Stalins letzte Parteitagsrede

gehalten auf dem 19. Parteitag der KPdSU, Oktober 1952

eingeleitet von Gerhard Schnehen

Einleitung

Sämtliche Parteitage der Kommunistischen Partei der Sowjetunion wurden in der späteren Sowjetunion ausführlich dokumentiert und die Dokumente der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt - mit einer Ausnahme: mit der des 19. Parteitags, der vom 5. bis zum 14. Oktober 1952 in Moskau tagte. Alles, was dazu in den russischen Archiven liegt, so Grover Furr von der Montclair-Universität New Jersey, wird nach wir vor eisern unter Verschluss gehalten. Niemand soll die Dokumente, aber vor allem die Beschlüsse, die dort gefasst wurden, kennenlernen, und es wurden sehr wichtige Beschlüsse gefasst, darunter die Erweiterung des alten, kleinen Politbüros auf 25 Personen, seine Umbenennung in ‚Präsidium‘, die Umbenennung der Partei in ‚Kommunistische Partei der Sowjetunion‘ ohne den Zusatz ‚Bolschewiki‘, die Wahl eines neuen Zentralkomitees, die Verabschiedung eines neuen Statuts der Partei oder die Billigung der Richtlinien für den fünften Fünfjahrplan (1951-55).1

Wir wissen nur etwas von den Reden, den Begrüßungsansprachen und Beschlüssen, die auf diesem letzten Parteitag, an dem Stalin noch teilnahm, gefasst wurden, weil sie nach Ende des Parteitages, nach dem 14. Oktober 1952, in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht wurden, so auch in der Halbmonatsschrift ‚Neue Welt‘, Berlin, Heft 22, der die Schlussrede Stalins entnommen wurde.

Stalin war noch nicht tot, aber bewusstlos, als das alte Politbüro Anfang März 1953, das eigentlich aufgrund des Parteitagsbeschlusses vom Oktober 1952 gar nicht mehr existierte, wieder in der alten Zusammensetzung, ohne die neu hinzugewählten Mitglieder, ohne also zum Beispiel Korottschenko, Malyschew, Melnikow, Michailow, Saburow, Tschesnokow oder Schkirjatow, die alle auf dem Parteitag in das neue Präsidium gewählt worden waren, in Stalins Datscha in Kunzewo eiligst zusammentrat, um jenen Parteitagsbeschluss über eine Vergrößerung des Politbüros eigenmächtig und willkürlich wieder rückgängig zu machen. Das Präsidium wurde wieder zum ‚Politbüro‘, und die darin vertretenen alten Mitglieder kippten von sich aus den Beschluss eines ordentlichen Parteitags, so als ob dieser Parteitag und seine Beschlüsse gar nicht existiert hätten und zeigten damit, dass sie keinen Respekt vor den offiziellen, beschlussfassenden Organen ihrer eigenen Partei besaßen.

Es war Stalin gewesen, der die Initiative für die Ausweitung des Politbüros ergriffen hatte, um neues, frisches Blut in die Adern des schon kränkelnden und verbürokratisierten Parteikörpers fließen zu lassen, und es war Stalin, der, wie Prof. Grover Furr in seiner Abhandlung ‚Stalins Kampf für demokratische Reformen‘2 (2005) nachwies, schon Mitte der dreißiger Jahre vorhatte, die Rolle der Partei auf Erziehung und Propaganda zu beschränken, sie von der unmittelbaren Leitung der Wirtschaft auszuschließen und freie Wahlen mit Gegenkandidaten zum Obersten Sowjet zuzulassen – zum blanken Entsetzen der Ersten Sekretäre der Partei. Zu diesen Ersten Sekretären gehörte damals auch der spätere Parteichef Nikita Chruschtschow.

Ähnlich wie er mit seinen Demokratisierungsplänen in den dreißiger Jahren am Widerstand der mächtigen Ersten Sekretäre gescheitert war, ähnlich sollte er auch jetzt wieder scheitern. Ja, der ‚allmächtige Stalin‘, wie uns unablässig von den bürgerlichen Geschichtsschreibern suggeriert wird, konnte sich nicht durchsetzen! Diejenigen, die sich in Stalins Datscha versammelt hatten, als die viel zu spät herbeigerufenen Ärzte um das Leben Stalins kämpften (William B. Bland beschreibt den Todeskampf Stalins in seinem Aufsatz ‚Der Ärzteprozess und der Tod Stalins‘3), traten wieder als das alte Politbüro zusammen und fassten an Ort und Stelle, oder sollte ich sagen ‚am Tatort‘ (?), selbstherrlich wichtige Beschlüsse für die ‚Zeit danach‘.

