Deutsche Übersetzung: Gerhard Schnehen
Englisches Original: http://eserver.org/clogic/2005/furr.html
Diese Abhandlung gibt einen Überblick über Stalins Bestrebungen - angefangen in den 30iger Jahren bis zu seinem Tod - die Regierung der Sowjetunion zu demokratisieren.
Diese Feststellung und dieser Aufsatz selbst werden viele erstaunen und einige empören. Tatsächlich hat mich das Erstaunen über die Ergebnisse meiner eigenen Untersuchungen, von denen ich an dieser Stelle berichte, veranlasst, diesen Artikel zu schreiben. Schon lange hatte ich vermutet, dass die sowjetische Geschichte, so wie sie im Kalten Krieg vermittelt wurde, erhebliche Mängel aufwies. Ich war jedoch nicht auf die Menge an Unwahrheiten gefasst, die mir als Fakten' vermittelt wurden.
Diese Geschichte ist in Russland bekannt, wo Respekt, ja sogar Bewunderung für Stalin weit verbreitet sind. Juri Schukow, der bedeutendste russische Historiker, der die These von Stalin als Demokrat' vertritt und dessen Werke für diese Abhandlung die wichtigste Quelle darstellen - obschon nicht die einzige - ist dort eine anerkannte Persönlichkeit und eng mit der Akademie der Wissenschaften verbunden. Seine Bücher werden von vielen gelesen.
Jedoch ist diese Geschichte und die Fakten, auf denen sie beruht, praktisch außerhalb Russlands unbekannt, wo das Paradigma des Kalten Krieges von Stalin dem Bösen' so sehr alles, was dazu veröffentlicht wird, dominiert, dass die hier zitierten Werke kaum Beachtung finden. Das führt dazu, dass sehr viel Sekundärliteratur, die in dieser Arbeit zitiert wird, aber auch sehr viele Quellen und Dokumente verständlicherweise nur in Russland verfügbar sind.1
Dieser Artikel macht den Leser nicht nur einfach mit neuen Fakten und Auslegungen zur Geschichte der UdSSR bekannt. Vielmehr stellt er einen Versuch dar, eine nichtrussische Leserschaft mit den Ergebnissen neuer Forschungen, basierend auf sowjetischem Archivmaterial zur Stalin-Periode, aber auch zu Stalin selbst, vertraut zu machen. Die hier diskutierten Fakten reihen sich ein in eine ganze Reihe von Paradigmen zur sowjetischen Geschichte, aber helfen auch, einige andere Deutungen und Auslegungen zu widerlegen. Sie sind ganz und gar inakzeptabel, um nicht zu sagen empörend, für jene, deren politische und historische Anschauungen auf irrtümlichen und ideologisch motivierten Vorstellungen des Kalten Krieges von sowjetischem Totalitarismus' und stalinistischem Terror' basieren.2
Die Sichtweise der Chruschtschow-Anhänger von Stalin als machthungrigen Diktator oder als Verräter an Lenins Erbe wurde geschaffen, um den Bedürfnissen der Nomenklatura der Kommunistischen Partei in den 50iger Jahren entgegenzukommen. Aber sie hat auch starke Ähnlichkeit und teilt viele Grundannahmen mit dem standardisierten Diskurs über Stalin, der aus der Zeit des Kalten Krieges stammt und der dem Wunsch der kapitalistischen Eliten nachkommt, zu argumentieren, dass kommunistische Kämpfe oder sogar jedes Ringen um Arbeitermacht unweigerlich zu einer Art Horrorszenarium führen müssen.
Dies kommt auch den Trotzkisten entgegen, die argumentieren, dass die Niederlage Trotzkis, des wahren Revolutionärs', nur dadurch herbeigeführt werden konnte, dass ein Diktator jedes einzelne Prinzip, für das die Revolution geführt wurde, mit Füßen trat. Die Denkmuster der Chruschtschow-Anhänger, der Antikommunisten des Kalten Krieges und der Trotzkisten ähneln sich was die sowjetische Geschichte angeht und benötigen die Dämonisierung Stalins, seiner Führung und die der UdSSR zu seiner Zeit, um überhaupt existieren zu können.
Die Einschätzung von Stalin in diesem Artikel steht nicht im Widerspruch zu einer Reihe anderer, abweichender historischer Sichtweisen. Die antirevisionistischen, nach-maoistischen kommunistischen Auslegungen der sowjetischen Geschichte sehen Stalin als einen kreativen und logisch handelnden Nachfolger Lenins, auch wenn er mitunter Fehler beging. Inzwischen wird Stalin sogar von vielen russischen Nationalisten respektiert, die, wenn sie Stalins Leistungen als Kommunist auch nicht anerkennen, ihn dennoch als jemand achten, dem es wie kein anderer gelang, Russland zu einer wichtigen Industrie- und Militärmacht zu machen. Stalin ist für beide eine zentrale Figur, wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise.
Dieser Artikel unternimmt nicht den Versuch, Stalin zu rehabilitieren'. Ich stimme Juri Schukow zu, wenn er schreibt:
"Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich Stalins Rehabilitierung ablehne, weil ich Rehabilitierungen im Allgemeinen ablehne. Nichts und niemand sollten in der Geschichte rehabilitiert werden. Wir müssen aber die Wahrheit aufdecken und sie aussprechen. Aber seit Chruschtschow sind die einzigen Opfer von Stalins Repressionen, von denen man hört, diejenigen, die sich selbst daran beteiligten, die sie förderten oder die sich ihnen nicht entgegenstellten." (Schukow, KP, 21. November 2002).
Ich möchte auch nicht so verstanden werden, dass, wenn Stalin seinen Willen bekommen hätte, all die zahlreichen Probleme beim Aufbau des Sozialismus oder Kommunismus in der UdSSR hätten ohne weiteres gelöst werden können.
In dem von diesem Artikel abgehandelten Zeitabschnitt kümmerte sich die Stalin-Führung nicht nur darum, die Demokratie innerhalb des Regierungsapparates zu entwickeln, sondern auch die innerparteiliche Demokratie selbst zu entfalten. Dieses wichtige und verwandte Thema verdient eine eigene Untersuchung, womit sich dieser Aufsatz jedoch nicht direkt beschäftigt. Wie immer man auch den Begriff Demokratie' verstehen mag, er wird im Kontext einer demokratisch-zentralistischen Partei von freiwilligen Mitgliedern eine andere Bedeutung haben als in einem riesigen Staat von Bürgern, in dem keine Basis für eine politische Übereinkunft vorausgesetzt werden kann.3
In diesem Artikel wurden, soweit es möglich war, Primärquellen verwendet. Jedoch bezieht er zu einem großen Teil die wissenschaftlichen Arbeiten russischer Historiker mit ein, die Zugang zu bislang unveröffentlichten oder erst in jüngster Zeit veröffentlichten Dokumenten aus sowjetischen Archiven besitzen. Viele sowjetische Dokumente von großer Tragweite stehen nur Wissenschaftlern zur Verfügung, die über einen bevorzugten Zugang verfügen. Sehr viele andere bleiben völlig unzugänglich und sind nach wie vor streng geheim', einschließlich der größte Teil von Stalins Privatarchiv, einschließlich der Materialien von Voruntersuchungen, des Untersuchungsmaterials zu den Moskauer Prozessen von 1936-38 oder der Protokolle zu den militärischen Säuberungen im Rahmen der sog. Tuchatschewski-Affäre und vieles andere.
Juri Schukow umschreibt die Archivlage so:
"Mit dem Einsetzen der perestroika und ihrem Slogan von glasnost wurde das Kremlarchiv, das Forschern verschlossen geblieben war, aufgelöst. Man begann, seine Bestände zu verlagern (in verschiedene öffentliche Archive - GF). Dieser Vorgang wurde jedoch nicht abgeschlossen. Ohne irgendein öffentliches Aufsehen zu erwecken, wurden 1996 die wichtigsten Dokumente erneut verschlossen und im Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation aufbewahrt. Schon bald wurde deutlich, welche Gründe dafür ausschlagend gewesen waren: Es erlaubte die Wiederauferstehung einer der beiden alten, abgenutzten Legenden." (Repressii, S.6).
Damit meint Schukow die Mythen von Stalin dem Schurken' und von Stalin dem großen Führer'. Nur mit dem ersten dieser beiden Mythen sind die Leser der westlichen antikommunistischen Geschichtsschreibung vertraut. Heute sind jedoch beide Schulen in Russland und in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten gut vertreten.
Eines von Schukows Bücher, auf dem ein Teil dieses Artikels basiert, trägt den Titel Inoi Stalin - ein anderer Stalin - anders im doppelten Sinne: anders als der Mythos und näher dran an der Wahrheit. Es ist ein Werk, das auf unlängst veröffentlichten Archivdokumenten beruht. Der Buchumschlag zeigt ein Foto von Stalin und ihm gegenüber dasselbe Bild im Negativformat: das Gegenteil davon. Nur sehr selten benutzt Schukow Sekundärliteratur. Er zitiert größtenteils aus bislang unveröffentlichtem Archivmaterial, das erst jüngst freigegeben und veröffentlicht wurde. Das Bild, das er von der Politik des Politbüros zwischen 1934 und 1938 zeichnet, unterscheidet sich grundlegend von den beiden Mythen, die er zurückweist.
Schukow schließt seine Einleitung mit den folgenden Worten:
"Ich erhebe weder Anspruch auf letzte Weisheiten noch auf Unbestreitbarkeit. Ich versuche nur, eine Aufgabe zu erledigen: vorgefasste Ansichten zu vermeiden, beide Mythen zu vermeiden; ich versuche, die Vergangenheit zu rekonstruieren, die einst so bekannt war, die aber heute absichtlich vergessen worden ist, die bewusst nicht mehr erwähnt werden darf und die von allen ignoriert wird."
Genauso versucht auch dieser Aufsatz, beide Mythen zu vermeiden.
Unter solchen Umständen müssen alle Schlussfolgerungen vorläufig bleiben. Ich habe versucht, alle Materialien gewissenhaft zu verwenden - gleich ob sekundärer oder primärer Natur. Um den Text nicht zu unterbrechen, habe ich Quellenangaben an das Ende jedes Absatzes gestellt. Ich habe Fußnoten nach traditioneller Art durchnummeriert, aber nur dort verwendet, wo ich der Meinung war, dass längere erklärende Anmerkungen gemacht werden mussten.
Die Forschungsergebnisse, die von diesem Artikel zusammengefasst werden, haben wichtige Folgen für jene von uns, die darauf bedacht sind, eine Klassenanalyse der Geschichte vorzunehmen - die Geschichte der Sowjetunion eingeschlossen.
Einer der besten US-amerikanischen Forscher der Stalin-Periode in der UdSSR, J. Arch Getty, hat die historische Forschung, die zur Zeit des Kalten Krieges betrieben wurde, Propagandaprodukte' genannt - eine Forschung', bei der es keinen Sinn macht, sie zu kritisieren oder im Einzelnen zu korrigieren, sondern die ganz wieder von vorne beginnen muss.4 Ich stimme mit Getty überein, würde aber hinzufügen, dass diese politisierte, unehrliche Tendenzforschung heute immer noch betrieben wird.
Das Kalte-Kriegs-Paradigma der Chruschtschow-Anhänger ist das dominierende Weltbild für die Geschichte der Stalin-Jahre'. Die Forschungsergebnisse, über die hier berichtet wird, können zu einer Flurbereinigung', zu einem vollständigen Neuanfang' in dieser Beziehung beitragen. Die Wahrheit, die sich schließlich daraus ergeben wird, wird auch für das marxistische Projekt eines Weltverständnisses große Bedeutung haben, um diese Welt zu verändern, um eine klassenlose Gesellschaft, basierend auf sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit, zu errichten.
Im Schlussteil des Aufsatzes habe ich einige Themen für weitere Forschungen umrissen, die sich aus den Ergebnissen dieses Artikels ergeben.
Im Dezember 1936 billigte der Achte Außerordentliche Sowjetkongress den Entwurf für eine neue Verfassung. Er sah geheime und freie Wahlen mit Gegenkandidaten vor. (Schukow, Inoi, S. 307-9).
Nicht nur aus der Bolschewistischen Partei, die damals Allunions-Kommunistische Partei (Bolschewiki) genannt wurde5, sollten Kandidaten zugelassen werden, sondern auch aus anderen zivilen Organisationen, basierend auf Wohnort und Mitgliedschaft, wie zum Beispiel in religiösen Vereinigungen oder Organisationen am Arbeitsplatz. Diese letzte Bestimmung wurde nie umgesetzt. Freie Wahlen mit Gegenkandidaten wurden auch nie abgehalten.
Die demokratischen Aspekte der Verfassung wurden auf ausdrücklichen Wunsch Stalins mit aufgenommen. Zusammen mit seinen engsten Anhängern im Politbüro der Bolschewistischen Partei kämpfte er zäh darum, diese Bestimmungen beizubehalten. (Getty, Staat). Er und sie gaben erst nach, als sie sich der vollständigen Blockade des Zentralkomitees ausgesetzt sahen und als nach der Aufdeckung gefährlicher Komplotte mit dem deutschen und japanischen Faschismus, die das Ziel hatten, die sowjetische Regierung zu stürzen, Panik entstand.
Im Januar 1935 übertrug das Politbüro Avel Jenukidse6 die Aufgabe, die Grundzüge einer neuen Verfassung auszuarbeiten. Er machte einige Monate später den Vorschlag, offene Wahlen ohne Gegenkandidaten zuzulassen. Unmittelbar darauf, am 25. Januar 1935, brachte Stalin seine Missbilligung des Vorschlags zum Ausdruck und bestand auf geheimen Wahlen. (Schukow, Inoi, S. 116-21).
Stalin brachte dann anlässlich eines Interviews vom März 1936 mit dem US-amerikanischen Pressezaren Roy Howard auf drastische Weise öffentlich seine Missbilligung zum Ausdruck. Er bestand darauf, dass die sowjetische Verfassung garantieren müsse, dass alle Wahlen geheime Wahlen sind. Auch gleiche Wahlen sollten garantiert sein, wobei die Stimme eines Arbeiters genauso viel zählen sollte wie die eines Bauern.7 Es sollten Wahlen sein, die wie im Westen auf dem gesamten Territorium stattfinden sollten, und nicht mehr wie noch unter dem Zaren auf der Grundlage des sozialen Status oder des Arbeitsplatzes. Es sollten direkte Wahlen sein: Sämtliche Sowjets sollten von den Bürgern selbst gewählt werden und nicht indirekt über Vertreter. (Stalin-Howard-Interview, Schukow, Repressii', S. 5f).
