Die Vernehmungen von Grigori W. Sinowjew und Lew B. Kamenjew 1936

Quelle: http://msuweb.montclair.edu/~furrg/research/zinovievinterrog072836.html

Das russische Original wurde von Prof. Grover Furr ins Englische übertragen.

Das englische Dokument wurde von Gerhard Schnehen ins Deutsche übersetzt.

1. Die Vernehmung von Sinowjew am 28. Juli 1936 2.

Frage: Bei Ihrer Gegenüberstellung mit Karjew gaben Sie ihre Beteiligung am Vereinigten Trotzkistisch-Sinowjewistischen Zentrum zu. Machen Sie Angaben zur Frage

der Beziehungen des Blocks der Sinowjew-Anhänger mit den Trotzkisten im Jahre 1932.

Antwort: Trotz meiner formalen Erklärung eines Bruchs mit Trotzki zu der Zeit gab es tatsächlich bis zum Tage unserer Verhaftung keinen solchen Bruch mit dem Trotzkismus.

Weder ich noch Kamenjew noch Bakajew noch andere, die so dachten wie wir, haben je trotzkistische Ideen abgelehnt. Ich würde sogar sagen, dass wir bis heute an den Trotzkismus gekettet sind wie ein Sträfling an seine Ketten. Hinzukommt, dass wir nach Trotzkis Exilierung eine Art Arbeitsteilung mit ihm eingingen. Sie bestand darin, dass sich Trotzki im Ausland wie ein unverbesserlicher Weißgardist ganz offen gegen die Sowjetregierung, aber vor allem gegen Stalin äußerte, während ich zusammen mit meinen Gefährten dieser verachtenswerten subversiven Tätigkeit gegen die Sowjetregierung und Stalin im Inneren der Sowjetunion, im Untergrund, nachging. Trotzki begriff dann sehr schnell, dass er uns vergeblich verflucht hatte, weil er glaubte, dass wir ihn, seitdem wir mit ihm arbeiteten bis zu unserer Verhaftung, verraten hätten.

Frage Sie haben nicht auf die gestellte Frage geAntwortet. Das, was uns am meisten interessiert, ist, mit welchen Leuten unter den Trotzkisten Sie direkt organisatorisch verbunden waren.

Antwort: Die konterrevolutionäre Organisation, die ich anführte, stand seit 1932 bis zu meiner Verhaftung im Jahre 1932 in direktem Kontakt mit Smirnow, Mratschkowski und Ter-Waganjan. Ich und Jewdokimow unterhielten den Kontakt zu Smirnow und Mratschkowski und ich und Kamenjew den zu Ter-Waganjan.

Ich möchte betonen, dass es eine Zeit gab, als ich selbst befürchtete, dass dieser Kontakt zu I. N. Smirnow, Mratschkowski und anderen uns schaden könnte, wenn er aufgeflogen wäre. Aber nach meinen Gesprächen mit Jewdokimow, der auf einen direkten Kontakt mit den Trotzkisten bestand, kam ich zu dem Ergebnis, dass es keine Risiko eines Scheitern gab, da all diese Leute erfahrene Verschwörer waren und keine Schwätzer, dass sie also niemanden verraten würden.

All dies ging der Schaffung eines Vereinigten Trotzkistisch-Sinowjewistischen Zentrums voraus, wobei Schatzkin und Lominadse auch hineingezogen wurden.

Frage:  Wann wurde dieses Vereinigte Zentrum geschaffen und wer trat ihm bei?

Antwort: Das Vereinigte Zentrum wurde im Sommer 1932 geschaffen. Von trotzkistischer Seite stießen nach einer Vereinbarung mit Smirnow und Mratschkowski diese beiden zum Zentrum sowie Ter-Waganjan und Safonow als Ersatzleute falls sie scheitern sollten. Von der sinowjewistischen Seite kamen ich und Kamenjew hinzu, mit Jewdokimow und Bakajew als Ersatz, falls wir ausfielen. Ich habe bereits ausgesagt, dass auch Schatzkin und Lominadse dem Zentrum beitraten.

Frage: Was ging der Schaffung des Vereinigten Trotzkistisch-Sinowjewistischen Zentrums voraus und auf welcher Grundlage wurde es eingerichtet?

Antwort: Ungefähr zu Beginn des Jahres 1932 kamen meine Gefährten und ich zu dem Ergebnis, dass in der Sowjetunion eine Krise heraufzog, eine Zuspitzung der Widersprüche und ein unvermeidlicher Kampf. Auf jeden Fall schätzten wir so bestimmte Komplikationen in der Landwirtschaft ein.

