren. Im ZK wurde die Frage der Absetzung von Zejarski erörtert. Man schlug mir vor, Shapiro, Schukowski und Litwin von der Arbeit zu entbinden. Das machte mich hellhörig, weil ja all diese Leute meine Bundesgenossen waren, was nur bedeuten konnte, dass irgendetwas in der Partei über die Verschwörung bekannt geworden war. Um meine antisowjetischen Aktivitäten irgendwie zu tarnen, musste ich die Forderungen des ZK billigen, und ich beschloss, Schukowski ohne großes Federlesens in die Wüste zu schicken – hin aufs Land. Ich versuchte es, aber es gelang mir nicht, weil zu dieser Zeit Berija schon seinen Dienst im NKWD angetreten hatte. Schukowski wurde dann verhaftet, anstatt, wie von mir geplant, Direktor des Ridder Buntmetall-Kombinats zu werden.“

Jeschows Geständnis vom 4. August 1939 (getrennt veröffentlicht)

Quelle: Nikita Petrow, Mark Jansen. „Stalinskii pitomets“ (stalinistischer Zögling - Petrow vertritt das Anti-Stalin-Paradigma und versucht, den Spion, Saboteur und Putschisten Jeschow in die Nähe von Stalin zu bringen – Üb.)

Der reaktionäre Herausgeber dieses Vernehmungsprotokolls, Nikita Petrow, Forscher bei der extrem antikommunistischen Gesellschaft ‚Memorial‘, einer Gruppe von Lügnern, hat etwa acht Seiten des Vernehmungsprotokolls, in dem Jeschow detailliert zu seiner Verschwörungsarbeit Stellung nimmt, weggelassen. P. glaubt nicht an so etwas, also lässt er es weg! – GF).

Nr. 21. Aus der Niederschrift der Vernehmung des Angeklagten Jeschow, Nikolai Iwanowitsch

‚4‘. August 1939

Jeschow, N. I., geb. 1895

Ehemaliges Mitglied der Allunionskommmunistischen Partei (Bolschewiki) seit 1917

Vor der Verhaftung: Volkskommissar für Flussschifffahrt der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

Frage: Die Untersuchungskommission ist sich bewusst, dass Sie die Massenoperationen, die vom NKWD der UdSSR in den Jahren 1937-1938 gegen ehemalige Kulaken, konterrevolutionäre Geistliche, Kriminelle und Flüchtlinge aus verschiedenen Nachbarstaaten der UdSSR durchgeführt wurden, nutzten, um Ihr antisowjetische Verschwörung voranzutreiben.

In welchem Umfang entspricht dies der Wahrheit?

Antwort: Ja, dies entspricht vollkommen der Wahrheit.

(Dokumentenlücke: Weglassung von acht Protokollseiten durch Nikita Petrow von ‚Memorial‘, siehe oben – Üb.)

Frage: Sind Sie der Meinung, dass Sie Ihre provokatorischen und konspirativen Ziele mit Hilfe der Massenoperationen erreichen konnten?

Antwort: Die ersten Ergebnisse der Massenoperation kamen für uns Verschwörer völlig unerwartet. Sie verursachten nicht nur keine Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der strafenden Politik der Sowjetmacht, sondern im Gegenteil, führten zu einem politischen Aufschwung der Zustimmung, besonders auf dem Lande. Wir beobachteten eine große Zahl von Fällen, wo die Kolchosarbeiter von sich aus zum UNKWD oder zu den regionalen Abteilungen des UNKWD kamen, mit der Bitte, den einen oder den anderen flüchtigen Kulaken, Weißgardisten, Händler usw. zu verhaften.

In den Städten gingen die Fälle von Raub, Messerstechereien und Rowdytum zurück – besonders in den Arbeitervierteln.

Es war ganz offensichtlich, dass das Zentralkomitee der Allunionskommunistischen Partei, Bolschewiki, zu Recht und rechtzeitig beschlossen hatte, diese Maßnahmen durchzuführen. Trotz der provokatorischen Maßnahmen, mit denen wir diese Massenoperation ausführten, trafen sie bei der arbeitenden Bevölkerung auf wohlwollende Unterstützung.

Frage: Hat Sie das veranlasst, ihre abscheulichen Ziele aufzugeben?

Antwort: Das kann ich nicht sagen. Im Gegenteil: Wir Verschwörer nutzten die Lage, um die Massenoperationen auf jede Weise auszuweiten. Letztendlich gelang es uns, unsere provokatorischen Maßnahmen zur Verwirklichung unserer verräterischen konspirativen Pläne zu intensivieren.

Frage: Wie gelang es Ihnen, die Sympathie der arbeitenden Bevölkerung mit der Repression gegen Kulaken, konterrevolutionäre Geistliche und Kriminelle für die Durchsetzung der Ziele Ihrer Verschwörung zu nutzen?

Antwort: Als in den Provinzen die sogenannten ‚Grenzen‘ für die Repression von ehemaligen Kulaken, Weißgardisten, konterrevolutionären Geistlichen und Kriminellen ausgeschöpft waren, stellten wir, die Verschwörer, und ich ganz besonders, die Regierung vor die Frage, dass es notwendig sei, die Dauer der Massenoperationen zu verlängern sowie die Zahl der Verhafteten zu erhöhen.

Um die Notwendigkeit für eine Verlängerung der Massenoperationen zu beweisen, behaupteten wir, dass die Kolchosen auf dem Lande und die Fabriken in den Städten stark von konterrevolutionären Elementen infiziert seien und betonten das Interesse der arbeitenden Menschen in Stadt und Land an diesen Maßnahmen.

Frage: Ist es Ihnen gelungen, einen Regierungsbeschluss zur Verlängerung der Massenoperationen zu erlangen?

Antwort: Ja. Wir erreichten eine Verlängerung der Massenoperationen und eine Erhöhung der Zahl der Verhafteten.

Frage: Was haben Sie unternommen? Haben Sie die Regierung getäuscht?

Antwort: Für uns war es zweifellos wichtig die Massenoperationen zu verlängern und die Zahl der Verhafteten zu erhöhen.

Es war nötig, die Zeitspanne für diese Maßnahmen auszuweiten und eine realistische und präzise Planung vorzunehmen, um in der Lage zu sein, unseren Schlag direkt gegen die für uns gefährlichsten Elemente zu führen.

Die Regierung hatte verständlicherweise keine Vorstellung von unseren konspirativen Plänen und entschied einzig auf der Grundlage der Notwendigkeit der Verlängerung der Operationen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie sie ausgeführt wurden.

In diesem Sinne haben wir die Regierung natürlich ganz eindeutig hinters Licht geführt.

Frage: Gab es irgendwelche Warnungen vonseiten örtlicher NKWD-Mitarbeiter oder aus der Bevölkerung über die Auswüchse, die es bei der Durchführung von Massenoperationen gab?

Antwort: Es gab sehr viele Warnungen aus den Reihen der einfachen UNKWD-Mitarbeiter, was diese Auswüchse betraf. Es gab sogar noch häufiger Warnungen aus der Bevölkerung. Wir unterdrückten jedoch diese Warnungen, sowohl beim UNKWD als auch im zentralen Hauptquartier des Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten, und häufig verhafteten wir die Arbeiter, von denen diese Warnungen kamen.