Stalin:
"Wir werden unsere neue Verfassung wahrscheinlich gegen Ende des Jahres verabschieden. Die Kommission, die ernannt wurde, um die Verfassung zu entwerfen, arbeitet und sollte bald ihre Arbeiten abgeschlossen haben. Wie bereits angekündigt, werden die Wahlen allgemein, gleich, direkt und geheim sein. (Stalin-Howard-Interview, S. 13).
Und was das Wichtigste war: Stalin erklärte, dass bei allen Wahlen mehrere Kandidaten antreten würden:
"Es mag Sie erstaunen, dass nur eine Partei bei den Wahlen antreten wird. Sie sehen nicht, wie auch unter solchen Umständen Wahlkämpfe stattfinden können. Natürlich werden auch andere Organisationen außer der Kommunistischen Partei, darunter alle möglichen öffentlichen Nicht-Partei-Organisationen das Recht haben, Kandidaten aufzustellen. Und wir haben Hunderte davon. Wir haben keine miteinander konkurrierenden Parteien mehr, weil wir keine kapitalistische Klasse mehr haben, die gegen eine Arbeiterklasse kämpft, die von den Kapitalisten ausgebeutet wird. Unsere Gesellschaft besteht ausschließlich aus freien Werktätigen der Städte und auf dem Lande aus Arbeitern, Bauern und Intellektuellen. Jede dieser Schichten darf ihre besonderen Interessen haben und darf sie auch durch die verschiedenen öffentlichen Organisationen, die es bei uns gibt, zum Ausdruck bringen". (Ebd., S. 13f).
Die verschiedenen zivilen Organisationen würden das Recht haben, eigene Kandidaten gegen die der Kommunistischen Partei aufzustellen. Stalin erklärte Howard, dass die Bürger einfach nur die Namen aller Kandidaten auszustreichen brauchten, außer den Namen desjenigen, für den sie sich entscheiden wollten.
Er betonte auch die Wichtigkeit von Wahlen mit Gegenkandidaten, um die Bürokratie zu bekämpfen:
"Sie meinen anscheinend, dass es keine Wahlkämpfe geben wird. Aber es wird sie geben, und ich sehe sehr lebhafte Wahlkämpfe voraus. Es gibt nicht wenige Einrichtungen in unserem Lande, die schlecht arbeiten. Es gibt Fälle, wo diese oder jene örtliche Verwaltung bei ihrer Aufgabe versagt, einige der mannigfaltigen und ständig anwachsenden Bedürfnisse der Werktätigen in Stadt und Land zu befriedigen. Haben Sie eine gute Schule gebaut? Haben Sie die Wohnverhältnisse verbessert? Sind Sie ein Bürokrat? Haben Sie dazu beigetragen, unsere Arbeit effektiver und unser Leben kultivierter zu gestalten? Das sind einige der Kriterien, anhand derer Millionen von Wähler die Kandidaten messen werden, anhand derer sie die ungeeigneten ablehnen, ihre Namen aus den Kandidatenlisten streichen und nur die besten nach vorne bringen und ernennen werden.
Ja - die Wahlkämpfe werden lebhaft geführt werden. Bei ihnen wird es um die zahllosen drängenden, größtenteils praktischen Probleme gehen, die für das Volk von erstrangiger Bedeutung sind. Unser neues Wahlsystem wird sämtliche Institutionen und Organisationen durchrütteln und sie zwingen, ihre Arbeit zu verbessern. Die allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlen in der UdSSR werden eine Peitsche in der Hand der Bevölkerung gegen diejenigen Regierungsorgane sein, die schlecht arbeiten. Meiner Ansicht nach wird unsere neue sowjetische Verfassung die am meisten demokratische Verfassung der Welt sein."
Das war die Ausgangsposition, von der aus Stalin und seine engsten Mitarbeiter im Politbüro, Wjatscheslaw Molotow und Andrej Schdanow, sich bei allen Diskussionen innerhalb der Parteiführung für geheime Wahlen mit Gegenkandidaten einsetzten. (Schukow, Inoi, S. 207-10, Stalin-Howard-Interview).
Stalin bestand auch darauf, dass vielen Sowjetbürgern die Bürgerrechte, die man ihnen entzogen hatte, wieder zurückgegeben werden sollten. Dies schloss Mitglieder der ehemaligen Ausbeuterklassen wie Grundbesitzer ein, aber auch solche Menschen, die während des Bürgerkrieges von 1918-21 als sog. Weißgardisten gegen die Bolschewiki gekämpft hatten sowie Personen, die wegen bestimmter Verbrechen verurteilt worden waren (ähnlich wie in den USA heute). Zu diesen Entrechteten, auch lischensi genannt, zählten zwei Gruppen: zum einen die Kulaken', die wohl wichtigste und umfangreichste Gruppe, die das Hauptziel der Kollektivierungsbewegung, die einige Jahre zuvor stattgefunden hatte, gewesen war und zum anderen jene, die sog. Gesetz der drei Ähren8 aus dem Jahre 1932 verletzt, die also öffentliches Eigentum entwendet hatten - häufig lediglich Korn und mitunter nur, um überleben zu können. (Schukow, Inoi, S. 187).
Diese Wahlreform wäre unnötig gewesen, wenn die Führung unter Stalin nicht den Wunsch gehabt hätte, die Art und Weise, wie die Sowjetunion regiert wurde, zu ändern. Sie wollte die Kommunistische Partei von der direkten Beteiligung an den Regierungsgeschäften in der Sowjetunion verdrängen.
Während der Russischen Revolution und der darauf folgenden kritischen Jahre war die UdSSR von einer gewählten Hierarchie von Sowjets (Räten) regiert worden - angefangen auf örtlicher bis hinauf auf die nationale Ebene , wobei der Oberste Sowjet die Legislative auf nationaler Ebene darstellte, der Rat der Volkskommissare die Exekutive und der Vorsitzende dieses Rates das Staatsoberhaupt war. Aber in Wirklichkeit befand sich die Wahl dieser Offiziellen auf allen Ebenen in den Händen der Bolschewistischen Partei. Wahlen wurde durchgeführt, aber die direkte Ernennung von Parteiführern, auch Kooptation' genannt, war ebenfalls weit verbreitet. Die Wahlen wurden insofern von der Partei kontrolliert, als niemand sich zur Wahl für ein Amt stellen konnte, ohne dass die Parteiführer vorher ihre Zustimmung gegeben hatten.
Für die Bolschewiki war dies durchaus sinnvoll. Es war die Regierungsform, die die Diktatur des Proletariats unter den besonderen revolutionären und postrevolutionären historischen Bedingungen der Sowjetunion angenommen hatte. Unter der NÖP9, der Neuen Ökonomischen Politik, wurden Arbeitskraft und Kompetenz ehemaliger und bestehender Ausbeuter gebraucht. Aber sie wurden in den Dienst der Diktatur der Arbeiterklasse gestellt, für den Aufbau des Sozialismus. Sie wurden nicht gebraucht, um kapitalistische Verhältnisse über ein gewisses Maß hinaus wieder einzuführen und auch nicht dafür, die politische Macht wieder abzugeben.
In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts und den frühen Dreißigern rekrutierte die Bolschewistische Partei offensiv in der Arbeiterklasse. Gegen Ende der zwanziger Jahre waren die meisten Parteimitglieder Arbeiter, und ein hoher Prozentsatz an Arbeitern war Mitglied der Partei. Diese massive Anwerbung, verbunden mit großen Anstrengungen, eine politische Erziehung durchzuführen, fanden in einer Zeit statt, als es während des Ersten Fünfjahrplans zu schweren Umbrüchen gekommen war, aber auch zu einer Industrialisierung im Rekordtempo sowie zu einer größtenteils erzwungenen Kollektivierung von Einzelhöfen in Kollektive (Kolchosen) oder Sowjetfarmen (Sowchosen). Die Bolschewistische Führung war ehrlich daran interessiert, die eigene Partei zu proletarisieren', was ihr in hohem Maße gelang. (Rigby, S. 167f, S. 184, S. 199).
Stalin und seine Anhänger im Politbüro gaben für die Demokratisierung der Sowjetunion eine Reihe von Gründen an. Diese Gründe widerspiegelten den Glauben der Führung unter Stalin, dass ein neues Stadium des Sozialismus erreicht worden sei.
Die meisten Bauern arbeiteten in Kollektivfarmen. Da die Zahl der Einzelbauern jeden Monat abnahm, war die Führung unter Stalin der Meinung, dass, objektiv gesehen, die Bauern nicht mehr eine gesonderte sozio-ökonomische Klasse darstellten. Die Bauern besaßen nun mehr Gemeinsamkeiten mit den Arbeitern als sie sich von ihnen unterschieden.
Stalin war der Meinung, dass, bedingt durch das schnelle Anwachsen der sowjetischen Industrie und besonders weil die Arbeiterklasse durch die Bolschewistische Partei die Macht ausübte, die Bezeichnung Proletariat' nicht mehr angemessen sei. Das Wort Proletariat, so Stalin, beziehe sich auf die Arbeiterklasse unter Bedingungen kapitalistischer Ausbeutung oder unter der Vorherrschaft kapitalistischer Produktionsverhältnisse, so wie sie in den ersten zehn Jahren der Sowjetunion, besonders unter der NÖP, existiert hatten. Da aber nun die direkte Ausbeutung der Arbeiter durch die Kapitalisten abgeschafft sei, sollte die Arbeiterklasse nicht mehr Proletariat' genannt werden.
Danach existierten keine Ausbeuter von Arbeit mehr. Die Arbeiter - durch die Bolschewistische Partei - regierten das Land in ihrem eigenen Interesse und unterschieden sich von dem traditionellen Proletariat'. Deshalb sei der Begriff Diktatur des Proletariats' keine angemessene Bezeichnung mehr. Diese neuen Bedingungen erforderten einen neuen Staat. (Schukow, Inoi, S. 231, 292; Stalin, Entwurf, S. 800-1).
Die Führung unter Stalin machte sich auch Gedanken über die neue Rolle der Partei in diesem Stadium des Sozialismus. Stalin selbst setzte den Kampf gegen den Bürokratismus' schon in seinem Bericht an den 17. Parteitag im Januar 1934 auf die Tagesordnung.10 Stalin, Molotow und andere bezeichneten das neue Wahlsystem als Waffe gegen die Bürokratisierung'.
Parteiführer kontrollierten die Regierung sowohl dadurch, dass sie darüber bestimmten, wer in die Sowjets kam, als auch dadurch, dass sie verschiedene Methoden der Aufsicht und Kontrolle über die Ministerien der Regierung zur Anwendung brachten. Als Molotow am 6. Februar 1935 vor dem 7. Kongress der Sowjets sprach, wies er darauf hin, dass geheime Wahlen bürokratischen Elementen einen schweren Schlag und einen heilsamen Schock versetzen werden'. Jenukidses Bericht hatte geheime Wahlen und die Ausweitung des Wahlrechts nicht empfohlen, geschweige denn auch nur erwähnt. (Stalin, Bericht an den 17. Parteitag; Schukow, Inoi, S. 124).
Minister der Regierung und ihre Mitarbeiter benötigten Informationen über die Angelegenheiten, die sie leiteten, wenn sie effektive Arbeit leisten wollten. Das setzte Ausbildung, in aller Regel eine Spezialausbildung auf ihrem Gebiet voraus. Jedoch machten Parteiführer häufig allein durch ihren Aufstieg innerhalb der Partei Karriere. Keinerlei Spezialkenntnisse waren für diesen Aufstieg vonnöten. Es wurden nur politische Kriterien angelegt. Diese Parteibeamten übten Kontrollfunktionen aus, obwohl sie häufig nicht über die Fachkenntnisse verfügten, die sie erst in die Lage versetzt hätten, eine effektive Aufsicht auszuüben. (Stalin-Howard-Interview; Schukow, Inoi, S. 305; Schukow, Repressii, S. 6).
Dies ist offensichtlich das, was die Führung unter Stalin unter dem Begriff Bürokratismus' verstand. Obwohl sie ihn als eine Gefahr ansahen - so wie dies alle Marxisten tun - glaubten sie, dass er keine unvermeidliche Erscheinung sei und waren der Ansicht, dass er durch den Wandel der Rolle der Partei in der sozialistischen Gesellschaft überwunden werden könne.
Die Vorstellungen von Demokratie, die Stalin und seine Anhänger in der Parteiführung in der Sowjetunion einführen wollten, mussten unweigerlich zu einem Wandel der Rolle der Bolschewistischen Partei in der Gesellschaft führen. Schukow:
"Jene Dokumente, die den Forschern zugänglich waren, versetzten uns durchaus in die Lage zu verstehen , dass bereits Ende der dreißiger Jahre entschlossene Versuche unternommen wurden, die Partei vom Staat zu trennen und ihre Rolle im Leben der Gesellschaft erheblich zu begrenzen". (Schukow, Tayny- Geheimnis, S. 8).
Stalin und seine Anhänger setzten diesen Kampf energisch gegen den Widerstand anderer Kräfte in der Bolschewistischen Partei bis zu seinem Tod fort, mussten aber erkennen, dass die Chancen auf Erfolg mit der Zeit immer mehr abnahmen. Lawrenti Berijas Entschlossenheit, diesen Kampf fortzuführen, scheint der wahre Grund dafür gewesen zu sein, dass Chruschtschow und andere ihn ermordeten - entweder durch einen Scheinprozess mit erfundenen Beschuldigungen im Dezember 1953 oder, worauf zahlreiche Dinge hindeuten, durch buchstäblichen Mord schon im Juni des gleichen Jahres.