Dieser Umstand aktivierte nicht nur einige meiner Anhänger, sondern auch die Trotzkisten, die Rechten, die Linken, die ehemaligen Teilnehmer an der Arbeiteropposition und einige Einzelpersonen.

Das führte dazu, dass es zu regelmäßigen Treffen und Verhandlungen zwischen den Vertretern verschiedener Strömungen, die der Partei und dem Staat gegenüber feindlich gesonnen waren, kam, um die Notwendigkeit eines gemeinsamen Kampfes gegen die Sowjetregierung zu diskutieren.

Gegen Ende des Sommers oder vielmehr zu Herbstbeginn 1932 wurde uns klar, dass unsere Erwartungen sich nicht erfüllen sollten, denn die einzelnen Probleme und Engpässe in der Landwirtschaft, die wir aufgebauscht hatten, wurden von der Partei überwunden. Es war eine Tatsache, dass die Generallinie der Partei die Oberhand gewonnen hatte.

Das völlige Fehlen von Prinzipien und Ideen brachte uns dazu, zum nackten Terror im Kampf um die Macht überzugehen.

Die Grundlage für die Schaffung des Trotzkistisch-Sinowjewistischen Zentrums war hauptsächlich die volle Überzeugung der Trotzkisten und Sinowjewisten, dass es jetzt möglich sei, Stalin ausschließlich mit dem Mittel des Terrors zu bekämpfen.

Innerhalb der Organisation war folgendes Sprichwort weit verbreitet: ‚Der Feind meines Feindes ist mein Freund‘!

Dies prägte unsere Kader, unsere organisatorischen Möglichkeiten und unsere Einstellung. Wir waren bereit, uns mit jedem Feinde Stalins zusammenzutun.

Frage: Wie stand es um die Frage des Terrors im Vereinigten Zentrum praktisch gesehen?

Antwort:  Wie ich bereits aussagte: Jewdokimow führte zusammen mit Smirnow 1932 die Verhandlungen zur Vereinigung unserer Organisation mit den Trotzkisten.

Als Jewdokimow mir von den Ergebnissen seiner Verhandlungen mit Smirnow berichtete, erwähnte er auch, dass Smirnow, Mratschkowski und die mit ihnen verbundene Gruppe der Meinung waren, dass unter den gegenwärtigen Umständen der Kampf zur gewalttätigen Beseitigung der Führung der VKP (b) und vor allem Stalins geführt werden müsse und dass Smirnow dazu von Trotzki einen direkten Auftrag besaß.

Damals berichtete mir Jewdokimow, dass Smirnow diese Direktive für den Übergang zum Terror bei seiner Auslandsreise zu wirtschaftlichen Angelegenheiten von Trotzki erhalten hatte.

Frage: Waren alle Mitglieder des Zentrums mit der Entscheidung zum Terror überzugehen, als ein Mittel des Kampfes mit den Führern der VKP(b) und der Sowjetregierung einverstanden?

Antwort: Ja, alle Mitglieder des Zentrums, die ich genannt habe.

Frage: Was wurde konkret vom Vereinigten Zentrum unternommen, um die Pläne des Terrors auszuführen?

Antwort: Damals, 1932, fasste das Zentrum den Beschluss, terroristische Anschläge gegen Stalin, Molotow und Kirow in Leningrad zu organisieren.

Im Herbst 1932 gab ich auf meiner Datscha in Ilinskoje, bei Anwesenheit von Kamenjew, Bakajew, Jewdokimow und Karejew, Bakajew den Auftrag, einen Terroranschlag gegen Stalin zu verüben und Karjew erhielt die Order, einen gegen Kirow auszuführen.

Frage: Aber haben sich die Trotzkisten nicht auch an der praktischen Vorbereitung der Terrorakte beteiligt?

Antwort: Die Trotzkisten bereiteten parallel zu uns terroristische Anschläge vor. Aber Bakajew wurde instruiert, bei der Auswahl der Attentäter auch Trotzkisten seiner Wahl heranzuziehen. Karjew war in Leningrad auch mit Trotzkisten verbunden, deren Namen ich nicht kenne.

Frage: Wer, außer Bakajew und Karjew, war noch direkt am Terror beteiligt?

Antwort: Bakajew warb 1932 Reingold, Bogdan, Rabinowitsch und Pikel an, um einen Terroranschlag gegen Stalin vorzubereiten und auszuführen.

Frage: Wusste Gertik von den terroristischen Aktivitäten der Organisation?

Antwort: Davon ist mir nichts bekannt.

Frage: Kann es sein, dass Sie nichts über das terroristische Wesen von Gertiks Kontakten zu Kotolnjow in Leningrad wussten?