Frage: Wie gelang es Ihnen, diese Warnungen über die Auswüchse, die von örtlichen Arbeitern und aus der Bevölkerung kamen, zu unterdrücken?

Antwort: Das gelang uns relativ einfach in Anbetracht der Tatsache, dass sämtliche Führungspositionen von Verschwörern besetzt waren. Im Zentrum konzentrierte sich die ganze Angelegenheit, die Massenoperationen betreffend, voll und ganz in den Händen der Verschwörer. Viele örtliche Abteilungen des NKWD wurden auch von Verschwörern kontrolliert, die genauestens über unsere konspirativen Pläne im Bilde waren.

Was diese Fragen anging, sorgten wir aus dem Zentrum der Verschwörung dafür, dass alle Leiter von UNKWD-Abteilungen auf örtlicher Ebene angehalten wurden, die Massenoperationen auszuweiten und ihren provokatorischen Charakter zu intensivieren.

Das ging so weit, dass sie sich schließlich an die Tatsache gewöhnten, dass die Massenoperationen die einfachste Form der operationellen Arbeit darstellten und dies umso mehr, als die Operationen ohne jede Aufsicht vorgenommen werden konnten und ohne jede Möglichkeit, dagegen vor Gericht vorzugehen.

Frage: Nachdem es Ihnen gelungen war, die Massenoperationen zu verlängern, erreichten Sie dann das gesetzte Ziel der Verschwörerung, durch die Strafmaßnahmen der Sowjetmacht Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu schüren?

Antwort: Ja. Als es uns gelungen war, die Massenoperationen über mehrere Monate hinaus zu verlängern, schafften wir es schließlich in einer ganzen Reihe von Gebieten, Unverständnis und Unzufriedenheit mit der repressiven Politik der Sowjetmacht in verschiedenen Schichten der Bevölkerung zu schüren.

Frage: In welchen Gebieten ist es Ihnen in besonderem Umfang gelungen, Ihre verschwörerischen Pläne zu verwirklichen und wie äußerte sich das?

Antwort: Besonders in Regionen wie der Ukraine, Weißrussland, in den zentralasiatischen Gebieten, in Bezirken wie Swerdlowsk, Tscheljabinsk, West Sibirien, im Raum Leningrad, in den westlichen Bezirken, in Rostow, im Bezirk Ordschonikidze sowie in der fernöstlichen Region. Das lässt sich in erster Linie vielleicht dadurch erklären, dass unsere Arbeit sich besonders auf diese Gebiete konzentrierte sowie dadurch, dass fast alle Vorsitzenden der UNKWD-Abteilungen in diesen Gebieten Verschwörer waren.

In all diesen Gebieten gab es eine größere Zahl von antisowjetischen Repressionen gegen im Grunde unschuldige Menschen als in anderen, was zu einer berechtigten Unzufriedenheit in der arbeitenden Bevölkerung führte.

Frage: Machen Sie genauere Angaben über jeden Bezirk gesondert und geben Sie an, was Sie über die provokatorischen Methoden der Repression, die ganz bewusst ausgeführt wurden, wissen!

Antwort: Ich fange mal mit der Ukraine an. Das Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten der UdSSR wurde anfangs von Leplewski geführt – ein Mitglied der antisowjetischen Organisation der Rechten, dann von Uspenski, einen von mir angeheuerten Verschwörer. Die Massenoperationen hatten unter Leplewski angefangen, jedoch war Uspenskis Anteil an den Repressionen keinesfalls geringer.

Frage: Wusste Leplewski von Ihren geheimen Plänen?

Antwort: Nein. Er konnte kaum etwas von unseren tatsächlichen konspirativen Plänen wissen. Auf jeden Fall habe ich ihn selbst nicht für unsere Verschwörerung angeworben und habe ihn auch nicht darüber informiert, die Massenoperationen in einer provokatorischen Weise durchzuführen. Keiner der führenden Verschwörer erzählte mir, dass er mit Leplewski innerhalb der Verschwörung verbunden war.

Bei der Ausführung der Massenoperationen ging Leplewski wie die meisten anderen Vorsitzenden der UNKWDs, die keine Verschwörer waren, so vor, dass sie möglichst breit gestreut wurden, während man gleichzeitig die fanatischten und aktivsten Organisatoren unter den Kulaken, Weißgardisten, Petljurowisten, konterrevolutionären Geistlichen, usw. fast gänzlich verschonte. Gleichzeitig konzentrierte er die ganze Kraft seiner Repressionen gegen die weniger aktiven Elemente und sogar teilweise gegen jenen Teil der Bevölkerung, der der Sowjetmacht nahestand.

Frage: Wusste Uspenski von Ihren konspirativen Absichten, die Massenoperationen in einer provokativen Weise auszuführen?

Antwort: Ja, Uspenski war vollständig informiert über unsere geheimen Pläne, und ich informierte ihn darüber selbst. Ich gab ihm auch eigene Aufträge, was diese Sache betraf. Das Ergebnis war, dass Uspenski nicht nur Leplewskis Sabotagepraxis weiterführte, sondern sie sogar noch beträchtlich ausweitete.

Nach meiner Ankunft in der Ukraine erhielt Uspenski zusätzliche ‚Kontingente‘, und auf meine Anweisung hin, begnügte er sich nicht nur mit der Repression gegen Kulaken, Geistliche und Kriminelle, sondern weitete die Kategorien aus auf Nationalisten, ehemalige Kriegsgefangene und andere.

Er drang in meiner Anwesenheit sogar darauf, dass wir die Kategorie dieser Personen auf sämtliche ehemaligen Parteimitglieder ausweiten sollten. Ich verbat ihm aber nur auf einer solchen Grundlage allein Leute zu verhaften, weil das eine zu offensichtliche und offenkundige Provokation gewesen wäre.

Frage: Was war das Ergebnis der Sabotage und der provokativen Praxis bei der Ausführung der Massenoperation?

Antwort: Ich muss sagen, dass die ganze Stoßrichtung der Massenoperation im ukrainischen Gebiet in vielerlei Hinsicht in einer provokatorischen Weise durchgeführt wurde und einen bedeutenden Teil jener Schichten der Bevölkerung betraf, der der Sowjetmacht nahestand.

All dies verursachte Verwirrung und Unzufriedenheit unter den arbeitenden Menschen in vielen Regionen der Ukraine. Die Unzufriedenheit war besonders stark in den Grenzregionen ausgeprägt, wo es noch Familien von Verhafteten gab.

Das NKWD der UdSSR und der Generalstaatsanwalt erhielten viele Warnungen aus den Bezirken der Ukraine. Aber niemand reagierte in irgendeiner Weise darauf. Diese Warnungen wurden aber dem Zentralkomitee der Partei und der Regierung verheimlicht.

Frage: Wissen Sie darüber Bescheid, wie sich diese Unzufriedenheit in der Bevölkerung konkret äußerte?

Antwort: Natürlich kenne ich nicht alle Fakten. Ich wusste davon nur aus den Berichten von Uspenski.