Artikel 3 der Verfassung aus dem Jahre 1936 lautet: In der UdSSR geht alle Macht vom arbeitenden Volk in den Städten und auf dem Lande aus, ausgeübt durch die Arbeit der Volksvertreter in den Sowjets'. Die Kommunistische Partei wird in Artikel 126 als die Avantgarde der Arbeiterklasse bei der Stärkung und Entwicklung des sozialistischen Systems bezeichnet und stellt den Führungskern aller leitenden Organisationen der arbeitenden Menschen in Verwaltung und Staat'. Das bedeutete nichts anderes, als dass die Partei die Organisationen leiten sollte, jedoch nicht die gesetzgebenden oder ausführenden Organe des Staates. (Verfassung von 1936; Schukow, Taynu, S. 29f).
Stalin scheint angenommen zu haben, dass, wenn die Partei erst einmal keine direkte Kontrolle mehr über die Gesellschaft besitzt, sich ihre Rolle auf Agitation und Propaganda sowie auf die Beteiligung bei der Auswahl von Kadern beschränken kann. Was hätte dies bedeutet? Vielleicht dies:
Die Partei hätte sich ihrer ureigenen Aufgabe, Menschen für die Ideale des Kommunismus - so wie sie ihn verstand - zu gewinnen, zuwenden können.
Dies hätte das Ende von einträglichen Ruheposten und eine Rückkehr zu dem disziplinierten Arbeitsstil und der selbstlosen Hingabe bedeutet, der für die Bolschewiki in der Periode der Zarenherrschaft, der Revolution, des Bürgerkriegs, der Zeit der NÖP oder während des sehr schwierigen Zeitabschnitts der rapiden Industrialisierung und der Kollektivierung typisch gewesen war. In dieser Zeit bedeutete Parteimitgliedschaft für die allermeisten harte Arbeit und Opfer, oft auch bei Unorganisierten, die den Bolschewiki feindlich gegenüber standen. Dies erforderte, sich unter den Massen eine solide Basis zu verschaffen. (Schukow, KP, 13. November, 2002; Muchin, Ubiystvo - Mord).
Stalin forderte, dass Kommunisten hart arbeitende, gebildete Leute zu sein hatten, die in der Lage sind, einen echten Beitrag zur Produktion und zur Schaffung einer kommunistischen Gesellschaft zu leisten. Stalin selbst war ein unermüdlicher Student.11
Zusammengefasst belegen die Fakten, dass Stalin mit dem neuen Wahlsystem folgende Ziele verfolgte:
Im Verlaufe des Jahres 1935 wurden unter der Leitung von Andrej Wyschinski, dem damaligen Generalstaatsanwalt der UdSSR, viele Bürger der Sowjetunion, die in die Verbannung geschickt oder inhaftiert worden waren und die kein Wahlrecht mehr besaßen, wieder in ihr alten Rechte eingesetzt. Hunderttausende ehemalige reiche Bauern, auch Kulaken genannt, waren das Hauptziel der Kollektivierungskampagne gewesen, und jene, die verhaftet oder in die Verbannung geschickt worden waren, weil sie sich in der einen oder anderen Form gegen die Kollektivierung gewehrt hatten, wurden wieder freigelassen. Wyschinski kritisierte das NKWD (Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten, einschließlich Innere Sicherheit) wegen einer ganzen Serie der größten Irrtümer und Fehleinschätzungen', in deren Folge fast 12.000 Menschen aus Leningrad nach der Ermordung von Kirow im Dezember 1934 deportiert worden waren.
Er erklärte dann, dass von nun an das NKWD niemanden mehr verhaften könne ohne seine vorherige Zustimmung. Die Zahl der Wahlberechtigten nahm dadurch um mindestens Hunderttausende von Menschen zu, die Gründe genug hatten, der Meinung zu sein, dass sie von Staat und Partei unfair behandelt worden waren. (Thurston, S. 6-9; Schukow, KP, 14. & 19. November; Schukow, Inoi, S. 187; ders., Repressii, S. 7).
Stalins ursprünglicher Vorschlag für eine neue Verfassung hatte Wahlen mit Gegenkandidaten nicht vorgesehen. Er kündigte ihn zuerst in dem Interview mit Roy Howard am 1. März 1936 an. Auf dem Zentralen Plenum des ZK im Juni 1937 erklärte einer der Mitglieder des ZK, der mit Stalin zusammen am engsten am Entwurf für die neue Verfassung gearbeitet hatte, nämlich Jakowlew, dass von Stalin selbst der Vorschlag für Wahlen mit Gegenkandidaten gekommen sei. (Schukow, Inoi, S. 223). Der Vorschlag scheint auf verbreiteten, wenn auch stillen Widerstand von Seiten regionaler Parteiführer und der Ersten Sekretäre (auch Partokratie' genannt - Schukow) gestoßen zu sein. Nach dem Howard-Interview gab es noch nicht einmal einen höflichen Beifall für Stalins Stellungnahme zugunsten von freien Wahlen mit Gegenkandidaten in den zentralen Presseorganen, die unter der direkten Kontrolle des Politbüros standen. Die Prawda schrieb dazu nur einen einzigen Artikel, und zwar am 10. März 1936, und ignorierte darin den Vorschlag.
Daraus folgert Schukow:
"Das konnte nur eines bedeuten: Nicht nur die breite Führerschaft' (sprich die regionalen Ersten Sekretäre), sondern zumindest ein Teil des ZK-Apparats, darunter Agitprop unter Stetzki und Tal, akzeptierten Stalins Vorschlag nicht, wollten ihn nicht einmal in einer rein formalen Fassung billigen. Freie Wahlen mit Gegenkandidaten waren für viele gefährlich, was sich aus jenen Worten Stalins ergab, die von der Prawda hervorgehoben worden waren: Sie bedrohten direkt die Positionen und die reale Macht der Ersten Sekretäre, die Zentralkomitees der nationalen kommunistischen Parteien, die regionalen, die Bereichs- und Stadt- sowie Gebietskomitees. (Inoi, S. 211).
Die Ersten Sekretäre der Partei bekleideten Parteiämter, aus denen sie nach keiner Wahlniederlage bei Wahlen zu den Sowjets wieder entfernt werden konnten. Aber die ungeheure Macht, die sie auf örtlicher Ebene besaßen, ergab sich hauptsächlich aus der Kontrolle der Partei über jeden einzelnen Aspekt der Ökonomie und des Staatsapparates, über Kolchosen, Fabriken, Ausbildung und Militärwesen. Das neue Wahlsystem hätte dazu geführt, dass sie nicht mehr automatisch Delegierte zu den Sowjets gewesen wären und hätte ihnen die Macht entzogen, einfach die Delegierten auszusuchen. Die eigene Niederlage oder die ihrer' Kandidaten (der Parteikandidaten) bei Wahlen zu den Sowjets wäre ein Volksentscheid über ihre Arbeit gewesen. Ein Erster Sekretär, dessen Kandidaten bei einer Wahl von Nicht-Parteikandidaten besiegt worden wäre, wäre als jemand entlarvt worden, der nur eine schwache Verankerung unter den Massen besaß. Bei Wahlkämpfen hätten Oppositionskandidaten ganz sicher Fälle von Korruption, Autoritarismus oder Inkompetenz, die ihnen unter Parteioffiziellen aufgefallen wäre, ausgeschlachtet. Unterlegene Kandidaten wären als Kommunisten mit ernsthaften Schwächen bloßgestellt worden, was wahrscheinlich zu ihrer Absetzung geführt hätte. (Schukow, KP, November, 13, 2002; Inoi, S. 226; vgl. auch Getty, Excesses - Auswüchse, S. 122f).
Hochrangige Parteiführer waren in aller Regel Parteimitglieder, die schon jahrelang in der Partei gedient hatten, waren Veteranen aus wirklich gefährlichen zaristischen Zeiten, aus Zeiten der Revolution, des Bürgerkrieges und der Kollektivierungen, als Kommunist sein hieß, mit großen Gefahren und Schwierigkeiten fertig werden zu müssen. Viele besaßen nur eine geringe formale Ausbildung. Außer Stalin, Kirow und Berija waren, so scheint es, die wenigsten bereit oder in der Lage, sich durch Selbststudium auf Vordermann zu bringen'. (Muchin, Ubiystvo, S. 37; Dimitroff, S. 33f; Stalin Sastolnye - Tischgespräche, S. 235f).
All diese Männer waren langjährige Weggefährten Stalins gewesen. Sie waren es gewesen, die die rigorose Kollektivierung der Bauernschaft, in deren Verlauf Tausende deportiert wurden, durchführen halfen. In den Jahren 1932-1933 waren viele Menschen, vielleicht bis zu drei Millionen, durch eine Hungersnot umgekommen, die nicht von Menschen herbeigeführt wurde. Aber es war eine Hungersnot, die für die Bauernschaft durch die Kollektivierung und durch die Ablieferungspflicht für Getreide, um die Arbeiter in den Städten zu ernähren sowie durch bewaffnete Bauernaufstände verschlimmert wurde, denen auch zahlreiche Bolschewiki zum Opfer fielen. Diese Parteiführer leiteten die stürmische Kollektivierung unter schwierigen Bedingungen, bei schlechten Wohnverhältnissen, bei unzureichender medizinischer Versorgung, bei Unterversorgung mit Lebensmitteln, bei geringem Lohn und nur wenigen Konsumgütern, die man dafür kaufen konnte. (Tauger; Anderson & Silver; Schukow, KP, 13. November 2002).
Und nun waren sie mit Wahlen konfrontiert, bei denen jenen, denen man früher das Wahlrecht entzogen hatte, weil sie auf der falschen Seite der sowjetischen Politik gestanden hatten, urplötzlich dieses Wahlrecht wieder zugestanden werden sollte. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie befürchteten, dass viele gegen ihre Wunschkandidaten oder sogar gegen jeden bolschewistischen Kandidaten stimmen würden. Falls dies eintreten sollte, liefen sie Gefahr, degradiert zu werden oder hatten sogar Schlimmeres zu befürchten. Natürlich würden sie in diesem Fall immer noch irgendeine Funktion in der Partei erhalten oder schlimmer noch: irgendeinen Job erhalten. Die neue Stalin'-Verfassung garantierte jedem Sowjetbürger das Recht auf Arbeit, zusammen mit ärztlicher Versorgung, einer Rente, einer Ausbildung usw. Aber diese Männer (es waren praktisch nur Männer) waren Macht und Privilegien gewohnt, die allesamt im Falle eines Durchfallens ihrer Kandidaten bei den Wahlen bedroht waren. (Schukow, KP, 13. November, 2002; 1936iger Verfassung, Kapitel 10; vgl. Getty, Excesses - Auswüchse, S. 125, über die Bedeutung religiöser Gefühle im Land).
Die Pläne für die neue Verfassung und für die Wahlen waren auf dem Juni-Plenum des Zentralkomitees entworfen worden (1936). Die Delegierten billigten einmütig den Verfassungsentwurf. Aber niemand sprach sich dafür aus. Dass noch nicht einmal Lippenbekenntnisse für Stalins Vorschlag abgegeben wurden, deutet darauf hin, dass es eine unterschwellige Opposition in der Führungsschicht bzw. einen demonstrativen Mangel an Interesse' dafür gab. (Schukow, Inoi, S. 232, S. 236; Repressii, S. 10f).
Auf dem Achten Allrussischen Sowjetkongress im November/Dezember 1936 betonten Stalin und Molotow erneut den Stellenwert einer Ausweitung des Wahlrechts sowie von geheimen Wahlen mit Gegenkandidaten. Ganz im Sinne von Stalins Interview mit Howard unterstrich Molotow erneut die für die Partei segensreiche Wirkung der Zulassung von nichtkommunistischen Kandidaten bei den Wahlen zu den Sowjets:
"Dieses System kann nur dazu beitragen, dass jene, die zu Bürokraten geworden sind, die sich von den Massen entfernt haben einen Denkzettel bekommen, dass neue Kräfte leichter nach vorne kommen können , um rückwärtsgewandte und verbürokratisierte (ochinovnishimsya) Elemente zu ersetzen. Unter dem neuen Wahlsystem ist es möglich, dass feindliche Elemente gewählt werden. Aber selbst diese Gefahr kann uns letzten Endes nur nützen, weil sie für bestimmte Organisationen, die dies nötig haben, sowie für schläfrige (Partei)-Arbeiter als Peitschenhieb dienen können (Schukow, Repressii, S. 15).
Stalin drückte sich sogar noch drastischer aus:
"Einige sagen, dass dies gefährlich sei, weil sich Elemente, die der Sowjetmacht feindlich gesonnen sind, in die höchsten Ämter einschleichen könnten, also einige der ehemaligen Weißgardisten, der Kulaken, Priester u. a.. Aber was gibt es da wirklich zu fürchten? Wenn du vor Wölfen Angst hast, dann geh' nicht in den Wald'! Erstens sind nicht alle ehemaligen Kulaken, Weißgardisten und Priester der Sowjetmacht feindlich gesonnen und zweitens: Wenn die Menschen da und dort feindliche Kräfte wählen, dann bedeutet dies nur, dass unsere agitatorische Arbeit schlecht organisiert war und dass wir diese Schmach vollkommen verdient haben". (Schukow, Inoi, S. 293; Stalin, Entwurf).
Einmal mehr legten die Ersten Sekretäre unterschwellige Feindseligkeit an den Tag. Am 4. Dezember 1936 traf sich das Plenum des ZK. Die Sitzung überschnitt sich mit der des Sowjetkongresses. Es gab praktisch keine Diskussion über den ersten Tagesordnungspunkt: den Verfassungsentwurf. Jeschows Bericht Über die trotzkistischen und rechten antisowjetischen Organisationen' war für die Mitglieder des ZK weit mehr von Belang. (Fragmentii, S. 4f; Schukow, Inoi, S. 310f).
Am 5. Dezember 1936 billigte der Kongress den Entwurf für die neue Verfassung. Aber es gab kaum eine echte Diskussion. Stattdessen betonten die Delegierten (sprich Parteiführer) die Bedrohung durch Feinde aus dem In- und Ausland. Statt sich zu der Verfassung positiv zu äußern, ignorierten die Delegierten buchstäblich den wichtigsten Tagesordnungspunkt, über den Stalin, Molotow, Schdanow, Litwinow und Wyschinski berichtet hatten. Es wurde eine Kommission zwecks weiterer Prüfung des Entwurfs eingesetzt, aber zu den freien Wahlen mit Gegenkandidaten wurde nichts weiter beschlossen. (Schukow, Inoi, S. 294, S. 298, S. 309).