Als Stalin dann schließlich nach einem mehrtätigen Todeskampf starb (5. März 1953), hatte das alte, aber illegale Politbüro die Aufgaben und Posten für die ‚Zeit danach‘, also für die Zeit ohne Stalin, schon unter sich aufgeteilt. Ist es wirklich weit hergeholt, hier von einem ‚Putsch‘ zu sprechen? Ich glaube nicht und ich spreche von einem Putsch.

Aber nicht nur die Unterlagen des 19. Parteitages werden der Öffentlichkeit heute noch vorenthalten, sondern auch die zum Ersten Plenum des Zentralkomitees, das nach dem 19. Parteitag zusammentrat. Das offizielle Protokoll dazu ist immer noch nicht freigegeben worden. Hätte nicht der Schriftsteller und Dichter Konstantin Simonow an dieser Vollversammlung des Zentralkomitees als Mitglied teilgenommen, wir wüssten heute gar nichts darüber, wir wüssten zum Beispiel nicht, dass der ‚Diktator Stalin‘ seinen Rücktritt als Generalsekretär der Partei anbot – das vierte Mal, das er dies in seiner über dreißigjährigen Amtszeit tat - und das Amt überhaupt abschaffen wollte; wir wüssten nichts darüber, dass er in seiner Rede mit Anastás Mikoyan, dem engsten Vertrauten Nikita Chruschtschows, hart ins Gericht ging, aber auch seinen langjährigen Weggefährten Molotow nicht mit Kritik in seiner Rede auf diesem ZK-Plenum verschonte.

Warum werden uns diese Dokumente bis heute vorenthalten? Die Antwort darauf kann nur lauten: Weil die Nachfahren der neuen Herren im Kreml nicht wollen, dass herauskommt, dass ihre Großväter einst illegal durch einen Putsch gegen Stalin an die Macht kamen, dass der Machtantritt ihrer Großväter, der mit dem 20. Parteitag im Februar 1956 offiziell sanktioniert wurde, als Chruschtschow seine ‚Geheimrede‘ hielt, die ‚Legalisierung‘ eines kalten Staatsstreichs war, der keinerlei Legitimität besaß. Der 20. Parteitag sollte den Machtwechsel im Kreml nachträglich sanktionieren und legalisieren, obwohl das eigentliche Wesenselement dieses Parteitags, die sog. Geheimrede Chruschtschows war, in der er die Delegierten 61 mal belog, wie Grover Furr in seinem Buch ‚Krushchev Lied‘ (Chruschtschow log) nachwies. Der neue Parteichef und seine Mitverschwörer putschten sich nicht nur an die Macht, sie logen auch um die Wette, um ihren illegalen Machtantritt nachträglich zu legalisieren.

Hier fand die Spurenverwischung eines Putsches statt und der Versuch der Putschisten, die sich als ‚Kommunisten‘ tarnten, sich ein legales Mäntelchen umzuhängen. Die gleichen Putschisten gingen dann nach und nach daran, die von Stalin und seinen Weggefährten in harten Kämpfen und in langen Jahren geschaffenen soliden Grundlagen des Sozialismus in der UdSSR nach und nach wieder zu liquidieren. Von hier aus führt eine direkte Linie zu den Ereignissen von 1990/91, als die Sowjetunion durch die ‚Kommunisten‘ Gorbatschow und Jelzin, den Nachfahren Chruschtschows, liquidiert wurde.