Antwort: Nein, davon wusste ich nichts.

Frage: Wer leitete die terroristische Arbeit in Leningrad nach Karjews Verhaftung?

Antwort: Unabhängig von Karjew unterhielten Gertik und Kuklin Kontakte zu den Teilnehmern der Leningrader Organisation. Ich weiß aber nicht, was sie wirklich gemacht haben.

Frage: Sie geben zu, dass Gertik Tuchfühlung mit den Teilnehmern der Leningrader Organisation hielt. Wir würden ganz gerne noch einmal auf die Frage

von Gertiks Verbindungen zu Kotolnjow zurückkommen. Wir wissen sicher, dass Gertik 193? (Jahr ist nicht lesbar – Grover Furr) aus Leningrad nach Moskau zurückkehrte und sich mit Kotolnjow über das terroristische Wesen seiner Verbindungen unterhielt. Davon müssen Sie doch gewusst haben!

Antwort: Ja, ich gebe zu, dass mir Jewdokimow 1934 – ich weiß nicht mehr in welchem Monat, aber irgendwann in der Jahresmitte – von einer der Reisen Gertiks nach Leningrad erzählte, bei der dieser mit Kotolnjow Kontakt aufnahm. Bei diesem Treffen hat Kotolnjow auch zu Gertik gesagt, dass er eine aktive Rolle bei der Vorbereitung des Mordes an Kirow spiele.

Frage: Wussten Sie davon, dass Kamenjew - Mitglied des Zentrums der terroristischen Organisation - 1934 Reisen nach Leningrad unternommen hatte?

Antwort: Ja, davon wusste ich.

Frage: Mit welchen Teilnehmern der Organisation unterhielt Kamenjew in Leningrad Kontakte?

Antwort: 1934 erzählte mir Kamenjew, dass er in Leningrad Moisei Jakowlew, ein Mitglied der Organisation, getroffen hatte, dem er die Beschlüsse des Vereinigten Trotzkistisch-Sinojewistischen Zentrums, den Mord an Kirow zu organisieren, bestätigte. Jakowlew war schon durch Karjew in die terroristischen Aktivitäten, bevor dieser verhaftet wurde, hineingezogen worden.

Frage: Hat Jakowlew die Vorbereitungsarbeit für den Mord an dem Genossen Kirow zusammen mit der Rumjantzew-Kotolnjow-Gruppe oder allein ausgeführt?

Antwort: Jakowlew bereitete den Mord an Kirow parallel zu der Gruppe um Rumjantzew und Kotolnjow vor.

Frage: Wer neben Kamenjew und Gertik erledigte in Leningrad die terroristische Arbeit nach Anweisungen des Vereinigten Trotzkistisch-Sinowjewistischen Zentrums?

Antwort: Mir ist sonst niemand bekannt.

Frage: Was wissen Sie über die praktische Arbeit, die Bakajew in Moskau verrichtete, um den Mord an Stalin vorzubereiten?

Antwort: Schon bald nach dem Beschluss des Vereinigten Trotzkistisch-Sinowjewistischen Zentrums, den ich Bakajew übergab, wurden ich und Kamenjew im Zusammenhang mit dem Fall Rjutin aus Moskau ausgewiesen. Dies brachte Bakajews praktische Arbeit zeitweilig zum Erliegen, weil, nachdem wir auf frischer Tat ertappt waren, die Organisierung eines Terroranschlages ganz offensichtlich unsinnig geworden war.

Im Frühjahr 1934 machte sich Bakajew erneut daran, den Terroranschlag auszuführen, wofür ich und Kamenjew ihm den Befehl des Zentrums über Jewdokimow überbringen ließen.

Ich wusste von Jewdokimow (ich traf mich aus Gründen der Konspiration nicht mit Bakajew), dass Bakajew zusammen mit Reingold und Faiwilowitsch sowie mit dem Trotzkisten Dreitzer, der mit Mratschkowski in Verbindung stand, die Vorbereitung des terroristischen Anschlages zusammen mit diesem in die Wege leitete.

Jewdokimow berichtete mir, dass diese Kampfgruppe erfolgreich die Vorbereitungen auf den Terroranschlag vorantreiben würde.

Frage: Sie gestehen nicht alles, was Sie über die kriminellen Pläne und Absichten des Vereinigten Trotzkistisch-Sinowjewistischen Zentrums wissen.

Antwort: Ich habe gerade zugegeben, dass die Organisation, die nach 1932 von dem Vereinigten Trotzkistisch-Sinowjewistischen Zentrum geleitet wurde, eine terroristische Organisation war, in der strenge konspirative Regeln herrschten.