Die internationale Lage war tatsächlich sehr angespannt. Der Sieg des Faschismus im Spanischen Bürgerkrieg war nur noch eine Frage der Zeit. Die Sowjetunion sah sich von feindlichen Mächten umgeben. In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre herrschten in all diesen Ländern ausnahmslos streng autoritäre, militaristische, antikommunistische und antisowjetische Regimes. Im Oktober 1936 hatte Finnland über die sowjetische Grenze geschossen. Im gleichen Monat wurde die Achse Berlin-Rom' durch Hitler und Mussolini gegründet. Einen Monat später schloss sich Japan Nazideutschland und dem faschistischen Italien an. Es entstand der Anti-Komintern-Pakt'. Sowjetische Bemühungen, militärische Bündnisse gegen Nazideutschland zu schließen, trafen in den Hauptstädten des Westens auf Ablehnung. (Schukow,Inoi, S. 285-309).
Während sich der Kongress mit der neuen Verfassung beschäftigte, befand sich die sowjetische Führung zwischen den beiden ersten großen Moskauer Prozessen. Sinowjew und Kamenjew standen zusammen mit einigen anderen im August 1936 vor Gericht. Der zweite Prozess fand im Januar 1937 statt, auf dem sich einige der wichtigsten Anhänger Trotzkis, angeführt von Juri Pjatakow, zu verantworten hatten. Pjatakow war noch vor kurzer Zeit stellvertretender Kommissar für die Schwerindustrie gewesen.12
Das Februar-März-Plenum des ZK (1937) zeigte den dramatischen Widerspruch auf, mit dem es die Parteiführung zu tun hatte: auf der einen Seite die Notwendigkeit, den Kampf gegen den inneren Feind führen zu müssen und auf der anderen die Notwendigkeit, sich auf geheime Wahlen mit Gegenkandidaten unter der neuen Verfassung bis Jahresende vorzubereiten. Die allmähliche Entdeckung immer neuer Gruppierungen, die gegen die Sowjetregierung konspiriert hatten, verlangte nach dem Einsatz der Sicherheitskräfte. Aber die Vorbereitung auf wahrhaft demokratische Wahlen und die Ausweitung der innerparteilichen Demokratie - ein Thema, das von den engsten Mitarbeitern Stalins immer wieder angeschnitten wurde - verlangte nach dem genauen Gegenteil: nach Offenheit gegenüber Kritik und Selbstkritik, nach geheimen Wahlen von führenden Parteipolitikern durch die Parteibasis und nach einem Ende der Kooptation durch die Ersten Sekretäre.
Diese Vollversammlung, die längste, die je in der Geschichte der Sowjetunion abgehalten wurde, zog sich zwei Wochen hin. Und dennoch drang bis 1992 fast nichts darüber an die Öffentlichkeit, als das umfangreiche Protokoll des Plenums in Voprossi Istorii - Fragen zur Geschichte - endlich veröffentlicht wurde, wozu die Zeitschrift fast vier Jahren benötigte.
Jeschows Bericht über die andauernden Untersuchungen von Verschwörungen im Land wurde überschattet durch das Auftreten von Nikolai Bucharin, der versuchte, sich wortreich zu seinen eigenen Untaten aus der Vergangenheit zu bekennen und sich gleichzeitig von ehemaligen Verbündeten zu distanzieren und nicht müde wurde, seine Loyalität zu bekunden und sich dadurch nur noch tiefer verstrickte. (Thurston, S. 40-42; Getty und Naumow stimmen dem zu, S. 563).
Drei Tage danach sprach Schdanow über die Notwendigkeit von mehr Demokratie - sowohl im Lande als auch in der Partei, und rief zum Kampf gegen die Bürokratie und die Herstellung engerer Verbindungen zum Volk, innerhalb und außerhalb der Partei, auf.
"Das neue Wahlsystem wird einen gewaltigen Schub bringen für die Verbesserung der Arbeit der Sowjets, für die Liquidierung verbürokratisierter Organe, für die Überwindung bürokratischer Erscheinungen und von Mängeln in der Arbeit unserer sowjetischen Organisationen. Und diese Mängel sind, wie Ihr wisst, sehr erheblich. Unsere Partei muss für den Kampf an der Urne bereit sein. Bei den Wahlen werden wir es mit feindlicher Propaganda zu tun bekommen, aber auch mit feindlichen Kandidaten." (Schukow, Inoi, S. 343).
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass Schdanow, der für die sowjetische Führung sprach, echte Wahlkämpfe voraussah, bei denen Nicht-Partei-Kandidaten auftreten würden, die klar gegen die Entwicklung in der Sowjetunion waren. Diese Tatsache steht in krassem Widerspruch zu den Darstellungen der Kalten Krieger und der Chruschtschow-Anhänger.
Schdanow betonte auch in aller Ausführlichkeit die Notwendigkeit, innerhalb der Bolschewistischen Partei demokratische Normen zu entwickeln.
"Wenn wir wollen, dass unsere sowjetischen und Parteiarbeiter unsere Gesetze respektieren und wenn wir wollen, dass die Massen die sowjetische Verfassung achten, müssen wir die Umstrukturierung (perestroika) unserer Parteiarbeit auf der Grundlage einer unzweifelhaften und vollständigen Verwirklichung der Grundelemente einer innerparteilichen Demokratie, so wie sie in den Statuten unserer Partei niedergelegt sind, garantieren."
Er zählte die wesentlichen Maßnahmen dafür auf, die schon in dem Resolutionsentwurf zu seinem Bericht enthalten waren: Die Beseitigung der Kooptation, das Verbot der Wahl von Vorschlagslisten, eine Garantie des uneingeschränkten Rechts von Mitgliedern der Partei, die nominierten Kandidaten abzulehnen sowie das uneingeschränkte Recht, diese Kandidaten zu kritisieren'. (Schukow, Inoi, S. 345).
Jedoch ging Schdanows Bericht in den Diskussionen zu anderen Tagesordnungspunkten - hauptsächlich über Feinde' - völlig unter. Eine Reihe Erster Sekretäre reagierte alarmiert und befürchtete, dass jene, denen man zutrauen könnte, sich am eifrigsten auf die Wahlen vorzubereiten, Feinde der Sowjetmacht seien: Sozialrevolutionäre, die Priesterschaft und andere Feinde'.13
Molotow antwortete mit einem eigenen Bericht und unterstrich erneut die Notwendigkeit, die Selbstkritik zu entfalten und zu festigen' und verurteilte die Suche nach Feinden', wenn er ausführte:
"Es macht keinen Sinn nach Leuten zu suchen, denen man die Schuld geben kann, Genossen. Dann kann man allen von uns die Schuld geben, wenn man es drauf anlegt - angefangen von den zentralen Institutionen der Partei bis hinunter zu den untersten Parteiorganisationen". (Schukow, Inoi, S. 349).
Aber diejenigen, die ihm auf das Podium folgten, ignorierten seinen Bericht und betonten erneut die Notwendigkeit, Feinde aufzuspüren, Saboteure zu entlarven und den Kampf gegen Sabotage fortzusetzen' (Inoi, S. 352). Als er noch einmal sprach, drückte Molotow seine Verwunderung darüber aus, dass fast niemand auf den Inhalt seines Berichts eingegangen war, den er dann noch einmal wiederholte. Aber bevor er dies tat, fasste er zusammen, was gegen interne Feinde gerade unternommen wurde.
Stalins Rede an diesem 3. März war ähnlich zweigeteilt. Zum Schluss kam er darauf zu sprechen, dass es wichtig sei, die Parteiarbeit zu verbessern, unfähige Parteimitglieder zu verdrängen und sie durch neue zu ersetzen. Aber auch sein Bericht wurde wie der Molotows größtenteils mit Schweigen übergangen. Dazu Schukow:
"Von Anbeginn der Diskussionen zeigten sich Stalins Befürchtungen als gerechtfertigt. Es schien, dass er auf eine Mauer des Unverständnisses gestoßen war, auf die fehlende Bereitschaft der ZK-Mitglieder gestoßen war, die nur das, was sie aus seinem Bericht herausgelesen hatten, diskutieren wollten. Von den 24 Leuten, die sich an der Diskussion beteiligten, sprachen 15 von den Volksfeinden', sprich den Trotzkisten. Sie sprachen aus Überzeugung und aggressiv, so wie sie es nach den Berichten von Schdanow und Molotow vorher schon getan hatten. Sie reduzierten alle Probleme auf eines: auf die Notwendigkeit, Feinde' auszumachen, und praktisch niemand ging auf Stalins wichtigste Punkte ein: die Mängel in der Arbeit der Parteiorganisationen und die Vorbereitung der Wahlen zum Obersten Sowjet."(Schukow, Inoi, S. 357).
Die Stalin-Führung verstärkte ihre Angriffe gegen die Ersten Sekretäre. Jakowlew kritisierte den Chef der Moskauer Parteiführung, Chruschtschow, aber auch andere, weil sie ungerechtfertigte Parteiausschlüsse vorgenommen hatten. Malenkow schloss sich seiner Kritik an den Parteisekretären wegen ihrer Gleichgültigkeit gegenüber einfachen Mitgliedern an. Danach sprachen die ZK-Mitglieder erst einmal nicht mehr von den Feinden und gingen dazu über, sich selbst zu rechtfertigen. Immer noch gab es keine Reaktionen auf Stalins Bericht. (Schukow, Inoi, S. 358-360).
In seiner Schlussansprache am letzten Tag des Plenums, am 5. März, sah Stalin wenig Veranlassung, Feinde zu jagen, auch nicht die Trotzkisten, von denen viele, so Stalin, sich inzwischen der Partei zugewendet hätten. Sein Hauptthema war die Notwendigkeit, Parteioffizielle davon fernzuhalten, alle Bereiche des Wirtschaftslebens zu kontrollieren, bestand darin, die Bürokratie zu bekämpfen und das politische Niveau von Parteiarbeitern anzuheben. Mit anderen Worten: Stalin rückte den Ersten Sekretären auf den Pelz.
"Einige Genossen unter uns meinen, wenn sie Narkom sind (Volkskommissar), dass sie dann alles wissen. Sie meinen, dass der Rang, den sie bekleiden, ihnen automatisch unerschöpfliches Wissen verleihe. Oder vielleicht meinen sie auch: Wenn ich Mitglied des Zentralkomitees bin, dann bin ich das ja nicht durch Zufall, dann muss ich ja alles wissen. Dies ist aber nicht der Fall." (Stalins Schlussansprache, Schukow, Inoi, S. 360f).
Eine Bemerkung Stalins muss für alle Parteioffiziellen, einschließlich der Ersten Sekretäre, sehr bedrohlich geklungen haben: Er schlug vor, dass jeder von ihnen sechsmonatige politische Weiterbildungskurse, die demnächst eingerichtet würden, besuchen sollte. In dieser Zeit sollten zwei Kader ihrer Wahl ihren Platz einnehmen. Es kann durchaus sein, dass die Parteisekretäre befürchteten, dass Ihnen während ihrer Abwesenheit neue Aufgaben zugeteilt werden sollten, was ihren Familien' (ihrer Anhängerschaft und damit dem Herzen der Bürokratie) das Rückgrat hätte brechen können. (Schukow, Inoi , S. 362).
Thurston beurteilt Stalins Rede als wesentlich moderater'. Er betont darin die Notwendigkeit, von den Massen zu lernen und Kritik von unten Gehör zu schenken'. Die Resolution, die dann basierend auf Stalins Rede gefasst wurde, beschäftigte sich mit den Feinden' nur kurz und ging hauptsächlich auf die Mängel der Arbeit in den Parteiorganisationen und die ihrer Führungen ein. Nach Schukow, der aus der unveröffentlichten Resolution zitiert, handelt nicht ein einziger der 25 Punkte von den sog. Feinden. (Thurston, S. 48f; Schukow, ebd., S. 362-364).14
Nach der Vollversammlung probten die Ersten Sekretäre buchstäblich den Aufstand. Zuerst Stalin und dann das Politbüro gaben Verlautbarungen heraus, in denen die Notwendigkeit unterstrichen wurde, geheime Parteiwahlen durchzuführen, mit der Kooptation Schluss zu machen und die innerparteiliche Demokratie zu entwickeln. Die Ersten Sekretäre würden sich ungeachtet der Resolutionen des Plenums in den alten, ausgefahrenen Gleisen bewegen.
In den dann folgenden Monaten versuchten Stalin und seine engsten Mitarbeiter den Schwerpunkt von der Jagd auf den inneren Feind - die Hauptsorge der ZK-Mitglieder - auf den Kampf gegen die Parteibürokratie zu verlagern und die Wahlen zu den Sowjets vorzubereiten. Zwischenzeitlich taten die örtlichen Parteiführer alles in ihrer Macht Stehende, was im Rahmen (und teilweise auch außerhalb dieses Rahmens) der Parteidisziplin möglich war, um die Wahlen aufzuhalten oder zu modifizieren'. (Getty, Excesses, S. 126; Schukow, Inoi, S. 367-371).
Die plötzliche Aufdeckung einer scheinbar breit angelegten militärischen und sicherheitspolitischen Verschwörung führte dazu, dass die Stalin-Regierung panikartig reagierte. Genrich Jagoda, der Chef der Sicherheitspolizei und Volkskommissar für Innere Angelegenheiten, wurde Ende März 1937 verhaftet und begann im April Geständnisse abzulegen. Im Mai und Anfang Juni gestanden hochrangige Militärführer, mit dem Deutschen Generalstab zusammengearbeitet zu haben, um die Rote Armee im Falle einer Invasion durch Deutschland und seine Verbündeten zu besiegen. Sie gaben auch zu, mit den Verschwörungen bestimmter politischer Führer verbunden gewesen zu sein, darunter solche, die immer noch hohe Positionen bekleideten. (Getty, Excesses, S. 115, 135; Thurston, S. 70, 90, 101f; Genrich Jagoda)15.