Was Stalin in seiner letzten Parteitagsrede sagte, waren nur wenige Worte. Er hatte sonst nichts auf dem Parteitag gesagt, sondern nur zugehört. Den Rechenschaftsbericht, den er noch auf dem 18. Parteitag im Jahre 1939 gehalten hatte, hielt Georgi M. Malenkow, der nach Stalins Tod für kurze Zeit die Rolle Stalins übernahm, bis er von Chruschtschow und seinen Putschisten an die Seite geschoben wurde. Dies waren schon deutliche Hinweise darauf, dass man Stalin schon an die Seite geschoben hatte, dass man ihn schon zu diesem Zeitpunkt aus dem Zentrum der Macht verdrängt hatte und den einsamen Mann im Kreml, der systematisch von der Öffentlichkeit abgeschirmt wurde, sich mit theoretischen Fragen beschäftigen ließ. Stalin saß übrigens weit abseits von den anderen Politbüromitgliedern. Auch dies ist sehr vielsagend.

Noch einmal versuchten dann die Anhänger Stalins im Politbüro, das Steuer herumzureißen:

Als die einstigen engsten Mitarbeiter Stalins im Politbüro, darunter Molotow, Malenkow und Kaganowitsch, 1957 Chruschtschow die Stellung des Ersten Sekretärs per Mehrheitsbeschluss wieder entrissen und ihn degradierten, trommelte dieser in aller Eile mit Hilfe hoher Militärs diejenigen Mitglieder des Zentralkomitees, die ihm ergeben waren, zu einer außerordentlichen ZK-Sitzung zusammen, zu der aber andere Mitglieder, die nicht auf Chruschtschows Seite standen, nicht mehr rechtzeitig erscheinen konnten, und sorgte dafür, dass der Beschluss seiner Entmachtung wieder gekippt wurde. Die Folge: Der Ausschluss jener engsten Mitarbeiter Stalins aus der Partei, die dann als ‚parteifeindliche Gruppe‘ bezeichnet wurden. Damit hatten sich die Putschisten, die Chruschtschowianer5, erneut durch einen illegalen Handstreich durchsetzen können. Hohe Generäle aus der Roten Armee, darunter auch Georgi Schukow, halfen ihnen dabei. Schukow wurde zum Dank für kurze Zeit Chruschtschows Verteidigungsminister (1957-58), bis sich Chruschtschow mit ihm überwarf und ihn entließ.

Stalins Rede auf dem 19. Parteitag wurde immer wieder von stürmischem Applaus unterbrochen. Er besaß immer noch, zumindest nach außen hin, die einmütige Unterstützung der Delegierten. Niemand wagte, sich diesen stürmischen Ovationen zu entziehen. Der spätere Mitverschwörer Chruschtschows, Anastás Mikoyan, der Enver Hoxha, dem albanischen Partei- und Staatschef gegenüber offen eingestand, dass es Pläne gab, Stalin zu ermorden6, pries ihn in seinem Beitrag vor dem Parteitagsdelegierten als ‚Leuchte der Wissenschaft‘ und wiederholte fast wörtlich Stalins Thesen aus seiner Schrift ‚Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR‘7, die dann nach dem Putsch gegen Stalin schnell im Papierkorb landeten und als ‚Dogmatismus‘ gebrandmarkt wurden.

Die späteren Machthaber, die Stalins Werk liquidierten, waren, wenn man sich die Zusammensetzung des neuen Zentralkomitees auf dem 19. Parteitag genauer ansieht, schon auf dem Weg nach ganz oben: Es finden sich dort Namen wie Leonid Breschnjew, der von Chruschtschow protegiert wurde, wie Alexej Kossygin, der Vater der späteren Wirtschaftsreform in der UdSSR von 1965, der in die Leningrader Affäre verwickelt war und Stalin einmal ‚den pockennarbigen Bastard‘ nannte – also Parteiideologen, die die Profitwirtschaft wieder einführen wollten und dies dann auch Mitte der sechziger Jahre taten - aber auch Breschnejws späterer Chefideologe Michail Suslow ist darunter – sie, die sich noch vor Stalin erhoben und applaudierten, als dieser seine Schlussansprache hielt, hatten sich schon ihre Pöstchen im neuen ZK für die ‚Zeit danach‘, für die Zeit ohne Stalin gesichert. Die neuen Herren schlichen sich leise an die Macht - so leise und so unauffällig, dass nur die wenigsten Führer der großen kommunistischen Parteien und nur die wenigsten Beobachter merkten, welches falsche Spiel damals hinter den Kulissen gespielt wurde. Einer, der dieses falsche Spiel später durchschaute, war Enver Hoxha. Kaum einer hat den Verschwörern um Nikita Chruschtschow und Anastás Mikoyan so die Maske heruntergerissen wie er.