Aus dem, was er erzählte, nahmen die Fluchten über die polnisch-ukrainische Grenze zu als Ergebnis des provokatorischen Verhaltens der Massenoperationen. Die Familien der Verhafteten wurden dann aus den Kolchosen ausgewiesen, und dann kam es zu Raubüberfällen, Brandstiftungen und Diebstählen. Es gab sogar einige terroristische Anschläge gegen Arbeiter in den Dorfsowjets und in den Kolchosen. Nicht nur die Familien der Verhafteten, sondern auch die normalen Kolchose-Mitglieder fingen an, Beschwerden zu schreiben.

Die Unzufriedenheit mit den Strafmaßnahmen war so groß, dass örtliche Parteiorganisationen anfingen, darauf zu bestehen, dass alle Familien von Personen, die verhaftet worden waren, aus der Ukraine ausgesiedelt und anderswo angesiedelt werden sollten.

Das waren in groben Zügen die Ergebnisse der provokativen Ausführung der Massenoperationen in der Ukraine.

Wir waren in der gleichen Weise auch in Weißrussland erfolgreich.

Damals, als die Massenoperationen stattfanden, war B. Berman Vorsitzender des NKWD Weißrusslands.

Frage: War Berman Mitglied der konspirativen Organisation im NKWD?

Antwort: Berman war nicht Mitglied. Aber Frinowski, Belski und ich wussten ab Anfang 1938, dass er ein aktives Mitglied in Jagodas antisowjetischer Verschwörergruppe war.

Wir hatten nicht vor, Berman in unsere Gruppe hineinzuziehen. Er war zu der Zeit schon ziemlich entlarvt und konnte jeden Moment verhaftet werden. Aber wir verzögerten seine Verhaftung. Dafür arbeitete Berman, der Angst vor der Verhaftung hatte, sehr eifrig. Ich brauchte ihm nur allgemeine Direktiven zu erteilen, dass Weißrussland schlimm infiziert sei und dass es notwendig sei, es gründlich zu säubern und sofort führte er die Massenoperationen ähnlich erfolgreich durch wie dies Uspenski tat.

Frage: Mit welchen Resultaten?

Antwort: Er forderte unablässig eine Heraufsetzung der ‚Grenzen‘, und Uspenskis Beispiel folgend, packte er ‚Nationalisten‘ in die Kategorie derjenigen, die der Repression unterliegen sollten, nahm völlig unbegründete Verhaftungen vor, schürte auch die Unzufriedenheit in den Grenzregionen Weißrusslands und ließ die Familien der Verhafteten dort, wo sie waren.

Es gab dort sogar noch häufiger Warnungen an das NKWD und die Staatsanwaltschaft als in der Ukraine, die die Unzufriedenheit in der Bevölkerung in den Grenzregionen Weißrusslands zum Ausdruck brachten. Wir ignorierten sie, kümmerten uns nicht um sie und verbargen sie vor dem Zentralkomitee und der Regierung.

Frage: Wie war die Lage in den anderen Bezirken, die Sie aufzählten?

Antwort: In den anderen Bezirken, die ich aufzählte, erreichten wir ähnliche Resultate, und auch hier gelang es uns, in gewissen Schichten der Bevölkerung Unzufriedenheit zu erzeugen.

Die Resultate unterschieden sich nur wegen der Art und Weise der Ausführung der Massenoperationen, worüber ich später berichten werde.

Ich brauche nur auf einige Ergebnisse dieser Massenoperationen speziell in den fernöstlichen Regionen, im Donbass oder in den zentralasiatischen Republiken zu verweisen.

Frage: Weshalb ist es für Sie wichtig, die Ergebnisse der provokatorischen Ausführung der Massenoperationen in den fernöstlichen Regionen, dem Donbass und den zentralasiatischen Republiken für sich zu betrachten?

Antwort: Weil wir diesen Regionen eine sehr große Bedeutung beimaßen, weil sie Möglichkeiten für Sabotage und provokatorische Massenoperationen boten.

Wir gingen davon aus, dass wir in diesen Regionen, die weit vom Zentrum lagen und in denen es nur schwache Parteiorganisationen gab, in der Lage sein würden, unsere provokatorischen Methoden entschiedener und ohne irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen anzuwenden, und dass wir gleichzeitig in der Lage sein würden, greifbare Resultate unserer Verschwörerarbeit zu erzielen. Wir sagten ganz offen, dass wenn wir die Operationen kühn und beherzt ausführen würden, wir erreichen könnten, den Ausstoß von Kohle im Donbass oder die Aussaat und Ernte von Baumwolle in Zentralasien zu reduzieren, und dass es hier am leichtesten sein würde, die Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu schüren.

Das waren die einzigen Überlegungen, und deswegen wurde auch mein Stellvertreter und Mitverschwörer im NKWD, Belski, dem ich die Leitung bei der Ausführung der Massenoperationen übertragen hatte, in die Donbass-Region und nach Zentralasien geschickt.

Frage: Was war das Ergebnis von Belskis Reise?

Antwort: Belski instruierte die örtlichen Kommissare für Innere Angelegenheiten in den zentralasiatischen Republiken in diesem Sinne, und nahm selbst Massenrepressionen in den zentralasiatischen Republiken und im Donbass vor und bewies damit, dass er unsere konspirative Arbeit voll und ganz unterstützte.

Zum Beispiel führte seine Aktion (sprich Massensäuberungsaktion – Üb.) zu Unzufriedenheit mit der repressiven Politik der Sowjetmacht unter den Arbeitern im Donbass, zu Auflösungserscheinungen bei der Arbeiterschaft dort und zu einem Rückgang der Kohleproduktion.

In den zentralasiatischen Republiken und besonders in Turkmenistan rief das NKWD, das von einem Verschwörer geleitet wurde, der von Belski angeworben worden war – Kandakow, hieß er wohl, aber ich kann mich jetzt nicht genau an seinen Namen erinnern – große Unzufriedenheit und Unruhe hervor. Der Wunsch auszuwandern nahm zu, und es gab viele Fälle von organisierten illegalen Grenzüberschreitungen von großen Gruppen von Personen.

Frage: Sie nannten die fernöstlichen Regionen, die Sie zu den Regionen zählten, in denen Sie Ihre Arbeit besonders konzentrieren wollten. Berichten Sie davon, welches die Ergebnisse der provokatorischen Führung der Massenoperationen in diesen fernöstlichen Regionen waren!

Antwort: Ich sah es als äußerst wichtig an, der provokativen Führung der Massenoperationen dort besondere Aufmerksamkeit zu widmen – nicht nur wegen der Wichtigkeit dieser Gebiete, sondern auch wegen der besonderen Aufträge, die Frinowski bei seiner Reise in den Fernen Osten im Juni 1938 erhielt.

Frage: Was waren das für besondere Aufträge, die Frinowski erhielt?

Antwort: Ich denke da an die Aufgabe, die Massenoperationen gegen die ehemaligen Kulaken, konterrevolutionären Geistlichen, Weißgardisten u.a. auf provokatorische Weise zu führen.

Frage: Aber kann es nicht sein, dass im Juni 1938 diese Operation im Fernen Osten immer noch nicht vollständig abgeschlossen war?

Antwort: Doch, sie war dort abgeschlossen. Wir hatten jedoch mit Frinowski vereinbart, dass er nach seiner Ankunft im Fernen Osten ein Telegramm schicken sollte, mit der Bitte, die ‚Grenzen‘ für die Zahl der zu verhaftenden Personen zu erhöhen, wobei er als Grund dafür angeben sollte, dass der Ferne Osten stark mit konterrevolutionären Elementen infiziert sei, die man noch gar nicht angerührt hatte.