Diese Lage war weit komplizierter als irgendeine andere, mit der die sowjetische Regierung bisher konfrontiert gewesen war. Bei den Moskauer Prozessen von 1936 und 1937 nahm sich die Regierung noch Zeit, um die Fälle vorzubereiten und um einen öffentlichen Prozess mit größtmöglicher Publizität zu organisieren. Mit der Militärverschwörung ging man jedoch ganz anders um. Nur drei Wochen vergingen nach der Verhaftung von Michail Tuchatschewski Ende Mai bis zum Prozess und bis zu seiner Erschießung sowie der sieben anderer hochrangiger Kommandeure am 11. und 12. Juni. In dieser Zeit wurden Hunderte von hohen Militärführern nach Moskau einbestellt, wo man ihnen die Beweise gegen ihre Kollegen vortrug, die ihre Vorgesetzten gewesen waren und mussten sich die alarmierenden Einschätzungen von Stalin und Marschall Woroschilow, dem Volkskommissar für Verteidigung und damit dem höchsten Militärführer des Landes, anhören.
Zur Zeit des Februar-März Plenums des ZK waren weder Jagoda noch Tuchatschewski schon verhaftet. Stalin und das Politbüro hatten vorgehabt, dass Thema Verfassung zum wichtigsten Tagesordnungspunkt zu machen und wurden durch die Tatsache in die Defensive gedrängt, dass die meisten diesen Punkt ignorierten und stattdessen den Kampf gegen Feinde' in den Vordergrund stellen wollten. Das Politbüro hatte auch vor, die Verfassungsreform auf dem bevorstehenden Juni-Plenum (1937) zum zentralen Tagesordnungspunkt zu machen. Aber im Juni war die Lage schon wieder anders. Die Entdeckung der Verschwörungen durch die Leitung des NKWDs und die Tatsache, dass die prominentesten Militärführer geplant hatten, die Regierung zu stürzen und ihre Mitglieder zu ermorden, bewirkten einen grundlegenden Wandel in der politischen Atmosphäre.
Stalin befand sich in der Defensive. In seiner Rede vom 2. Juni vor der erweiterten Sitzung des Militärsowjets (sie tagte vom 1. bis 4. Juni) stellte er die Serie der neu entdeckten Verschwörungen16 als begrenzt hin. Man habe sie im Prinzip erfolgreich beendet. Schon auf dem Februar-März-Plenum hatten er und seine Anhänger die ernsten Besorgnisse wegen der internen Feinde seitens der Ersten Sekretäre heruntergespielt. Stalin entglitt die Lage allmählich, aber entschieden', wie Schukow anmerkt. (Stalin, Vystuplenie - Rede; Schukow, Inoi, Kap. 16, siehe dort, S. 411).
Das Plenum des Zentralkomitees vom Juni 193717 begann mit Vorschlägen, sieben ständige ZK-Mitglieder und Kandidaten wegen Mangels an politischer Vertrauenswürdigkeit' auszuschließen; sodann sollten noch weitere 19 Mitglieder und Kandidaten wegen Verrats und aktiver konterrevolutionärer Aktivitäten' ausgeschlossen werden. Diese letzten 19 sollten vom NKWD verhaftet werden. Nimmt man die zehn Mitglieder hinzu, die wegen ähnlicher Beschuldigungen schon vor dem Plenum nach einer Befragung der Mitglieder des ZK ausgeschlossen worden waren - einschließlich jene Militärführer, die bereits vor Gericht gestanden hatten, verurteilt und erschossen waren - so bedeutete dies, dass insgesamt 36 der 120 ZK-Mitglieder und Kandidaten seit dem 1. Mai entfernt worden waren.
Jakowlew und Molotow kritisierten, dass es die Parteiführer unterlassen hatten, unabhängige Wahlen zu den Sowjets anzusetzen. Molotow betonte sogar die Notwendigkeit, dekorierte Revolutionäre zu verdrängen, wenn sie nicht mehr bereit seien, den Anforderungen der Stunde zu genügen. Er stellte in seiner Rede heraus, dass sowjetische Offizielle nicht zweitrangige Arbeiter' seien. Offensichtlich behandelten bestimmte Parteiführer Arbeiter in dieser Weise.
Jakowlew entlarvte und kritisierte die Unterlassung der Ersten Sekretäre, geheime Wahlen für Parteiämter durchzuführen. Stattdessen verließen sie sich lieber auf Ernennungen (Kooptationen'). Er betonte, dass Parteimitglieder, die als Delegierte für die Sowjets bestimmt waren, nicht unter die Parteidisziplin außerhalb der Sowjets geraten dürften. Die Ersten Sekretäre dürften ihnen nicht Vorschriften darüber machen, wie sie zu wählen hätten. Sie hätten unabhängig zu sein. Und Jakowlew betonte mit entschiedenen Worten die Notwendigkeit, auf die reichen Reserven an neuen Kadern zurückzugreifen, um jene zu ersetzen, die korrumpiert und verbürokratisiert seien'. All diese Erklärungen stellten einen deutlichen Angriff auf die Ersten Sekretäre dar. (Schukow, Inoi, S. 424-427; Tayny, S. 39f, Archivmaterial zitierend).
Die Verfassung wurde schließlich fertiggestellt, und als Datum für die ersten Wahlen wurde der 12. Dezember 1937 gewählt. Die Stalin-Führung wies erneut auf die Vorteile hin, die mit einem Kampf gegen die Bürokratie und mit der Herstellung von festen Verbindungen zu den Massen verbunden seien. Jedoch - um dies zu wiederholen - war der bisher beispiellose und sehr rasche Ausschluss von 26 ZK-Mitgliedern vorausgegangen, von denen 19 direkt des Verrats und der konterrevolutionären Tätigkeit beschuldigt wurden. (Schukow, Inoi, S. 430).
Vielleicht ist die folgende Bemerkung Stalins, die von Schukow wiedergegeben wird, sehr aufschlussreich:
"Gegen Ende der Diskussion, als es um die Suche nach einem fairen Verfahren der Stimmenauszählung ging, merkte Stalin an, dass dieses Problem im Westen dank des Mehrparteiensystems nicht existiere. Unmittelbar darauf machte er plötzlich eine Bemerkung, die in einer Versammlung wie dieser recht merkwürdig anmutete: Wir haben keine unterschiedlichen politischen Parteien. Glücklicherweise oder unglücklicherweise haben wir nur eine Partei'. (Schukows Hervorhebung). Und dann schlug er vor - aber dies nur als vorläufige Maßnahme -, dass, um eine neutrale Wahlbeobachtung zu garantieren, alle existierenden sozialen Organisationen, ausgenommen die Bolschewistische Partei, Wahlbeobachter entsenden sollten. Der Fehdehandschuh war der Parteiautokratie vor die Füße geworfen worden. (Schukow, Inoi, S. 430f, Hervorhebung von mir; Tayny, S. 38).
Die Bolschewistische Partei befand sich in einer schweren Krise, und es war unmöglich zu erwarten, dass die Dinge glatt ablaufen würden. Es war die ungünstigste Atmosphäre entstanden, in der es nun galt, sich auf demokratische, geheime und allgemeine Wahlen mit Gegenkandidaten zu einigen. Stalins Pläne für eine Reform der sowjetischen Regierung und für eine veränderte Rolle der Bolschewistischen Partei in ihr waren zum Scheitern verurteilt.
Nach dem Ende des Plenums traf sich Robert Eiche, der Erste Sekretär der Westsibirischen Region (eine Region der russischen Republik), privat mit Stalin. Es folgten andere Erste Sekretäre. Sie verlangten wahrscheinlich außerordentliche Vollmachten von Stalin, die ihnen wenig später gewährt wurden: die Vollmacht, sog. Troikas bilden zu dürfen, also Gruppen aus drei Personen, um weit verbreitete Verschwörungen gegen die sowjetische Regierung in ihren Gebieten bekämpfen zu können.18 Diese Troikas erhielten das Recht, Erschießungen vorzunehmen, ohne dass gegen die ihnen zugrunde liegenden Urteile geklagt werden konnte. Es wurden Obergrenzen, was die Zahl der Exekutionen anging, festgelegt, aber auch für Verhaftungen. Aber als diese ausgeschöpft waren, erhielten die Ersten Sekretäre weitere Kontingente. Schukow nimmt an, dass Eiche im Namen einer inoffiziellen Gruppe von Ersten Sekretären gehandelt hat. (Getty, Auswüchse, S. 129, Schukow, Inoi, S. 435).
Wer waren die Zielscheiben dieser drakonischen Troika-Gerichte? Schukow meint, es müsse sich um die lischensis gehandelt haben, also um die gleichen Leute, deren Bürgerrechte, einschließlich Wahlrecht, erst kürzlich wiederhergestellt worden waren und deren Stimmen die größte potenzielle Bedrohung für die Ersten Sekretäre und ihr weiteres Verbleiben an der Macht darstellten.
Schukow bestreitet generell die Existenz von Verschwörungen. Jedoch weisen Dokumente aus Archiven, die unlängst in Russland veröffentlicht wurden, eindeutig darauf hin, dass die zentrale Führung ständig glaubwürdige Berichte von Seiten der Sicherheitskräfte über Verschwörungen erhielt, einschließlich Protokolle von Geständnissen. Stalin und Molotow waren ganz sicher der Meinung, dass diese Verschwörungen tatsächlich existierten. Meine Einschätzung ist die - ohne Schukow nahe treten zu wollen - dass zumindest einige dieser angeblichen Verschwörungen real waren und dass die Ersten Sekretäre an sie glaubten. (Schukow, KP, 13. November 2002; Inoi, Kap. 18; Repressii, S. 23; Lubianka B).
Eine andere Hypothese besagt, dass jeder, der zu irgendeiner oppositionellen Bewegung gehörte, wahrscheinlich als Feind' angesehen wurde und Angst haben musste, verhaftet oder vom NKWD verhört zu werden, das stets durch ein Mitglied in den Troikas vertreten war. Eine andere Gruppe bestand aus Leuten, die ganz offen ihr Misstrauen oder ihren Hass gegen das Sowjetsystem insgesamt zum Ausdruck brachten. Thurston zitiert Beweise, die belegen, dass diese Personen oft sofort verhaftet wurden. Jene jedoch, die einfach nur örtliche Parteiführer kritisierten, zum Beispiel auf Versammlungen, die eigens zu diesem Zweck angesetzt wurden, wurden nicht verhaftet, während oft jene, die kritisiert wurden, einschließlich Parteiführer, manchmal mit Verhaftung zu rechnen hatten. (Thurston, S. 94f).
Jene, die argumentieren, dass die Verschwörungen nur Symptome von Stalins Paranoia oder gar fabrizierte Lügen gewesen seien, um Stalins größenwahnsinniges Festhalten an der Macht zu rechtfertigen, sehen sich mit sehr vielen Beweisen dafür konfrontiert, dass solche Verschwörungen wirklich existierten. Dafür sprechen Berichte von Verschwörern, denen es später gelang, ins Ausland zu fliehen. Der riesige Umfang an polizeilichen Dokumentationen, die Verschwörungen betrafen, von dem bislang nur wenig veröffentlicht wurde, spricht sehr stark gegen die Vorstellung, dass all dies Produkte von Fälschungen waren. Auch Stalins Anmerkungen auf diesen Dokumenten beweisen, dass er fest daran glaubte, dass es sie wirklich gab. (Getty, Excesses, S. 131-134; Lubianka B).
Getty fast den unlösbaren Widerspruch folgendermaßen zusammen:
"Stalin war noch nicht bereit, von Wahlen mit Gegenkandidaten Abstand zu nehmen, und am 2. Juli 1937 enttäuschte die Prawda zweifellos die regionalen Sekretäre, als sie den ersten Bericht über die neuen Wahlregeln brachte, womit sie die allgemeinen und geheimen Wahlen mit Gegenkandidaten unterstützte. Stalin war jedoch bereit, einen Kompromiss einzugehen: An dem gleichen Tag, als das Wahlgesetz veröffentlicht wurde, billigte das Politbüro den Beginn einer Massenoperation gegen jene Elemente, über die sich die örtlichen Parteiführer beschwert hatten, und nur wenige Stunden später schickte er den Parteiführern in der Provinz ein Telegramm, worin er eine Operation gegen Kulaken anordnete (also gegen die lischensi - GF). Es fällt schwer, daraus nicht zu folgern, dass Stalin diesen Verfolgungen und Deportationen von gefährlichen Elementen' seine Zustimmung gab, um die Parteiführer auf diese Weise zu zwingen, Wahlen abzuhalten. (Getty, Excesses, S. 126).
Stalin scheint geglaubt zu haben, dass solche Säuberungen, darunter standrechtliche Erschießungen und Deportationen, nötig gewesen seien, um dadurch günstige Bedingungen für Wahlen mit Gegenkandidaten zu schaffen. Andererseits untergruben solche Aktivitäten gerade die Voraussetzungen für die Abhaltung von Wahlen.
Zuerst versuchte das Politbüro noch, die Säuberungskampagne zu begrenzen, als es anordnete, sie innerhalb von fünf Tagen abzuschließen. Irgendetwas zwang es, dem NKWD zu erlauben, die Zeitspanne auf vier Monate, vom 5./15. August bis zum 5./15. Dezember, auszudehnen. War es die große Zahl der Verhafteten? War es die Überzeugung, dass die Partei mit weit verbreiteten Verschwörungen konfrontiert war, also mit einer erheblichen inneren Bedrohung? Uns sind die Einzelheiten darüber, wie und warum sich diese Massenrepression in einem solchen Umfang ausbreiten konnte, unbekannt.
Dies war genau der Zeitraum, in dem eigentlich der Wahlkampf stattfinden sollte. Obwohl das Politbüro mit seinen Vorbereitungen für die Wahlen fortfuhr, indem es zum Beispiel Regeln festlegte, wie Wähler ihre Wahlentscheidung deutlich kennzeichnen konnten, wie Offizielle Stichwahlen zu organisieren hatten, kontrollierten eben diese örtlichen Offiziellen stattdessen die Repressionen. Sie durften festlegen, welche Art von Opposition gegen die Partei, falls es sie gab, als loyal' zu betrachten sei und welche nicht, auf welche mit Repression, Verhaftung oder Todesstrafe zu reagieren war und auf welche nicht. (Getty, Excesses, s. dort; Schukow, Inoi, S. 435).