Hören wir nun, was der 73-jährige Stalin noch zu sagen hatte, als der 19. Parteitag seinem Ende entgegenging8:

J. W. Stalin:

(Als Genosse Stalin an das Rednerpult tritt, wird er von den Delegierten mit stürmischem, lang anhaltendem Beifall begrüßt, der in eine Ovation übergeht. Alle erheben sich von den Plätzen. Es erschallen Rufe: ‚Dem Genossen Stalin – Hurra!‘, ‚Es lebe Genosse Stalin!‘, ‚Ruhm dem großen Stalin!‘)

Genossen!

Gestatten Sie mir im Namen unseres Parteitages allen Bruderparteien und Gruppen, deren Vertreter unseren Parteitag mit ihrer Anwesenheit beehrt oder die dem Parteitag Grußbotschaften gesandt haben, den Dank auszusprechen für die freundschaftlichen Grüße, für die Wünsche weiterer Erfolge, für das Vertrauen. (Stürmischer, anhaltender Beifall, der in eine Ovation übergeht.)

Für uns ist dieses Vertrauen besonders wertvoll, das die Bereitschaft bedeutet, unsere Partei in ihrem Kampf für eine lichte Zukunft der Völker, in ihrem Kampf gegen den Krieg, in ihrem Kampf für die Erhaltung des Friedens zu unterstützen. (Stürmischer, anhaltender Beifall).

Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass unsere Partei, die zu einer mächtigen Kraft geworden ist, keiner Unterstützung mehr bedarf. Das wäre falsch. Unsere Partei und unser Land brauchen stets das Vertrauen, die Sympathie und die Unterstützung der Brudervölker jenseits der Grenzen unseres Landes und werden sie immer brauchen.

Die Besonderheit dieser Unterstützung besteht darin, dass jede Unterstützung der Friedensbestrebungen unserer Partei seitens einer jeden Bruderpartei gleichzeitig die Unterstützung ihres eigenen Volkes in seinem Kampf für die Erhaltung des Friedens bedeutet. Als die englischen Arbeiter in den Jahren 1918/19, zur Zeit des bewaffneten Überfalls der englischen Bourgeoisie auf die Sowjetunion unter der Losung ‚Hände weg von Russland!‘ den Kampf gegen den Krieg organisierten, war das eine Unterstützung vor allem des Kampfes ihres eigenen Volkes für den Frieden und dann auch eine Unterstützung der Sowjetunion. Wenn Genosse Thorez oder Genosse Togliatti erklärt, dass ihre Völker keinen Krieg gegen die Sowjetunion führen werden (stürmischer Beifall) , so ist das eine Unterstützung vor allem für die Arbeiter und Bauern Frankreichs und Italiens, die für den Frieden kämpfen und dann auch eine Unterstützung der Friedensbestrebungen der Sowjetunion. Diese Besonderheit der gegenwärtigen Unterstützung erklärt sich daraus, dass die Interessen unserer Partei nicht nur den Interessen der friedliebenden Völker nicht widersprechen, sondern im Gegenteil mit ihnen verschmelzen. (Stürmischer Beifall). Was die Sowjetunion betrifft, so sind ihre Interessen von der Sache des Friedens in der ganzen Welt überhaupt nicht zu trennen.

Es versteht sich, dass unsere Partei den Bruderparteien gegenüber ihre Schuldigkeit tun und ihrerseits sie und die Völker in ihrem Kampf um die Befreiung, ihn ihrem Kampf für die Erhaltung des Friedens unterstützen muss.

Gerade das tut sie bekanntlich auch. (Stürmischer Beifall). Nach der Ergreifung der Macht durch unsere Partei im Jahre 1917 und nachdem unsere Partei reale Maßnahmen zur Beseitigung des Jochs der Kapitalisten und Gutsbesitzer getroffen hatte, gaben ihr die Vertreter der Bruderparteien, begeistert von der Kühnheit und den Erfolgen unserer Partei, den Namen ‚Stoßbrigade‘ der revolutionären Bewegung und der Arbeiterbewegung der Welt. Damit gaben sie der Hoffnung Ausdruck, dass die Erfolge der ‚Stoßbrigade‘ die Lage der unter dem Joch des Kapitalismus schmachtenden Völker erleichtern werden. Ich denke, dass unsere Partei diese Hoffnungen gerechtfertigt hat, besonders in der Zeit des Zweiten Weltkriegs, als die Sowjetunion die deutsche und japanische faschistische Tyrannei zerschmetterte und die Völker Europas und Asiens von der Gefahr der faschistischen Sklaverei befreite. (Stürmische r Beifall.)