Frinowski tat dies. Er kam dort an, und nach ein paar Tagen fragte er an, die Grenzen für 15.000 weitere Personen anzuheben, wofür er die Erlaubnis erhielt. Für die Fernost-Region mit ihrer geringen Bevölkerungszahl war dies eine große Zahl.

Frage: Warum fanden Sie es nötig, die Massenoperationen im Fernen Osten zu erhöhen?

Antwort: Wir betrachteten dies als die einfachste und effektivste Form von Sabotage, die sehr schnell unter der Bevölkerung zu Unzufriedenheit führen konnte. Weil damals die Lage im Fernen Osten ziemlich angespannt war, beschlossen wir, sie weiter durch die provokative Verlängerung der Massenoperationen zu verschlimmern.

Frage: Mit welchen Ergebnissen?

Antwort: Als Frinowski von seiner Fernost-Tour wieder zurück war, berichtete er mir, dass die Operation ein voller Erfolg gewesen sei, die er den provokatorischen Plänen der Verschwörung entsprechend ausgeführt hatte - vor allem in Anbetracht der komplizierten und zugespitzten Situation, die durch den Konflikt mit Japan entstanden war.

Frage: Wir sind an konkreten Fakten interessiert. Was hat Frinowski Ihnen konkret berichtet in diesem Zusammenhang?

Antwort: Frinowski zufolge sei die Verlängerung der Massenoperation genau zum richtigen Zeitpunkt erfolgt. Er erweckte den Eindruck, dass er die antisowjetischen Elemente im Fernen Osten gründlich weggesäubert habe und dass er tatsächlich erfolgreich die Operation so ausgeführt hatte, dass die aktiven und führenden Kader der Konterrevolution und der Verschwörer davon verschont blieben.

Frinowski konzentrierte den Hauptschlag der Operation auf solche Bevölkerungsschichten, die der Sowjetmacht ganz nah standen sowie auf passive, deklassierte Elemente, und war so in der Lage gewesen, einerseits berechtigte Unzufriedenheit in der Bevölkerung vieler Gebiete der Fernost-Region zu erzeugen, andererseits aber die organisierten und aktiven Kader der Konterrevolution zu verschonen.

Besonders brüstete er sich damit, dass von einem formalen Standpunkt aus gesehen, niemand ihm einen Vorwurf machen konnte, was die Führung der Operation anging. Er säuberte Anhänger von Koltschak weg, Anhänger von Kapeljew sowie solche von Semjonow, die größtenteils aus älteren Männern bestanden und deswegen nicht nach China, in die Mandschurei oder nach Japan ausgewandert waren, obwohl sie Gelegenheit dazu hatten. Scherzend nannte er die Operation im Fernen Osten die ‚Starikow-Operation‘ (starík = alter Mann).

Frage: Sie sprechen von den Massenoperationen, die in jenen Gebieten ausgeführt wurden, auf die Sie sich konzentrieren wollten. Aber waren die Dinge in anderen Gebieten wirklich günstiger, und dennoch wandten sie dort nicht Ihre Sabotage und provokativen Praktiken an?

Antworten: Sie waren nicht besser in anderen Gebieten. Aber dort war das Kontingent der Verhafteten kleiner, so dass die Auswirkungen unserer Provokation auf die Bevölkerung nicht so deutlich zum Tragen kamen.

Ich habe jetzt, allgemein gesprochen, alles zur Frage des provokativen Führens von Massenoperationen in Bezug auf ehemalige Kulaken, konterrevolutionäre Geistliche und Kriminelle ausgesagt. Ich kann es noch konkreter schildern und noch ausweiten durch Angabe der vielen Fakten, die ich habe, was aber an dem allgemeinen Bild nichts ändern würde.

Frage: Vorhin haben Sie die Frage angeschnitten, dass Sie die Massenoperationen auch dazu benutzten, um Menschen ausländischer Abstammung aus benachbarten kapitalistischen Ländern (also Flüchtlinge, politische Emigranten und andere) zu treffen, um Ihre verschwörerischen Absichten dadurch zu verwirklichen.

Geben Sie uns Einzelheiten!

Antwort: Die Massenoperationen zur Unterdrückung von Personen ausländischer Abstammung aus dem kapitalistischen Ausland hatten ursprünglich das Ziel, die Stützpunkte für die ausländische Spionage innerhalb der UdSSR zu beseitigen. Diese Operationen fanden zur gleichen Zeit wie die Massenoperationen gegen die Kulaken, Kriminellen u.a. statt.

Wir Verschwörer konnten diese Massenoperationen natürlich nicht durchführen, ohne daran zu denken, wie wir sie für unsere konspirativen Ziele ausnutzen konnten.

Wir beschlossen, diese Operationen ebenfalls auf breiter Front durchzuführen und so viele Leute wie nur irgend möglich zu treffen, dies umso mehr, als es für diese Operationen keine genau festgelegten Obergrenzen gab, so dass wir in der Lage waren, sie willkürlich in Übereinstimmung mit unseren eigenen Plänen auszuweiten.

Frage: Welche Ziele verfolgten sie mit diesen Operationen?

Antwort: Auch hier bestand das Ziel darin, durch die provokatorische Führung dieser Operationen Unzufriedenheit und Unruhe innerhalb des Teils der sowjetischen Bevölkerung zu erzeugen, der zu diesen Nationalitäten gehörte. Nebenbei hofften wir, dass durch diese provokatorischen Aktionen in den europäischen Staaten die öffentliche Meinung entstehen würde, dass Menschen in der UdSSR nur wegen ihrer Nationalität Verfolgungen ausgesetzt sind, um hierdurch Proteste in einigen dieser Länder hervorzurufen.

Ich muss hinzufügen, dass dies unseren konspirativen Plänen, eine Machtergreifung in Kriegszeiten herbeizuführen, entsprach, weil dies die notwendigen Voraussetzungen dafür schuf.

In vorliegenden Fall sollte Unzufriedenheit nicht nur mit der repressiven Politik der Sowjetmacht, sondern auch mit ihrer Nationalitätenpolitik geschürt werden.

Frage: Sind Sie der Meinung, dass es Ihnen gelungen ist, Ihre verräterischen Ziele, die Sie erwähnten, durch diese Operationen zu erreichen?

Antwort: Ja, wir waren erfolgreich, und in dieser Frage war der Effekt für uns Verschwörer noch größer als bei der Führung der Massenoperationen gegen Kulaken, konterrevolutionäre Geistliche und Kriminelle. Der Effekt unter den Nationalitäten war, dass als Folge dieser provokatorischen Art der Führung der Massenoperationen wir erreichen konnten, dass unter der Sowjetbevölkerung, die Nationalitäten angehörte, große Unruhe erzeugt wurde, großes Unverständnis, was den Zweck dieser Maßnahmen anging, große Unzufriedenheit mit der Sowjetmacht, es kam zu Kriegsgerede und zu einem starken Verlangen auszuwandern.