Originaldokumente belegen, dass Stalin und die Führung des zentralen Politbüros überzeugt waren, dass antisowjetische Verschwörer aktiv waren und dass man etwas gegen sie unternehmen musste. Darauf hatten die regionalen Parteiführer während des Februar-März-Plenums gedrungen. Dort hatte die Stalin-Führung diese Gefahr heruntergespielt und versucht, die Aufmerksamkeit auf die Verfassung zurückzulenken, sich auf die neuen Wahlen vorzubereiten und verbürokratisierte' Elemente sowie alte Führungen durch neue zu ersetzen.
Auf dem Juni-Plenum waren die Ersten Sekretäre nun in der Lage zu sagen: Wir haben es ja gleich gesagt! Wir hatten Recht und ihr habt Unrecht gehabt! Und wir haben immer noch Recht, denn gefährliche Verschwörer sind immer noch aktiv und sind kurz davor, den Wahlkampf für eine Revolte gegen die Sowjetregierung zu nutzen'. War dies so? Es scheint Sinn zu ergeben, aber wir können nicht sicher sein.
Stalin und die zentrale Führung hatten keine Vorstellung davon, wie eingewurzelt diese Verschwörungen waren. Sie wussten nicht, was Nazideutschland oder das faschistische Japan tun würden. Am 2. Juni hatte Stalin der erweiterten Versammlung des Militärsowjets mitgeteilt, dass die Tuchatschewski-Gruppe die operative Planung der Roten Armee an den deutschen Generalstab verraten hatte. Das bedeutete, dass auch die Japaner, die zu der antikommunistischen Militärallianz, der Axe', gehörten (zum sog. Antikomintern-Pakt, der in Wirklichkeit ein Anti-Sowjetpakt war und zu dem auch das faschistische Italien gehörte) zweifellos nun auch diese Pläne besaßen.
Stalin erklärte vor den Militärführern, dass die Verschwörer die UdSSR in ein zweites Spanien' verwandeln wollten. Eine Fünfte Kolonne habe ihre Aktionen mit den faschistischen Armeen abgestimmt. Angesichts dieser enormen Gefahr war die sowjetische Führung entschlossen, hart und entschieden zu reagieren. (Stalin, Vystuplenie').
Gleichzeitig gibt es viele Hinweise darauf, dass die zentrale Führung um Stalin sowohl darum bemüht war, die Repressionen der Troikas', so wie sie von den Ersten Sekretären gefordert wurden, einzudämmen, als auch die geheimen Wahlen mit Gegenkandidaten, so wie sie die neue Verfassung vorsah, durchzuführen. Vom 5. bis zum 10. Juli schlossen sich die übrigen Ersten Sekretäre Eiches Vorpreschen an und reichten genaue Zahlen für jene ein, die sie durch Exekutionen (Kategorie eins) oder Gefängnisstrafen (Kategorie zwei) loswerden wollten. Dann, am 12. Juli, schickte der Stellvertretende NKWD-Kommissar M. P. Frinowski ein dringendes Telegramm an alle örtlichen Polizeibehörden:
"Nicht damit anfangen, ehemalige Kulaken zu verhaften! Ich wiederhole: nicht anfangen!" (Getty, Excesses, S. 127f).
Örtliche NKWD-Führer wurden nach Moskau zitiert, um an Konferenzen teilzunehmen, wo der Befehl Nr. 00447 ausgegeben wurde. Diese sehr lange und detaillierte Anweisung weitete einerseits die Kategorie für diejenigen aus, die wie Priester und Kriminelle ,der Sowjetmacht Widerstand geleistet hatten, aber andererseits senkte sie die von den Provinzsekretären angeforderten Höchstzahlen.19 All dies Hin und Her deutet auf Unstimmigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen dem Zentrum' auf der einen Seite - Stalin und Politbüro - und den Ersten Sekretären in den Provinzen auf der anderen Seite hin. Stalin war ganz eindeutig nicht Herr der Lage. (Befehl Nr. 00447; Getty, Excesses., S. 126-129).
Das Plenum des Zentralkomitees vom Oktober 1937 sprach sich schließlich für die Beendigung der Pläne für Wahlen mit Gegenkandidaten aus. Ein Musterwahlzettel mit mehreren Kandidaten war schon entworfen worden. Einige davon haben in verschiedenen Archiven überlebt.20 Stattdessen wurden die Wahlen zu den Sowjets mit Kandidatenlisten abgehalten, auf denen Kandidaten der Partei zusammen mit etwa 20-25% Nicht-Partei-Kandidaten zu sehen waren - mit anderen Worten: Wahlen ohne Gegenkandidaten, dafür aber auf der Grundlage eines Bündnisses'. Ursprünglich sollte es solche gemeinsamen Kandidatenlisten nicht geben. Es sollten nur Einzelpersonen gewählt werden können - eine weitaus demokratischere Methode.
Schukow hat tatsächlich das entscheidende Dokument gefunden, das von Molotow unterzeichnet worden war, datiert vom 11. Oktober, 6 Uhr abends, womit er die Wahlen mit Gegenkandidaten ad acta legte. Das bedeutete für Stalin und seine Anhänger im Politbüro einen enormen, aber unvermeidlichen Rückschlag. (Schukow, KP, 19. November 2002; Schukow, Taynu, S. 41; Schukow, Inoi, S. 443).
Auf dem gleichen ZK-Plenum im Oktober wurde auch der erste Protest gegen die Massenrepressionen vorgebracht : durch Peskarow, den Ersten Sekretär von Kursk:
"Sie (wer ist gemeint - das NKWD oder die Troikas? - GF) verurteilen die Leute wegen irgendwelcher Lappalien illegal, und als wir das dem ZK mitteilten, haben Stalin und Molotow uns entschieden verteidigt und haben eine Arbeiterbrigade des Obersten Gerichts und der Generalstaatsanwaltschaft hingeschickt, um diese Fälle zu überprüfen , und es stellte sich nach nur drei Wochen Arbeit heraus, dass 56% der Urteile in 16 Rayons von der Brigade als illegal eingestuft werden mussten. Und obendrein: Bei 45% der Urteile hatte sich herausgestellt, dass überhaupt keine Verbrechen begangen worden waren." (Schukow, Taynu, S. 43, Hervorhebungen von mir).
Auf dem Plenum im Januar 1938 übte Malenkow scharfe Kritik daran, dass eine riesige Zahl von Parteimitgliedern ausgeschlossen worden war und dass einfache Bürger verurteilt wurden, ohne dass überhaupt Namenslisten existierten, sondern nur auf der Grundlage von Zahlen! Postyschew, der Erste Sekretär von Kuybischew, wurde daraufhin als Kandidat des Politbüros entfernt, weil er der Meinung gewesen war, dass es kaum einen einzigen ehrlichen Mann' unter den Parteibeamten gebe.
Das NKWD schien außer Kontrolle geraten zu sein, zumindest in vielen Gebieten der Provinz, aber auch die Ersten Sekretäre waren es. (Schukow, KP, 19. November 2002; Taynu, S. 47-51; Thurston, S. 101f, S. 112). Das Politbüro war jedoch immer noch besorgt darüber, dass es tatsächlich Verschwörungen gab, denen man sich stellen musste. Das ganze Ausmaß der NKWD-Auswüchse wurde jedoch verkannt. Auf Malenkows Bericht, in dem er Karrieristen innerhalb der Partei für die Massenausschlüsse und -verhaftungen verantwortlich machte, folgten die Berichte von Kaganowitsch und Schdanow, die wieder den Kampf gegen die Feinde betonten und nur am Rande von Naivität und Ignoranz in der Arbeit ehrlicher Bolschewiki' sprachen.
Die Prawda, die sich unter der direkten Kontrolle der Stalin-Führung befand, setzte sich immer noch dafür ein, der Partei die direkte Kontrolle über wirtschaftliche Angelegenheiten zu entziehen und betonte die Notwendigkeit, Unorganisierte in führende Positionen zu bringen. (Schukow, Taynu, S. 51f). Währenddessen wurde Nikita Chruschtschow, der noch 1937 als Vorsitzender der Partei in Moskau um die Vollmacht nachgesucht hatte, 20.000 ungenannte Personen zu exekutieren, in die Ukraine versetzt, wo er schon nach einem Monat darum bat, sogar 30.000 Menschen verhaften zu dürfen. (Schukow, Taynu, S. 64, siehe auch Anm. 23 unten).
Nikolai Jeschow, der 1936 die Führung des NKWD von Genrich Jagoda übernahm, scheint eng mit den Ersten Sekretären zusammengearbeitet zu haben.21 Die Massenrepressionen von 1937-38 sind so eng mit seinem Namen verbunden, dass sie immer noch Jeschowschina' genannt werden. Jeschow wurde am 23. September 193822 der Rücktritt nahegelegt und im November 1938 von Lawrenti Berija abgelöst.
Unter Berija wurden viele der NKWD-Offiziere und Ersten Sekretäre, die für die Tausenden und Abertausenden von Exekutionen und Deportationen verantwortlich waren, vor Gericht gestellt und häufig auch hingerichtet, dafür dass sie unschuldige Menschen verhaften, foltern und exekutieren ließen. Protokolle von solchen Prozessen, bei denen einige dieser Sicherheitskräfte, die foltern und hinrichten ließen, auf der Anklagebank saßen, sind veröffentlicht worden. Viele der Verurteilten, die inhaftiert, deportiert oder in Lager geschickt worden waren, wurden freigelassen. Berija soll später gesagt haben, dass er den Auftrag erhalten habe, die Jeschowschina zu liquidieren'. Stalin teilte dem Flugzeugkonstrukteur Jakowlew mit, dass Jeschow hingerichtet worden sei, weil er viele unschuldige Menschen umbringen ließ. (Lubianka B, Nrn. 344, 363, 375; Muchin, Ubiystwo, S. 637; Jakowlew).
Der sowjetischen Regierung, der Bolschewistischen Partei und der sowjetischen Gesellschaft war unermesslicher Schaden entstanden. Dies ist natürlich seit langem bekannt. Was aber bislang nicht bekannt war, ist, dass die Einrichtung der Troikas und die hohen Quoten für Exekutionen und Deportationen auf Verlangen der Ersten Sekretäre erfolgten, jedoch nicht auf Verlangen Stalins. Schukow meint, dass der enge Zusammenhang zwischen dieser Jeschowschina und den drohenden geheimen Wahlen mit Gegenkandidaten und die Tatsache, dass es dem Zentralkomitee gelang, die Stalin-Führung zu zwingen, diese Wahlen abzusagen, darauf hindeute, dass der mögliche Hauptgrund für die Massenverhaftungen und Exekutionen das Bestreben war, diese Bedrohung' durch freie Wahlen abzuschütteln.23 (Schukow, KP).
Nichts kann Stalin und seine Anhänger jedoch von einem Teil der Verantwortung für die Hinrichtungen, die dann folgten - offensichtlich einige hunderttausend24 - freisprechen. Wenn diese Leute nur gefangengenommen worden wären, statt erschossen zu werden, hätten fast alle überleben können. Viele hätten ihre Verfahren überprüfen lassen und wären wieder freigekommen. Für unsere Zwecke hier besteht die Hauptfrage jedoch in Folgendem: Warum hat Stalin dem Verlangen der Ersten Sekretäre nach der Einrichtung von Schicksal spielenden Troikas' überhaupt nachgegeben? Obwohl es dafür keine Entschuldigung gibt, hat es gewiss Gründe dafür gegeben.
Keine Regierung kann auf den gleichzeitigen Verrat durch die höchsten Militärkommandeure, durch hochrangige Personen sowohl in der nationalen als auch in wichtigen Regionalregierungen, aber auch durch den Chef der Geheimpolizei und des Grenzschutzes vorbereitet sein.
Eine ganze Serie von Verschwörungen, in die sowohl noch amtierende als auch ehemalige hochrangige Parteiführer verwickelt waren, die im ganzen Land Verbindungen unterhielten, war gerade eben erst entdeckt worden. Am verhängnisvollsten jedoch war die Tatsache, dass die höchsten Militärs darin verwickelt waren und dass sie geheime Militärpläne an den faschistischen Feind verraten hatten. Diese militärischen Verschwörer besaßen Kontakte überall in der UdSSR. Die Verschwörung umfasste auch die höchsten Stellen des NKWD, einschließlich Genrich Jagoda, der von 1934 bis 1936 an der Spitze des NKWD gestanden hatte und vor 1934 stellvertretender Vorsitzender gewesen war. Es war schlicht unmöglich zu wissen, wie verzweigt die Verschwörung war und wie viele Personen darin verwickelt waren. Es war am klügsten, das Schlimmste anzunehmen.25
Das Politbüro und Stalin selbst befanden sich an der Spitze von zwei großen Hierarchien: an der der Bolschewistischen Partei und der Regierung. Was sie über die Lage im Land wussten, war das, was ihnen ihre Untergebenen mitteilten. Im Laufe der nächsten 12 Monate maßregelten sie zahlreiche Erste Sekretäre, von denen mehr als die Hälfte verhaftet wurde. Die genauen Vorwürfe gegen die meisten dieser Leute sowie die Protokolle ihrer Vernehmungen und Prozesse sind größtenteils immer noch unter Verschluss - selbst im postsowjetischen, antikommunistischen Russland. Wir besitzen jedoch inzwischen genügend Untersuchungsmaterial, das damals für Stalin und das Politbüro zugänglich war, um eine ungefähre Vorstellung von der alarmierenden Lage zu bekommen, mit der sie konfrontiert waren. (Lubianka B).
Die Bolschewistische Partei besaß einen demokratisch-zentralistischen Aufbau. Trotz seiner Position und seiner Popularität im Lande hätte Stalin (wie jeder andere Parteiführer auch) durch eine Mehrheit im Zentralkomitee abgewählt werden können. Er war nicht in der Lage, dringende Appelle seitens einer großen Zahl von ZK-Mitgliedern zu ignorieren.
Um zu illustrieren, dass Stalin nicht imstande war, die Ersten Sekretäre daran zu hindern, die Prinzipien demokratischer Wahlen zu missachten, erwähnt Schukow einen Vorfall aus dem immer noch nicht veröffentlichten Protokoll des ZK-Plenums vom Oktober 1937.