Natürlich war es sehr schwer, diese ehrenvolle Aufgabe zu erfüllen, solange es nur eine einzige ‚Stoßbrigade‘ gab und solange sie diese Aufgabe des Vorkämpfers fast ganz auf sich allein gestellt erfüllen musste. Aber das war einmal. Jetzt ist es ganz anders. Jetzt, da von China und Korea bis zur Tschechoslowakei und Ungarn neue ‚Stoßbrigaden‘ in Gestalt der volksdemokratischen Länder auf den Plan getreten sind, jetzt ist der Kampf für unsere Partei leichter geworden und auch die Arbeit geht munterer voran. (Stürmischer, anhaltender Beifall.)

Besondere Aufmerksamkeit gebührt jenen kommunistischen, demokratischen oder Arbeiter- und Bauernparteien, die noch nicht an die Macht gelangt sind und die ihre Arbeit unter dem Joch der drakonischen bürgerlichen Gesetze fortführen. Natürlich haben sie es in ihrer Arbeit schwerer. Aber sie haben es in ihrer Arbeit nicht so schwer, wie wir russischen Kommunisten es schwer hatten in der Zeit des Zarismus, als der kleinste Schritt vorwärts zum schwersten Verbrechen erklärt wurde. Die russischen Kommunisten jedoch hielten stand, sie schreckten vor Schwierigkeiten nicht zurück und errangen den Sieg. Ebenso wird es mit diesen Parteien sein.

Warum werden es diese Parteien in ihrer Arbeit nicht so schwer haben, wie es die russischen Kommunisten zur Zeit des Zarismus hatten?

Weil sie erstens solche Beispiele des Kampfes und der Erfolge vor Augen haben, wie es sie in der Sowjetunion und in den volksdemokratischen Ländern gibt. Folglich können sie aus den Fehlern und den Erfolgen dieser Länder lernen und sich so ihre Arbeit erleichtern.

Weil zweitens die Bourgeoisie selbst, der Hauptfeind der Freiheitsbewegung, eine andere geworden ist, die Verbindungen zum Volk verloren und sich damit geschwächt hat. Es ist klar, dass dieser Umstand die Arbeit der revolutionären und demokratischen Parteien ebenfalls erleichtern muss. (Stürmischer Beifall.)

Früher leistete es sich die Bourgeoisie, sich liberal aufzuspielen; sie trat für bürgerlich-demokratische Freiheiten ein und erwarb sich damit Popularität im Volke. Jetzt ist von Liberalismus auch nicht eine Spur geblieben. Es gibt keine sog. Freiheit der Persönlichkeit mehr – die Rechte der Persönlichkeit werden jetzt nur noch bei denen anerkannt, die Kapital besitzen. Alle übrigen Bürger aber werden als menschlicher Rohstoff betrachtet, der nur zur Ausbeutung taugt. In den Staub getreten ist das Prinzip der Gleichberechtigung der Menschen und Nationen; es ist ersetzt durch das Prinzip der vollen Rechte der ausbeutenden Minderheit und der Rechtlosigkeit der ausgebeuteten Mehrheit der Bürger. Das Banner der bürgerlich-demokratischen Freiheiten ist über Bord geworfen. Ich denke, dass Sie, die Vertreter der kommunistischen und demokratischen Parteien, dieses Banner werden erheben und vorantragen müssen, wenn sie die Mehrheit des Volkes um sich sammeln wollen. Es gibt sonst niemand, der es erheben könnte. (Stürmischer Beifall.)