All diese Dinge ereigneten sich überall, aber besonders in der Ukraine, in Weißrussland und in den zentralasiatischen Republiken, d. h. in den Regionen, denen wir unsere besondere Aufmerksamkeit widmeten.

Außerdem kam es in Folge dieses provokatorischen Verhaltens bei der Ausführung der Operationen zu zahlreichen Protesten seitens der deutschen Regierung, der Regierung Polens, Persiens, Griechenlands und anderer Staaten, und Protestartikel erschienen in einer großen Zahl von europäischen Zeitungen.

Frage: Was für Proteste waren das genau, die Sie meinen? Machen Sie genauere Angaben!

Antwort: Die größten Proteste kamen von der iranischen Regierung. Sie protestierte dagegen, dass Repressionen gegen persische Bürger vorgenommen, dass sie aus der UdSSR ausgewiesen und in den Iran geschickt wurden, dass ihr Eigentum konfisziert wurde. Sie legten diese Frage sogar diplomatischen Vertretern anderer Länder vor, mit dem Vorschlag, gemeinsam zu protestieren.

Daraufhin kam es im Iran zu ähnlichen Repressionen gegen sowjetische Bürger.

Die griechische Regierung protestierte gegen die Repressionen und gegen die Deportation von griechischen Staatsbürgern und verweigerte demonstrativ Visa für Menschen, die nach Griechenland einreisen wollten.

Die finnische Regierung protestierte ebenfalls gegen die Verhaftung von Finnen und verlangte ihre Freilassung und Überstellung nach Finnland.

Die Regierungen von England, Deutschland, Polen und Frankreich protestierten gegen die Verhaftung von einzelnen ihrer Staatsbürger.

Außerdem habe ich bereits gesagt, dass in der europäischen Presse eine Reihe von Protestartikeln erschien, in denen Unverständnis und Protest selbst von Freunden der Sowjetunion zum Ausdruck kam.

Frage: Zum Beispiel?

Antwort: Ich habe in erster Linie Romain Rolland im Sinn. Er schickte einen Brief, in dem er bat, ihm mitzuteilen, ob es stimmte, dass in der UdSSR Unterdrückungsmaßnahmen gegen Ausländer ausschließlich auf der Basis der Nationalität, ohne Rücksicht auf ihre Einstellung zur Sowjetunion, begonnen hätten. Er erläuterte dies anhand der Tatsache, dass in der Auslandspresse eine ganze Reihe von Artikeln erschienen wären, woraufhin ihn zahlreiche prominente Persönlichkeiten in Europa gebeten hätten, der Sache nachzugehen, weil sie wussten, dass er ein Freund der Sowjetunion war.

Außerdem hatte er sich bereits nach dem Schicksal von Personen, die verhaftet worden waren und die er persönlich kannte, erkundigt, wobei er betonte, dass dies Leute waren mit Sympathien für die Sowjetunion.

Frage: Durch welche provokatorischen Methoden der Führung der Massenoperationen waren Sie in der Lage, die konspirativen Ziele, die Sie sich gesetzt hatten, zu erreichen?

Antwort: Wie ich bereits schilderte, hatten wir beschlossen, diese Operationen auf breitester Front durchzuführen und dabei die größtmögliche Anzahl von Leuten zu erfassen.

Wir machten genau auf dieser Linie Druck auf die Vorsitzenden der UNKWDs, ob sie nun direkt zu den Verschwörern gehörten oder nicht, spielte keine Rolle, und zwangen sie die ganze Zeit, die Operationen auszuweiten.

Dieser Druck führte dazu, dass die Praxis der Repressionen, ungeachtet irgendwelcher Beweise, auf der alleinigen Grundlage der Zugehörigkeit zu der einen oder der anderen Nationalität (Pole, Deutscher, Lette, Grieche usw.) gewaltig ausgeweitet wurde.

Aber das reichte uns noch nicht. Wir brachten auch Russen, Ukrainer, Weißrussen u.a. in der Kategorie der Polen, Finnen, Deutschen u.a. unter, und machten dies besonders in bestimmten Gebieten zur allgemein-üblichen Praxis.

Unter denjenigen, die sich in dieser Beziehung besonders hervortaten, waren die Volkskommissare für Innere Angelegenheiten der folgenden Republiken: der Ukraine (Uspenski unter der Aufsicht von Nikita Chruschtschow – Üb.), Weißrussland, Turkmenistan; in den Gebieten waren es die von Swerdlowsk, Leningrad und Moskau.

Dmitriew, der ehemalige NKWD-Vorsitzende im Swerdlowsker Gebiet, schloss viele Ukrainer, Weißrussen und sogar Russen in die Kategorie von zu verhaftenden polnischen Flüchtlingen mit ein. Auf jeden verhafteten Polen kamen nicht weniger als zehn Russen, Ukrainer und Weißrussen.

Es gab viele Fälle, bei denen Russen, Ukrainer und Weißrussen durch gefälschte Dokumente zu Polen wurden.

Die Praxis in Leningrad war die gleiche. Statt Finnen ließ Sakowski viele Einwohner der UdSSR, also Karelier verhaften und ‚verwandelte‘ sie dann anschließend in Finnen.

Uspenski machte es mit den ukrainischen Unjaten, d.h., er wählte sie nicht nach ihrer nationalen Herkunft aus, sondern nach ihrer Religion. Ich könnte viele solcher Beispiele anführen. Sie waren typisch für die Mehrheit der Gebiete.

Frage: Wie haben Sie diese offensichtlich kriminellen Aktivitäten durchführen können?

Antwort: Das rechtliche Revisionssystem für diese Fälle war extrem vereinfacht worden. Es war noch einfacher und noch weniger überwacht als in den Fällen der Massenoperationen gegen ehemalige Kulaken und Kriminelle. Dort existierten wenigsten gerichtliche Troikas, zu deren Mitglieder die Sekretäre von Gebietskomitees gehörten. Aber bei diesen nationalen oder sogenannten ‚Album-Operationen‘ existierte noch nicht einmal dieses juristische Verfahren. Die Liste mit den Namen jener, die zu verhaften waren, der eine kurze Fallbeschreibung sowie eine notierte Strafmaßnahme in einem ‚Album‘ beigefügt war, wurde vom Chef des UNKWD und dem Staatsanwalt des Gebiets abgezeichnet und dann nach Moskau zur Bestätigung geschickt, und zwar ans NKWD und an den Generalstaatsanwalt. Hier in Moskau wurde der einzelne Fall nur auf der Basis des kurzen Berichts in dem ‚Album‘ entschieden. Die Liste wurde von mir oder von Frinowski vom NKWD sowie von Wyschinski von Seiten der Generalstaatsanwaltschaft abgezeichnet, wonach das Urteil rechtskräftig wurde, das dann an das UNKWD und den Staatsanwalt in dem jeweiligen Gebiet zurückgeschickt und dort vollstreckt wurde.

Dieses vereinfachte Revisionssystem bewahrte uns vollständig vor einer Überprüfung und gestattete uns, unsere Sabotageabsichten und provokatorischen konspirativen Pläne zu verwirklichen.

Frage: War es nur dieses vereinfachte gerichtliche Verfahren, das es Ihnen gestattete, Ihre provokatorischen Pläne zu verwirklichen?

Antwort: Im Grunde erlaubte es uns, Sabotage straflos auszuführen.