J. A. Krawtzow, der Erste Sekretär im Gebiet von Krasnodar und Vorsitzender des dortigen kraikom (Regionalkomitees - GF), war der einzige, der zugab, und dies sogar im Detail, was seine Kollegen insgeheim seit ein paar Wochen schon trieben. Er beschreibt die Auswahl der stellvertretenden Kandidaten für den Obersten Sowjet der UdSSR, die den Interessen der breiten Führung' entsprach, so:
"Wir präsentierten unsere Kandidaten für den Obersten Sowjet", erklärte Krawtzow offenherzig. "Wer sind diese Genossen?" "Acht sind Mitglieder der Partei; zwei sind nicht in der Partei oder Mitglieder des Komsomol (Kommunistische Jugendorganisation). Auf diese Weise kamen wir dem Prozentsatz von Nicht-Partei-Kandidaten nach, wie er in dem Entschließungsentwurf des ZK vorgesehen ist. Nach ihrem Beruf zu urteilen, ergibt sich folgendes Bild: vier Parteiangestellte, zwei Sowjetangestellte, ein Kolchos-Vorsitzender, ein Mähdrescherfahrer, ein Traktorfahrer, ein Ölarbeiter ".
Stalin: "Wer noch außer diese Mähdrescherfahrer?"
Krawtzow: "Unter den zehn befindet sich auch Jakowlew, der Erste Sekretär des kraikom und der Vorsitzende des Exekutivkomitees des krai."
Stalin: "Wer hat sie dazu beauftragt, dies zu tun?"
Krawtzow: "Ich muss zugeben, Genosse Stalin, dass sie mir dies hier im ZK geraten haben."
Stalin: "Wer?"
Krawtzow: "Wir im ZK beauftragten dafür den Genossen Simotschkin, unseren Vorsitzenden im Exekutivkomitee des krai, und er erhielt die Zustimmung im ZK-Apparat."
Stalin: "Wer riet ihnen das?"
Krawtzow: "Ich kann es nicht sagen. Ich weiß es nicht."
Stalin: "Es ist schade, dass Sie es nicht sagen. Sie haben sich falsch beraten lassen."
(Schukow, Inoi, S. 486f).
Ganz offensichtlich haben alle Ersten Sekretäre das getan, was nur Krawtzow offen zugab: die Prinzipien geheimer Sowjetwahlen verletzt - ein Prinzip, für das sie selbst noch auf dem vorangegangenen Plenum gestimmt hatten, aber hinter dem sie nie wirklich gestanden hatten. Dies markiert Stalins endgültige Niederlage in dieser Frage, der Frage der Verfassung und der Reform des Wahlsystems, für die er und die zentrale Führung seit mehr als zwei Jahren gekämpft hatten.
Die demokratische Reform wurde verhindert. Das alte politische System blieb. Stalins Pläne für Wahlen mit Gegenkandidaten waren für immer vom Tisch. So endete der Versuch Stalins und seiner Gruppe, das politische System der Sowjetunion zu reformieren, mit einer völligen Niederlage'. (Schukow, Inoi, S. 491).
Schukow glaubt, dass wenn Stalin sich geweigert hätte, den Appellen der Ersten Sekretäre nachzugeben, ihnen außerordentliche Troika'-Vollmachten einzuräumen, er aller Wahrscheinlichkeit nach abgewählt, als Konterrevolutionär verhaftet und hingerichtet worden wäre, und heute würde er zu den Opfern der Repressionen von 1937 gehören und Memorial' und die Kommission von A. N. Jakowlew hätten sich schon seit langem für seine Rehabilitation stark gemacht!'. (Schukow, KP, 16. November 2002).
Im November 1938 trat Lawrenti Berija an die Stelle von Jeschow als Chef des NKWD. Die Troikas' wurden abgeschafft. Außergerichtliche Hinrichtungen wurden eingestellt und jene, die für die vielen schrecklichen Exzesse verantwortlich waren, wurden selbst vor Gericht gestellt, hingerichtet oder verhaftet.26 Aber der Krieg nahte. Die französische Regierung weigerte sich, sogar die schwache Version einer sowjetisch-französischen Allianz fortzusetzen, der sie vorher zugestimmt hatte. Die Sowjetunion hatte ein viel engeres Bündnis angestrebt. Die Alliierten überließen die Tschechoslowakei Hitler und die polnischen Faschisten ergaben sich nach und nach kampflos. Nazideutschland besaß eine Militärallianz mit dem faschistischen Polen, die darauf abzielte, in die Sowjetunion einzufallen. Der Kampf um die Spanische Republik, die von der Sowjetunion so energisch unterstützt worden war, war verloren. Italien überfiel Äthiopien, und der Völkerbund blieb untätig. Frankreich und Großbritannien ermunterten eindeutig Hitler, wobei der größte Teil Osteuropas auch noch hinter ihm stand, die UdSSR zu überfallen. (Lubianka B, Nr. 365; Leibowitz).
Japan, Italien und Deutschland besaßen ein militärisches Beistandsabkommen, aber auch einen Anti-Komintern-Pakt'. Beide Bündnisse richteten sich direkt gegen die UdSSR. Alle europäischen Länder, die an die Sowjetunion angrenzten - Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Finnland, Estland, Lettland und Litauen - waren halbfaschistische Diktaturen. Im Jahre 1938 verloren etwa 1.000 Soldaten der Roten Armee ihr Leben bei einem japanischen Angriff am Chasan-See. Im nächsten Jahr wurde ein noch größerer japanischer Angriff am Chalkin-Gol von der Roten Armee zurückgeschlagen. Es gab 17.000 Verwundete auf sowjetischer Seite; fast 5.500 Soldaten verloren ihr Leben - kein Kleinkrieg! Wie sich später herausstellte, war dieser Krieg entscheidend gewesen, denn die Japaner haben sich danach nie wieder mit den Sowjets angelegt. Aber die Sowjetregierung konnte dies nicht im Voraus wissen. (Rossia I SSSR v Voynakh - Russland und die SSSR im Krieg).
Nach 1938 versuchte die Regierung Stalin nicht noch einmal, das demokratische Wahlsystem aus der 1936iger Verfassung ins Spiel zu bringen. War diese Unterlassung ein Hinweis auf die andauernde Pattsitution zwischen Stalin und den Ersten Sekretären im Zentralkomitee? Oder ergab sich dies aus der Einschätzung heraus, dass angesichts des schnell herannahenden Krieges weitere Anstrengungen in Richtung Demokratie für eine Zeit nach dem Kriege zu warten hatten? Die heute vorliegenden Dokumente geben keinen genauen Aufschluss darüber.
Als Berija jedoch Jeschow als Chef des NKWD (formal im Dezember 1938, aber tatsächlich etwa drei Wochen später) abgelöst hatte, setzte ein ständiger Strom von Rehabilitationen ein. Er befreite mehr als 100.000 Gefangene aus den Lagern und Gefängnissen. Es folgten Prozesse gegen NKWD-Leute, denen vorgeworfen wurde, die Folter praktiziert und außergerichtliche Hinrichtungen vorgenommen zu haben. (Thurston, S. 128f).
Ende Teil eins
1Leo Trotzkis Version von der sowjetischen Geschichte geht der von Chruschtschow voraus und hat sich mit dieser zu einer Art linker' Version vermischt, obwohl ihr außerhalb trotzkistischer Zirkel nur wenig Glauben geschenkt wird. Sowohl die Darstellungen der Chruschtschow-Anhänger als auch die der Trotzkisten stellen Stalin in einem äußerst negativen Licht dar. Das Wort Dämonisierung' wäre wohl kaum eine Übertreibung. Zu Trotzki, siehe McNeal.
2Der weitverbreitete Gebrauch des Begriffs Terror', um die sowjetische Geschichte von etwa Mitte 1937 bis 1939-40 zu umschreiben, kann auf die unkritische Übernahme der Thesen aus Robert Conquests einseitigem und tendenziösem Buch aus dem Jahre 1973, The Great Terror, zurückgeführt werden. Der Begriff ist ungenau und polemisch, siehe Robert W. Thurston, Angst und Glaube während des Großen Terrors in der UdSSR, 1935-1939'. Slavic Review 45, 1986, S. 213-234. Thurston reagierte auf Conquests Versuch, den Begriff zu verteidigen, in: On Desk-Bound Parochialism , Commonsense Perspectives, and Lousy Evidence: A Reply to Robert Conquest', Slavic Review 45, 1986, S. 238-244; siehe auch: Thurston, 'Social Dimensions of Stalinist Rule: Humor und Terror in the USSR, 1935-1941'. Journal of Social History 24, Nr. 3, 1991, S. 541-562; Life and Terror, Chap. 5, S. 137-163.
3Die marxistisch-leninistische Lehre weist die kapitalistische 'repräsentative Demokratie' als Rauchvorhang für Elitenkontrolle zurück. Viele nicht-marxistische politische Wissenschaftler stimmen dem zu. Ein Beispiel gibt Lewis H. Lapham (Herausgeber von Harper's Magazine), in: Lights, Camera, Democracy! On the conventions of a make-believe republic', Harper's Magazine, August 1996, S. 33-38.
4Zitiert von Juri Schukow in 'Zhupel Stalina', Komsomolskaia Prawda, 5. November 2002. Prof. Getty bestätigte dies in einer E-Mail an mich.
5Der Name der Partei wurde 1952 in Kommunistische Partei der Sowjetunion abgeändert.
6Jenukidse, ein alter Revolutionär, georgischer Landsmann und Freund Stalins, hatte lange Zeit eine hohe Position in der sowjetischen Regierung inne und war nie mit irgendeiner Oppositionsgruppe der 20iger Jahre in Verbindung gekommen. Zu dieser Zeit unterstand ihm auch die Kremlgarde. Innerhalb weniger Monate gehörte er zu den ersten, denen man nachweisen konnte, dass sie geplant hatten, gegen die Stalin-Führung eine Palastrevolte' zu inszenieren. Schukow (siehe KP, 14. November 2002) stellt fest, dass dies für Stalin besonders niederschmetternd gewesen sein muss.
7Teil II, 3. Kap., Art. 9 der Sowjetischen Verfassung von 1924. Die damals gültige Verfassung gab den städtischen Einwohnern einen weit größeren Einfluss in der Gesellschaft: ein Sowjetdelegierter kam auf 25.000 Wahlberechtigte in den Städten, während auf dem Land ein Delegierter auf 125.000 Wähler kam. Dies entsprach der weit größeren Unterstützung für den Sozialismus unter Arbeitern, aber auch der marxistischen Anschauung vom Staat als Diktatur des Proletariats.
8Dies ist eigentlich kein Gesetz, sondern eine Entscheidung des Zentralexekutiv-Komitees des Rats der Volkskommissare', d. h. der gesetzgebenden und ausführenden Gewalt der Regierung. Die Tatsache, dass es üblicherweise selbst unter Wissenschaftlern Gesetz' genannt wird, zeigt, dass die meisten, die sich darauf beziehen, es überhaupt nicht gelesen haben. Es ist in Tragedia Sovetskoy Derevni. Kollektivizasiia I Raskulachivanie. Documenty I Materialy, 1927-1939, Tom 3. Konets 1930-1933 (Moscow: ROSSPEN, 2001), Nr. 160, S. 453-4 und in Sobranie zakonov I rasporiazhenii Raboche-Krest'ianskogo Pravitel'stva SSSR, chast' 1, 1932, S. 583f abgedruckt. Mein Dank gilt Dr. G. bor T. Rittersporn für dieses Zitat.
9Um die Wirtschaft so schnell wie möglich nach den Verwüstungen des Bürgerkrieges und der darauf folgenden Hungersnot wieder aufzubauen, ließen die Bolschewiki den Kapitalismus aufblühen und förderten Geschäftsleute, die Gewinne machen wollten, was jedoch unter der Aufsicht der Regierung stattfand. Dies wurde Neue Ökonomische Politik' genannt.
10Stalin, Bericht an den 17. Parteitag', S. 704ff, 716, 728, 733, 752ff, 756, 758.
11Dies wissen die wenigsten und wird auch nicht verstanden. Unsere Sicht von Stalin ist vor allem von jenen geprägt worden, die ihn hassten (McNeal, S. 87). Stalin war ein ausgezeichneter Student am Priesterseminar von Tiflis, Georgien, gewesen, auf das ihn seine Mutter geschickt hatte. Weil er seit seiner Jugendzeit sein Leben der revolutionären Arbeiterbewegung widmete, hat er nie Gelegenheit gehabt, eine höhere Ausbildung zu genießen. Er war jedoch hoch intelligent und besaß einen unstillbaren Lesehunger. Seine Interessen reichten von der Philosophie bis zu rein technischen Gebieten wie der Metallurgie. Zeitzeugen berichten, dass er sich mit Einzelheiten beschäftigte und versuchte, sich ein gründliches Wissen auf vielen verschiedenen technischen Gebieten anzueignen. Ein russischer Wissenschaftler, der sich Stalins Bibliothek genauer ansah, kam zu folgenden Ergebnissen: Stalin besaß nach dem Kriege auf seiner Datscha 20.000 Bände. In 5.500 Bänden, die man nach seinem Tod dem Institut für Marxismus-Leninismus übergab, waren Anmerkungen und Unterstreichungen. (Ilisarow). Roy Medwedjew, der Stalin hasst, muss zerknirscht zugeben, dass Stalin sehr viel gelesen hat. (Medwedjew, Litschnaja').
Viele der Leute, die er als seine engsten Mitarbeiter auswählte, besaßen das gleiche Bestreben, an sich zu arbeiten. Sergei Kirow, der Leningrader Parteichef und enge Verbündete Stalins, den man 1934 ermordete, war bekannt dafür, dass er in der Literatur sehr bewandert war (Kirilina, S. 175). Nach dem Mord an Kirow fotografierten Experten alles, was der Untersuchung helfen konnte - auch seinen Schreibtisch. Auf der rechten Seite lag ein Handbuch für das Ingenieurwesen, auf der linken ein Stapel wissenschaftlich-technischer Zeitschriften, deren ganz oben liegender Titel Brennbarer Schiefer' lautete. Dieser Parteiarbeiter, wie Stalin auch, besaß eine große Interessensphäre'. (Muchin, Ubiystwo, S. 625).