Früher galt die Bourgeoisie als das Haupt der Nation; sie trat für die Rechte und die Unabhängigkeit der Nation ein und stellte sie ‚über alles‘. Jetzt ist vom ‚nationalen Prinzip‘ auch nicht eine Spur geblieben. Jetzt verkauft die Bourgeoisie die Rechte und die Unabhängigkeit der Nation für Dollars. Das Banner der nationalen Unabhängigkeit und der nationalen Souveränität ist über Bord geworfen. Ohne Zweifel werden Sie, die Vertreter der kommunistischen und demokratischen Parteien, dieses Banner erheben und vorantragen müssen, wenn Sie Patrioten Ihres Landes sein, wenn Sie die führende Kraft der Nation werden wollen. Es gibt sonst niemand, der es erheben könnte. (Stürmischer Beifall.)

So liegen die Dinge gegenwärtig.

Es versteht sich, dass all diese Umstände die Arbeit der kommunistischen und demokratischen Parteien, die noch nicht zur Macht gelangt sind, erleichtern müssen.

Es gibt also allen Grund, auf Erfolge und auf den Sieg der Bruderparteien in den Ländern der Herrschaft des Kapitals zu rechnen. (Stürmischer Beifall.)

Langes Leben und Gesundheit den Führern der Bruderparteien! (Anhaltender Beifall.)

Es lebe der Frieden zwischen den Völkern! (Anhaltender Beifall.)

Nieder mit den Kriegsbrandstiftern!

(Alle erheben sich von den Plätzen. Stürmischer, lang anhaltender Beifall, der in eine Ovation übergeht. Es erschallen Rufe: „Es lebe Genosse Stalin!“ „Dem Genossen Stalin – Hurra!“ „Es lebe der große Führer der Werktätigen der Welt, Genosse Stalin!“ „Dem großen Stalin – Hurra!“ „Es lebe der Friede zwischen den Völkern!“ Rufe: „Hurra!“)

Anmerkungen

1 XIX. Parteitag der KPdSU(B), 5.-14. Oktober 1952, in: ‚Neue Welt‘, Halbmonatszeitschrift, Heft 22 (158), 7. Jahrgang / November 1952, S. 2868ff.

2 Grover Furr, ‚Stalin and the Struggle for Democratic Reform’: http://clogic.eserver.org/2005/furr.html (Teil eins) sowie http://clogic.eserver.org/2005/furr2.html (Teil zwei).

Deutsche Übersetzung, 2014:

Teil eins: "Stalin und der Kampf für demokratische Reformen, Teil 1" (2005)

Teil zwei: "Stalin und der Kampf für demokratische Reformen, Teil 2" (2005)

3 W. B. Bland, ‚Der Ärzteprozess und der Tod Stalins‘, London 1991, deutsche Übersetzung 2002: http://www.red-channel.de/mlliteratur/sowjetunion/aerzteprozess.htm

4 Grover Furr, ‚Khrushchev Lied – The Evidence That Every ‘Revelation’ of Stalin’s (and Beria’s) ‘Crimes’ in Nikita Khrushchev’s Infamous ‘Secret Speech’ to the 20th Party Congress of the Communist Party of the Soviet Union on February 25, 1956, is Provably False*’ - Corrected Edition, Kettering/Ohio/USA 2011.

5 Die Bezeichnung ‘Chruschtschowianer’ lehnt sich an Enver Hoxhas Buch ‘The Khrushchevites – Memoirs‘, (Die Chruschtschowianer – Erinnerungen‘) an, Tirana 1980. Er meint damit die Verschwörer, die nach dem Tod Stalins die Macht in der Partei an sich rissen, darunter vor allem Nikita Chruschtschow, Anastás Mikoyan u.a.

6 Enver Hoxha, ebd., S. 389: „At one time, together with Khrushchev we had considered organizing a pokuschenje (Attentat) against him (Stalin), but we gave up the idea because we were afraid that the people and the party would not understand” (Es gab eine Zeit, als wir mit Chruschtschow zusammen vorhatten, ein Attentat auf ihn (Stalin) zu verüben, aber wir nahmen wieder davon Abstand, weil wir befürchteten, dass die Menschen und die Partei das nicht verstehen würden).

7 XIX. Parteitag der KPdSU(B), 5. – 14. Oktober 1952, in: ebd., S. 2839, A. Mikoyan: „Als Leuchte der Wissenschaft erhellt Genosse Stalin unser Leben; er gibt uns ein Aktionsprogramm und lenkt unsere siegreiche Bewegung vorwärts zum Kommunismus.“

8 Ebd., S. 2865ff