Ein Ergebnis dieses extrem vereinfachten gerichtlichen Verfahrens in den Gebieten war es zum Beispiel, dass die Praxis der Fälschung von Beweisen, dass Urkundenfälschungen und Betrug um sich griffen.

Dies war wiederum typisch für die Ukraine, Weißrussland, Turkmenistan, Swerdlowsk, Moskau und Leningrad, wo die Vorsitzenden der UNKWDs ausnahmslos entweder Mitglieder unserer Verschwörerung waren oder zu Jagodas antisowjetischer Gruppe gehörten.

Diese UNKWD-Vorsitzenden, Verschwörer wie Uspenski und Sakowski oder die Mitglieder von Jagodas antisowjetischer Gruppe, Dmitrijew und Berman, begingen Fälschungen, fälschten Untersuchungsergebnisse und verfolgten viele unschuldige Personen, die keine Verbindung zu konterrevolutionären Verbrechen hatten, wodurch in bestimmten Bevölkerungsteilen ein Herd der Unzufriedenheit entstand.

Frage: Berichten Sie darüber, wie Sie es anstellten, die Aufsichtsorgane der Verfolgungsbehörden zu täuschen, um diese eindeutige, offensichtlich kriminelle Praxis der Repression durchzuführen!

Antwort: Ich kann gar nicht sagen, dass wir irgendeinen speziellen, besonders ausgeklügelten Plan besaßen, um die Organe der Staatsanwaltschaften zu täuschen.

Die Staatsanwälte der Gebiete, der Regionen und Republiken, aber auch die der UdSSR mussten von diesen eindeutig kriminellen Praktiken provokatorischer Massenverhaftungen und der Fälschung von Untersuchungsunterlagen gewusst haben, zumal sie zusammen mit dem NKWD für die Revision solcher Fälle zuständig waren.

Diese Inaktivität von Seiten der staatsanwaltlichen Aufsicht kann nur durch die Tatsache erklärt werden, dass in vielen Gebieten, Regionen und Republiken Mitglieder verschiedenster antisowjetischer Organisationen zuständig für die Verfolgung waren, die oft noch ausgedehntere provokatorische Repressionen unter der Bevölkerung vornahmen.

Ein weiterer Teil der Staatsanwälte, der nicht an antisowjetischen Gruppierungen beteiligt war, hatte einfach Angst sich mit den Vorsitzenden der UNKWDs in diesen Fragen anzulegen – umso mehr als sie in diesen Dingen keinerlei Direktiven aus dem Zentrum erhielten, wo all diese gefälschten Untersuchungsberichte durchgingen, die sie, also die Staatsanwälte dort, selbst routinemäßig unterschrieben, ohne irgendwelche Grenzen zu setzen und ohne Beanstandungen zu machen.

Frage: Sie sprechen von den örtlichen Organen der Staatsanwaltschaft. Aber haben diese Organe nicht die kriminellen Machenschaften im Zentrum der UdSSR durchschaut?

Antwort: Der Staatsanwaltschaft der UdSSR konnten all diese Perversionen nicht entgangen sein.

Ich kann mir dieses Verhalten der Staatsanwaltschaft der UdSSR, insbesondere das Verhalten des Generalstaatsanwalts der UdSSR, Wyschinski, nur dadurch erklären, dass er Angst hatte, mit dem NKWD zu streiten oder auch dadurch, dass er selbst den Wunsch hatte zu beweisen, dass er nicht weniger ‚revolutionär‘ Massenrepressionen durchführt.

Ich bin zu diesem Ergebnis gekommen, weil Wyschinski sich mit mir oft persönlich über die Zehntausenden Beschwerden, die bei der Generalstaatsanwaltschaft eingingen, unterhielt, denen er keine Beachtung schenkte. Auch kann ich mich nicht erinnern, dass Wyschinski auch nur ein einziges Mal in der Zeit der Massenoperationen Protest erhob. Es gab sogar Fälle, dass er ein höheres Strafmaß für die eine oder andere Person forderte.

Nur so kann ich mir die vollkommene Abwesenheit jeder staatsanwaltlichen Aufsicht und das Fehlen jeden Protests gegen die Handlungen des NKWD während der Massenoperationen erklären. Ich wiederhole noch einmal: Wir, die Verschwörer und ich insbesondere, hatten keinerlei ausgetüftelten Plan, um die Staatsanwaltschaft zu täuschen.

Frage: Es ist allgemein bekannt, dass eine große Zahl derjenigen Personen, die bei all diesen Massenoperationen verhaftet wurden, zu Lagerstrafen in den Camps verurteilt wurde.

Wie kann es sein, dass Sie keine Entlarvung Ihrer kriminellen Praktiken befürchten mussten, da Sie wussten, dass viele dieser Menschen aufgrund von gefälschten Dokumenten verurteilt worden waren?

Antwort: Wir, und besonders ich, hatten keinerlei Befürchtungen, dass unsere kriminellen Machenschaften durch die Lagerinsassen aufgedeckt werden könnten. All diese Lager befanden sich nicht nur unter dem Kommando des NKWD, sondern wurden auch von den Verschwörern der GULAG-Verwaltung kommandiert. Unter diesen Bedingungen waren wir immer in der Lage, die notwendigen Präventivmaßnahmen zu ergreifen.

Und was am wichtigsten ist: Wir hatten unsere eigenen besonderen Gründe, wenn wir bestimmte Kontingente von Personen in die Lager schickten.

Diese Gründe bestanden in Folgendem: Wenn wir verhaftete Personen auf der Grundlage von Material, das keine ausreichende Basis für eine Verhaftung abgab, in die Lager schickten, beabsichtigten wir damit, ihre Unzufriedenheit in Kriegszeiten und besonders bei unserer Machtergreifung für uns auszunutzen.

Frage: Was können Sie noch Ihren Geständnissen über Ihre feindliche Arbeit bei den Massenoperationen hinzufügen?

Antwort: Ich habe Ihnen im Grunde alles erzählt. Es kann sein, dass ich einige kleinere Details über unsere feindliche Arbeit bei den Massenoperationen ausgelassen habe, aber sie ändern nichts an dem Gesamtbild unserer kriminellen Aktivitäten.

Das Geständnis ist wahrheitsgemäß und von mir durchgesehen worden – Jeschow.

Vernehmer: Hauptermittler bei der Untersuchungsabteilung des NKWD der UdSSR, Esaulow, Oberleutnant der Staatssicherheit.

TsA FSB (Zentralarchiv des föderativen Sicherheitsdienstes – Nachfolger von NKWD, MGB und KGB).

Untersuchungsakte zu M. P. Frinowski , Nr. N-15301. Vol. 10. P. 241, 249-275. Beglaubigte Kopie.