Im Jahre 1924 schrieb Lawrenti Berija nach mehreren Jahren sehr gefährlicher revolutionärer Untergrundarbeit, darunter als bolschewistischer Agent in antikommunistischen kaukasischen nationalistischen Gruppen, seine Autobiografie. Der Zweck seiner Aufzeichnungen - man hatte ihn mit 20 zum General befördert - bestand nicht darin, sich um eine ruhige Arbeit zu bewerben, wie dies bei den meisten Bolschewiki der Fall war - eine Arbeit, die sie dann auch meistens erhielten -, sondern darin, darum zu beten, seine Studien als Ingenieur fortsetzen zu dürfen, um dadurch einen Beitrag für den Aufbau der kommunistischen Gesellschaft zu leisten. (Beria: Konets Kar'ery, S. 320-325).
12Die Kapitel 2 bis 4 bei Thurston stellen die in ihrer Art beste Zusammenfassung der Beweise dar, die Moskauer Prozesse betreffend. Dieser Aufsatz befasst sich nicht direkt mit diesen Prozessen, dem Prozess und der Hinrichtung von Marschall Tuchatschewski und anderer hochrangiger Militärführer im Juni 1937 oder mit den Verbindungen zwischen all den antisowjetischen Verschwörungen, die es angeblich gab. Wie Dokumente aus den Moskauer Archiven deutlich machen, waren Stalin und andere hohe Sowjetführer davon überzeugt, dass diese Verschwörungen existierten und die Vorwürfe, die bei den Moskauer Prozessen erhoben wurden, waren zumindest zum Teil gerechtfertigt.
13Getty weist darauf hin, dass ZK-Mitglieder sich strikt weigerten, auf Schdanows Rede zu antworten, was Andrejew, der den Vorsitz führte, in Verwirrung brachte. (Excesses', S. 124). Schukow betont dies nicht so sehr, da Eiche und andere Erste Sekretäre auf der folgenden Sitzung tatsächlich antworteten und den Kampf gegen sog. Feinde unterstrichen. (Inoi, S. 345).
14Was die Resolution angeht, siehe Schukow, Inoi, S. 362f; Stalin, Saklutschitjelnaja. Ähnlich wie die Resolution (die nicht freigegeben wurde) berührte Stalins Rede nur sehr kurz das Thema der Feinde' und warnte das ZK gleichzeitig davor, auf jeden einzuschlagen', der früher einmal Trotzkist war. Er erwähnte dabei besonders Felix Dserschinski.
15Dieser Band (Genrich Jagoda) enthält hauptsächlich Vernehmungen von Jagoda durch die Untersuchungsbeamten sowie die einiger seiner Komplicen und seine Geständnisse, an einer Verschwörung zur Durchführung eines Putsches gegen die Sowjetregierung beteiligt gewesen zu sein. Er enthält Angaben zu Trotzkis führender Rolle bei der Verschwörung und im Allgemeinen all das, was Jagoda während des 1938iger Prozesses zugab. Es gibt keine Hinweise darauf, dass diese Geständnisse nicht echt waren. Die Herausgeber des Bandes sind der Ansicht, dass die Fakten, die in den Vernehmungen zitiert werden, alle nicht stimmen und bezeichnen die Untersuchungen als fabriziert'. Aber sie führen keinerlei Beweise dafür an. Jansen und Petrow (S. 226, Anm. 9), die sehr anti-Stalin sind, geben diesen Band als Beleg an - ohne weiteren Kommentar. Darüber hinaus gibt es schlüssige Beweise dafür, dass diese Verschwörungen tatsächlich existierten, dass die abgelegten Geständnisse echt und nicht erzwungen waren und dass die wichtigsten Vorwürfe gegen die Angeklagten zutrafen. Ein weiterer Band mit Originaldokumenten aus dem Jahre 2004 enthält eine ganze Reihe von NKWD-Berichten über Verschwörungen und Texte von Vernehmungen (siehe Lubianka B). Die plausibelste Erklärung für die Existenz aller dieser Hinweise besteht darin, dass zumindest einiges davon zutrifft.
16Von NKWD-Vernehmern und heutigen russischen Historikern auch Klubok (Netz) genannt.
17Ein Protokoll über das Juni-Plenum wurde nie veröffentlicht. Einige Autoren haben behauptet, dass kein Protokoll geführt wurde. Jedoch zitiert Schukow reichlich aus einigen archivierten Protokollen, die anderen nicht zugänglich sind.
18Der Befehl, eine Troika' in Eiches westsibirischer Region einzusetzen, existiert. Eiches Anfrage wurde nicht gefunden, aber er muss eine solche Anfrage entweder schriftlich oder mündlich gestellt haben, siehe Schukow, Repressii, S. 23, Anm. 60; Getty, Excesses, S. 127, Anm. 64).
19Getty, Excesses, S. 131-134. Dort diskutiert er einige Statistiken dazu; siehe Befehl Nr. 00447.
20Der gleiche Wahlzettel findet sich bei Schukow,Inoi, 6. Bild.
21Noch bis zum 1. Februar 1956, weniger als vier Wochen vor seiner Geheimrede' an den 20. Parteitag, bezog sich Chruschtschow immer noch auf Jeschow als zweifellos unschuldig - ein ehrlicher Mann'. Rehabilitatsia: Kak Eto Bylo. Mart 1953-Fewral 1956 (Moskau 2000, S. 308).
22Sein Rücktritt wurde erst am 25. November 1938 formal bestätigt; siehe Lubianka B, Nrn. 344 und 364.
23Chruschtschow verlangte, 20.000 Leute zu exekutieren', Schukow, KP, 3. Dezember 2002. Jakowlews Kritik an Chruschtschows Massenausschlüssen wird oben zitiert. Eiche wurde im Oktober 1938 verhaftet, vor Gericht gestellt, verurteilt und im Februar 1940 hingerichtet. Nach Chruschtschow hat Eiche sein Geständnis widerrufen. Er behauptet, dass er nur gestand, nachdem er geschlagen (also gefoltert) worden war. Schukow vermutet, dass der eigentliche Grund für Eiches Schicksal seine führende Rolle bei den Massenhinrichtungen von 1937-1938 war; siehe Jansen und Petrow, S. 91f. Sowohl das Politbüro als auch das ZK-Plenum vom Januar 1938 begannen, Parteisekretäre, die einfache Parteimitglieder gemaßregelt hatten, zu attackieren. (Getty, Origins, S. 187f). Alle Materialien zu Eiches Untersuchung und zu seinem Prozess sind immer noch nicht freigegeben. Der Wunsch, von sich und seinen Genossen Parteisekretären die Aufmerksamkeit abzulenken, gehört zu dem Fundament der Lügen in seiner Geheimrede'.
24Getty (Excesses, S. 132) zitiert Hinweise, wonach 236.000 Hinrichtungen von Moskau', sprich von der Stalin-Führung, genehmigt worden seien, dass aber eine weit größere Zahl, nämlich 387.000 Menschen, von den örtlichen Behörden exekutiert wurde.
25Auf dem Prozess von 1938 gestand Jagoda seine Verwicklung in den versuchten Putsch gegen die Sowjetregierung; er gestand seine Beteiligung an dem Mord an Maxim Gorki und seinem Sohn sowie andere scheußliche Verbrechen, stritt aber energisch die Beschuldigung der Staatsanwaltschaft ab, Spionage verübt zu haben. Die Tatsache, dass die Anklage der Spionage noch ein Jahr nach seiner Verhaftung aufrechterhalten wurde, zeigt, dass die Sowjetregierung davon ausging, dass Jeschow solche Informationen an eine ausländische feindliche Macht (Deutschland, Japan, Polen) weitergegeben haben könnte. Als Chef des Innenministeriums, einschließlich Geheimpolizei und Grenzschutz, war Jagoda in der Lage, der sowjetischen Sicherheit unermesslichen Schaden zuzufügen, falls er solche Informationen ausländischen Regierungen zukommen ließ.
26Thurston bietet die beste englische Auseinandersetzung damit in: Life and Terror, S. 128ff.
Anmerkung zu Schukows Arbeiten:
Bis heute gibt es einen einzigen umfassenden wissenschaftlichen Angriff auf Schukows Arbeiten - den von Prof. Irina W. Pawlowa: 1937, Vybory kak mistifikatsiia, terror kak real'nost', Voprosy Istorii 10, 2003, S. 19-36. Pawlowa ist eine entschiedene Antikommunistin der Totalitarismus-Schule, deren ideologische Gegnerschaft zum Kommunismus ihre historischen Recherchen beeinträchtigen. So hat sie zum Beispiel über Gettys Forschungen die Unwahrheit gesagt, um ihn zu diskreditieren. Pawlowa betreibt Propaganda, keine Geschichtsforschung.
Pawlowa bezieht sich nur auf Schukows Abhandlungen in KP. Sie schrieb ihre Abhandlung vor Erscheinen von Inoi Stalin. Ihre Kritik basiert auf der Annahme, dass die Moskauer Prozesse, der Prozess gegen Tuchatschewski etc., allesamt ein abgekartetes Spiel waren und dass die ganze Verfassungskampagne sowie die Wahlreform nur ein Deckmantel für die Repressionen gewesen seien.
Pawlowa behauptet auch, dass Wahlen mit Gegenkandidaten dem Obersten Sowjet ohnehin keine reale Macht verliehen hätten, weil er keine Macht besaß. Wenn Pawlowa unter Macht' die Fähigkeit versteht, die Bolschewistische Partei aus ihrer dominanten Position in der UdSSR zu verdrängen und den Sozialismus rückgängig zu machen, hätte sie zweifellos Recht. Stalin hatte ganz sicher keine Absicht, eine Konterrevolution über den Weg der Verfassungsreform zuzulassen. Auch wird dies in keinem bürgerlich demokratischen Land zugelassen. Wenn sie jedoch unter Macht' versteht, die Politik der Regierung zu beeinflussen und innerhalb bestimmter Grenzen Einfluss auf die Gesellschaftspolitik auszuüben und auf die Bolschewistische Partei selbst - was den Beeinflussungsmöglichkeiten in bürgerlichen Demokratien entspricht - dann kann sie unmöglich Recht haben.
Anmerkung zu Juri Muchin, Ubiystvo Stalina i Beriia - Mord an Stalin und Berija:
Dieses Buch wird häufig von jenen abgelehnt, die mit seinen Schlussfolgerungen nicht einverstanden sind, mit der Begründung, dass der Verfasser Bemerkungen machte, die man als antisemitisch ansehen könnte. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass er jedoch in seinem Buch den Antisemitismus zurückweist. Die vorliegende Abhandlung bezieht sich auf keine der Seiten seines Buches, in denen man ihm antisemitische Äußerungen vorwerfen könnte.
Muchin hat auch auf anderen Gebieten ausgefallene Positionen bezogen, mit denen sich sein Buch aber nicht beschäftigt. Ich beziehe mich auch auf keine dieser Arbeiten.
Das Gleiche könnte und sollte gesagt werden, wenn antikommunistische Wissenschaftler zitiert werden: Die Tatsache, dass sie antikommunistische Vorurteile besitzen, schließt nicht aus, dass sie mitunter wertvolle Erkenntnisse zutage fördern. Und natürlich ist Antikommunismus normalerweise eng mit Antisemitismus verbunden. Weil Muchin weder Kommunist noch Jude ist, zeigt er sich gelegentlich beiden gegenüber feindselig. Aber er ist kein gewöhnlicher Antikommunist und auch kein Antisemit.
Muchins Analyse von sekundären und primären Quellen ist oft sehr scharf, und ich benutze sie, wenn ich dies für zweckmäßig erachte. Wenn ich dies aber tue, dann bedeutet dies nicht, dass ich auch mit den Teilen seiner Untersuchung übereinstimme, die ich nicht zitiere. Auch ist Muchin nicht dafür verantwortlich zu machen, wie ich seine Forschungen verwertet habe.
Ich habe sämtliche Hinweise von Muchin und anderen Wissenschaftlern, die hier zitiert worden sind, nachgeprüft, außer im Fall von Primärquellen, die nur denen verfügbar sind, die in Archiven arbeiten.
Anmerkung:
Ich habe URLs von Online-Versionen von zitierten Texten mit in die Bibliografie aufgenommen, wenn ich sie auffinden konnte.
Alikhanov, Sergei, Bagazh na brichke', Kontinent. http://www.kontinent.org/art_view.asp?id=2020.
Beria: Konets Kar'ery. Moscow: Izd. Politicheskoy Literatury, 1991
Beria, Lavrentii, Rede auf Stalins Beerdigung. http://leader.h1.ru/beria.htm. Muchin zitiert die ursprünglich in der Komsomolskaya Pravda, Nr. 59, 1953, S. 1-3 (Ubiystvo, S. 282) veröffentlichte Version. Ich hatte noch keine Gelegenheit, mir diese Version anzusehen, jedoch sind die Passagen, die Muchin zitiert, mit der Online-Version identisch, zitiert als Beria, Speech'.
Beria, Sergo, Moy Otets Lavrentii Beria.Orig. ed. Moscow: Sovremennik, 1994. http://www.duel.ru/publish/beria/beria.html.
Bivens, Matt and Jonas Bernstein, Teil 2: The Russia You Never Met', Johnson's Russia List # 3068, 24. Februar 1999. http://www.cdi.org/russia/johnson/3068.html.
Brandenberger, David, 'Stalin, The Leningrad Affair and the Limits of Postwar Russocentrism', Russian Review, S. 63, 2004, S. 241-255.
Constitution of 1924. Auf Russisch: http://www.hist.msu.ru/ER/Etext/cnst1924.htm. Auf Englisch: in Rex A. Wade, Hrsg., Documents of Soviet History, vol. 3, Lenin's Heirs, 1923-1925. Gulf Breeze, FL: Academic International Press, 1995. http://users.cyberone.com.au/myers/ussr1924.html.
Constitution of 1936. Auf Russisch: http://www.hist.msu.ru/ER/Etext/cnst1936.htm. Auf Englisch: http://www.departments.bucknell.edu/russian/const/1936toc.thml.
Chuev, Feliks, Molotov. Poluderzhavniy Vlastelin. Moscow: OLMA-Press, 2000.
Dimitrov, Georgi, The Diary of Georgi Dimitrov, 1933- 1949, hrsg. u. eingel. v. Ivo Banac, New Haven, CT, Yale University Press, 2003.
Dobriukha, Nikolai, 'Za Chto Lavrentiy Beria Vyshel iz Doveria', Izvestia Nauka, 26. Februar, 2004. http://www.inauka.ru/history/article38205.html.
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