Gegenüberstellung Jeschow-Bulatow vom 20. September 1939

s. Pawljukow, 528 – sehr kurze Diskussion, nur zwei Sätze lang:

Diskussion: „Es gab auch jene, die Widerstand leisteten (gegenüber der Untersuchung – GF). Zum Beispiel verließ D. A. Bulatow, ehemaliger Mitarbeiter des Zentralkomitees, während der Gegenüberstellung die Vernehmung, nachdem er alle Anschuldigungen von sich gewiesen hatte.“

Jeschow-Vernehmung durch Jesaulow am 25. Oktober 1939

s. Poljanski, 285; 286-289

„Hören Sie“, sagte Jeschow beschwörend, „was für ein Spion bin ich denn? Ich habe einen ganzen ‚Schwanz‘ von Leuten hinter mir, meinen Chauffeur und einen Bewacher. Mit wem konnte ich mich treffen? Und niemand hat mich 1930 in Deutschland angeworben! Ich habe viel gelogen. Und ich log über Slutzki. Ich gab Frinowski nicht den Auftrag, ihn zu vergiften, und Alechin und Sakowski haben mit der Sache nichts zu tun! Slutzki starb von selbst, an einem Herzleiden. Ich habe alles erlogen.“

„Sie sollten nicht lügen… In verschiedenen Dokumenten machten Sie widersprüchliche und wahre Angaben über sich selbst. Taten Sie dies aus Gründen der Spionage und Sabotage?“

„Ja, ich habe bewusst meine Biografie gefälscht. Ich tat dies aus karrieristischen Gründen, um in der Partei befördert zu werden.“

„Sie haben eine ganz andere Biografie für sich ausgedacht, aber nicht aus karrieristischen Gründen, sondern aus provokatorischen Gründen, um die Partei zu täuschen, um sich in die Führung einzuschleichen, um sie von innen heraus durch Sabotage und Spionage zu korrumpieren. War das so?“

„Ja, ich tat dies aus Gründen der Sabotage und aus provokatorischen Gründen, um gegen die Partei arbeiten zu können.“

„Nun lassen Sie uns zu einer Erklärung jener Fakten kommen, die Sie bewusst entstellt haben. In den offiziellen Dokumenten logen Sie, als Sie angaben, Sie seien aus Petrograd. In dieser Stadt wurden keine Informationen über Ihre Geburt gefunden. Wo sind Sie denn wirklich geboren?“

„In weiß das nur von den Worten meiner Mutter, wo ich geboren wurde und aus Erinnerungen an meine frühe Kindheit. Mutter sagte, ich sei in der Stadt Marimpol geboren, im ehemaligen Gubernija Suvalski in Litauen. Danach ging ich nach Petrograd. Ich wollte durch meine Angaben, ich sei in Petrograd geboren, den Anschein erwecken, dass ich ein tief verwurzeltes proletarisches Element und alter Revolutionär sei.“

„Logen Sie auch, als Sie sagten, dass Ihr Vater Arbeiter gewesen sei?“

„Ja, ich log aus dem gleichen Grunde.“

„Wer war Ihr Vater denn wirklich?“

„Mein Vater, Iwan Jeschow, kam ursprünglich aus Tula und stammte aus einer Bauernfamilie.“

„Waren sie reich?“

„Ja, er hatte in der Armee gedient, in einer Musik-Einheit und war in Mariampol leitender Musiker gewesen. Dort heiratete er auch – das Dienstmädchen eines Chormeisters.“

„Was hat Ihr Vater nach der Demobilisierung gemacht?“

„Er war Förster und Weichensteller bei der Eisenbahn.“

„In einem vorrevolutionären Handbuch von Petersburg wird ein Iwan Jeschow erwähnt, dem ein Salon gehörte. War das Ihr Vater?“

„Meinem Vater gehörte zeitweilig ein Teehaus.“

„Wir haben Informationen dazu, dass dieses Teehaus eine Tarnung war für kriminelle Aktivitäten. Ist das so?“

„Ja, es war in Wirklichkeit ein Haus für …“

„Ein Bordell.“

„Es war ein Bordell, und mein Vater lebte von den Einnahmen. Als sie das Teehaus schlossen, wurde er Anstreicher.“

„Hat er andere Arbeiter beschäftigt?“

„Ich will nicht abstreiten, dass Vater in späteren Jahren ein oder zwei Arbeiter eingestellt hat oder so etwas wie ein Unternehmer war.“

„Haben Sie auch gelogen, als Sie angaben, dass Sie als Schlosser in Petrograder Fabriken gearbeitet haben?“

„Ich habe das getan, um meinen Werdegang zu schönen. Ich habe sehr selten als Schlosser gearbeitet. Meine Hauptbeschäftigung war immer das Schneidergewerbe.“

„Und jetzt erzählen Sie uns, welches Ihre richtige Nationalität ist!“

„Ich habe mich immer als Russe betrachtet und identifizierte mich auch immer so in den offiziellen Dokumenten. Ich wurde in eine russische Bauernfamilie geboren.“

„Verheimlichen Sie nicht Ihre wahre Nationalität? Ihre Mutter war schließlich aus Litauen.“

„In den offiziellen Dokumenten wird meine Nationalität einigermaßen richtig angegeben.“

„Was bedeutet ‚einigermaßen‘?“

„Das bedeutet, dass meine Mutter in Litauen geboren wurde und deshalb die litauische Staatsbürgerschaft hatte.“

„In einem Ihrer Lebensläufe schreiben Sie, dass Sie sowohl Litauisch als auch Polnisch sprechen. Hat Ihre Mutter Ihnen diese Sprachen beigebracht?“

„Nein. Meine Mutter und mein Vater konnten Litauisch, sprachen es aber nie zu Hause. Ich diente in Witebsk in der zaristischen Armee, und dort gab es viele Polen und Litauer. Dort lernte ich ein paar Wörter und Sätze. Aber ich kann diese Sprachen nicht sprechen und gab auf den Formblättern an, dass ich diese Sprachen für berufliche Zwecke kenne.“

„Wir haben Informationen, dass Sie Jiddisch sprechen. Warum verheimlichen Sie das?“

„Ich kann kein Jiddisch, es sei denn Sie verstehen darunter, dass ich ein paar Wörter und Ausdrücke von meinen jüdischen Bekannten wusste.“

„Und hier haben wir eine Information, dass Sie mit Ihrer Frau Jiddisch sprachen.“

„Das muss ein Irrtum sein. Ich kann kein Jiddisch. Auch meine Frau konnte nur wenig Jiddisch und sprach nie mit irgendwelchen jüdischen Leuten.“

Das Jeschow-Protokoll am Schluss der Untersuchung, 1. Februar 1940

s. Pawljukow, 529, Poljanski, 290, von Jesaulow vorgelegt (B&S, 144-5 und Sojma sagen, dass es Sergjenko vorgelegt hat).

Der Text stimmt bei Poljanski und Sojam überein. Fast gleichlautend auch mit B&S. Bei Pawljukow findet sich kein Text. 1.

Er (Jeschow – Üb.) war Anführer einer antisowjetischen Geheimorganisation in den Streitkräften und in den Organen des NKWD. 2.

Er betrog sein Vaterland, indem er im Auftrag des polnischen, deutschen, japanischen und englischen Geheimdienstes Spionagearbeiten ausführte. 3.

Zum Zwecke der Machtergreifung in der UdSSR bereitete er einen Militärputsch vor und gab Terroranschläge gegen die Führer von Partei und Regierung in Auftrag. 4.

Er organisierte subversive und Sabotagearbeit im Parteiapparat. 5.

Aus abenteuerlichen und karrieristischen Gründen fabrizierte er den Fall einer fiktiven Quecksilbervergiftung an sich selbst, organisierte den Mord verschiedener Personen, die ihm im Weg standen und die seine landesverräterische Tätigkeit aufdecken konnten und hatte sexuelle Beziehungen zu Männern (Homosexualität).

Pawljukow, 529:

„Die letzte Vernehmung fand am 31. Januar (1940) statt, und direkt am nächsten Tag verfasste der stellvertretende Leiter der Untersuchungsabteilung im NKWD der UdSSR, A. A. Jesaulow, ein Protokoll zu den Ergebnissen der Untersuchung. Jeschow wurden 12 Bände zu seinem Fall zur Durchsicht übergeben. Er las sie durch und erklärte, dass er alle Geständnisse, die er in der Voruntersuchung abgelegt hatte, bestätige und dass er keine zusätzlichen Anmerkungen dazu habe.“

Jeschows Schlusserklärung (getrennt veröffentlicht)

Eine Abschrift existiert offenbar, wird aber immer noch geheim gehalten.

Das Folgende ist von Pawljukow, 531-32

„Dann wurde das Protokoll zum Abschluss der Untersuchung verkündet, in dem Jeschow den Wahrheitsgehalt seiner Geständnisse mit seiner eigenen Unterschrift bestätigte. Jeschow gab an, dass er zu diesem Zeitpunkt seine Geständnisse noch nicht widerrufen hatte, dass er sie aber jetzt widerrufe. Er habe keine Verbindungen zu Geheimdiensten gehabt, habe keinen Terroranschlag auf dem Roten Platz am 7. November geplant und habe nie an irgendeiner Verschwörung teilgenommen.

Das Gericht sah es als notwendig an - entgegen seiner ursprüngliche Absicht, ohne Zeugen auszukommen - einen von ihnen in den Gerichtssaal zu rufen: Jeschows ehemaligen Stellvertreter, M. P. Frinowski. Noch am gleichen Tage sollte auch er vor Gericht erscheinen und hielt sich wahrscheinlich irgendwo in der Nähe auf.

Frinowski gab an, dass Jeschow ihn bald nach seiner Ernennung zum Kommissar für Innere Angelegenheiten für die Verschwörung, die er selbst im NKWD organisiert hatte, anwarb. Zuerst verhinderten sie die Entlarvung des Blocks der Rechten und Trotzkisten so lange wie möglich, und Ende 1937 machten sie sich daran, eine terroristische Gruppe innerhalb des NKWD aufzubauen.

Außerdem sprach Frinowski über die Inszenierung der sogenannten Quecksilbervergiftung, die auf Jeschows Anweisung hin vorgenommen wurde, über den von Jeschow in Auftrag gegebenen Mord an dem Chef der Auslandsabteilung der GUGB des NKWD, A. A. Slutzki, sowie über die Vergiftung von Jeschows eigener Frau durch Jeschow.

In Beantwortung der Fragen des Vorsitzenden W. W. Ulrich bezeichnete Jeschow alles, was Frinowski gesagt hatte, als bösartige Verleumdung. Er habe seine Frau nicht vergiftet, er habe ihr kein Luminal geschickt, und was Slutzki anbetraf, habe er eine Direktive von ‚Weisungsorganen‘ gehabt, ihn nicht zu verhaften, sondern ihn auf anderem Wege auszuschalten, „da sonst unser gesamter Auslandsgeheimdienst geflohen wäre“. Die Notwendigkeit, Slutzki zu beseitigen, so Jeschow, sei durch die Tatsache diktiert worden, dass es sehr gewichtige Geständnisse gegeben habe seitens des ehemaligen stellvertretenden Kommissars für Innere Angelegenheiten, J. S. Agranow.

Jeschow führte weiter aus, dass er nicht mit Frinowski, Jewdokimow, Dagin und anderen zusammen an einer antisowjetischen Verschwörung teilgenommen habe, deren Namen er bei seinen Geständnissen als Teilnehmer der Verschwörung selbst genannt hatte, aber jedenfalls habe er davon nichts gewusst.“

Kommentare von Brjuchanow & Schoschkow, 153, zu Jeschows Schlusswort:

„Wenn man seine ‚letzten Worte‘ liest, so kommt man unmöglich umhin festzustellen, dass Jeschow nichts über das Wesen der Anschuldigungen gegen ihn sagte. Er wies sie alle zurück und sprach hauptsächlich über seine Verdienste bei der Entlarvung von ‚Feinden und Spionen der verschiedensten Art und der verschiedensten Geheimdienste‘, während er gleichzeitig anmerkte, dass er versprechen könne, ‚über Verbrechen, für die ich erschossen werden könnte‘ zu diskutieren, und gestand nur insofern eine Schuld ein, als dass er es unterlassen habe, ‚nicht genügend Feinde weggesäubert‘ zu haben.

Jeschow verneinte seine Mitgliedschaft in einer geheimen Organisation, die gegen Partei und Regierung gerichtet gewesen war und fügte hinzu, dass er, im Gegenteil, alle Maßnahmen getroffen habe, um die Verschwörer, die S. M. Kirow ermordet hatten, zu entlarven. Hat es nun eine Verschwörung in den Organen des NKWD gegeben oder hätten jene 14.000 NKWD-Leute, die Jeschow liquidieren ließ, alle individuell handeln können?

Nach der Abschrift zu urteilen (von Jeschows Prozess) wurde diese Frage während des Prozesses nicht gestellt: Alles war dem Gericht klar gewesen, so wie es vorlag. Den ‚aufrichtigen Geständnissen‘ seines ‚letztes Wortes‘ fehlte es an Glaubwürdigkeit. Jeschow war darauf bedacht, alles wieder zu verwirren. Er entstellte sogar die Episode, die schon bei dem Prozess gegen Bucharin, Rykow und anderen zur Sprache kam - die Inszenierung eines Anschlags gegen sich selbst betreffend. Wie sich herausstellte, war der ‚terroristische Anschlag‘ (falls wir diesen Ausdruck hier überhaupt verwenden sollten) von Jeschow zusammen mit dem ehemaligen Vorsitzenden der Abteilung zur Aufdeckung konterrevolutionäre Akte, Nikolajew, geplant und durchgeführt worden, um seine Autorität als ‚eiserner Kommissar‘ zu erhöhen.

Nachdem Nikolajew sich mit Experten über die Voraussetzungen einer Quecksilbervergiftung beraten hatte, hat er Quecksilber in das weiche Polster der Möbel in Jeschows Büro gerieben und ein Stück Stoff für eine Laboranalyse übergeben. Für den ‚terroristischen Anschlag‘ machten sie den NKWD-Mann Savolainen verantwortlich, bei dem man dann ein Fläschchen mit Quecksilber fand. Nachdem man Savolainen ordentlich bearbeitet hatte, gestand er alles.

Dann versuchte Jeschow noch, das Gericht davon zu überzeugen, dass er wegen seiner Bescheidenheit und Ehrlichkeit geliebt wurde, und bestritt die Beschuldigungen hinsichtlich seines unmoralischen Lebenswandels.

Insgesamt gesehen erweckt sein ‚letztes Wort‘ den Eindruck von etwas, das schlecht durchdacht war, das weitschweifig, unvollständig und unehrlich war. Und dabei hatte Jeschow im Grunde nichts zu verlieren. Er hätte viel ehrlicher sein können.“