Wir beschritten dann den Weg eines sehr sorgsam ausgeklügelten und streng konspirativen Komplotts. Wir betrachteten uns selbst als Marxisten und erinnerten uns an die Devise: ‚Der Aufstand ist eine Kunst‘, nur dass wir sie in ‚die Verschwörung gegen die Partei (wir sagten gegen Stalin) ist eine Kunst‘ umwandelten.

Das Vereinigte Trotzkistisch-Sinowjewistische Zentrum wurde nach 1932 in der Sowjetunion zu einem Ersatz für das, was vorher die Sozialrevolutionäre, Menschewiki und die offenen Weißgardisten gewesen waren. Jetzt erhoben wir das Banner des Terrors gegen Stalin.

Seit dieser Zeit ist das Vereinigte Trotzkistisch-Sinowjewistischen Zentrum der Generalstab des russischen Faschismus in seiner trotzkistisch-sinowjewistischen Ausgabe geworden.

Frage: Die Untersuchung Ihres Falles hat ergeben, dass das Zentrum der Organisation den Plan für die Verschwörung peinlich genau ausgearbeitet hat. Machen Sie Angaben zu dieser Frage!

Antwort: Das politische Ziel der Verschwörung war der Sturz des ZK der VKP(b) und der sowjetischen Regierung sowie die Schaffung unseres eigenen ZK und unserer eigenen Regierung, die sich aus Trotzkisten, Sinowjewisten und Rechten zusammensetzen sollte. Wir planten einen Putsch gegen die Regierung.

Konkret gesagt bestand der Plan für den Putsch in Folgendem:

Wir gingen davon aus, dass die Ermordung Stalins (aber auch der anderen Führer von Partei und Regierung) in den Reihen der Führung der VKP(b) große Verwirrung hervorrufen würde.

Wir nahmen an, dass nach einem solchen Ereignis Kamenjew, Sinowjew, I. N. Smirnow, Rykow, Sokolnikow, Tomski, Jewdokimow, Smilga, Mratschkowski und andere in gehobene Regierungsfunktionen zurückkehren würden.

Wir betrachteten Kamenjew, Rykow, Sokolnikow, Smilga und Pjatakow als die besten Ökonomen des Landes.

Sie sollten einen ökonomischen Generalstab bilden. Wir wollten Sokolnikow zum Volkskommissar für Finanzen machen.

Als Sekretäre des ZK hatten wir uns I. N. Smirnow, Serebriakow und Jewdokimow vorgestellt. Tomski sollte die Gewerkschaften leiten. Trotzki, Kamenjew und ich sollten diesem Plan zufolge die gesamte Führung von Partei und Staat in unseren Händen konzentrieren.

Ich muss hinzufügen, dass ein Plan zur Spurenverwischung des Verbrechens im Vereinigten Zentrum in Arbeit war. Die gewaltsame Entfernung der Führer von Partei und Regierung musste sorgfältig als Akt der Weißgardisten oder als persönliche Racheakte getarnt werden.

Frage: Aber war das schon alles, was diesen Plan anging?

Antwort: Zu der allerersten Aufgabe des Plans sollte die Ermöglichung der triumphalsten Rückkehr Trotzkis in die UdSSR gehören.

Es wäre natürlich unaufrichtig, wenn ich jetzt versuchen würde, alle Schuld für meine Verbrechen auf Trotzki zu schieben. Aber es wäre genauso unaufrichtig, wenn ich nicht zugeben würde, dass der persönliche Anteil Trotzkis an all diesen Verbrechen des Trotzkistisch-Sinojewistischen Zentrums sogar noch größer war als mein eigener, dass die Anweisungen von Trotzki, die aus dem Ausland kamen, eine entscheidende Bedeutung für das Vereinigte Trotzkistisch-Sinowjewistische Zentrum besaßen und dass der Anführer der Anführer bei all unseren Untaten und bei der Verschwörung Trotzki war.

Im Sommer 1932, als der Plan für den Putsch fertig war, der uns direkt zu Volksfeinden machte, erhielt die Direktive Trotzkis über die Notwendigkeit der Ermordung Stalins, die uns von I. N. Smirnow überbracht wurde, eine zweifellos entscheidende Bedeutung für das Vereinigte Trotzkistisch-Sinowjewistische Zentrum.

Frage: Ihren Aussagen nach zu urteilen rechneten Sie auf die Unterstützung der Rechten bei Ihren Plänen. Worin bestand das Wesen Ihrer Verbindung zu ihnen?

Antwort: Das allgemeine Wiederaufleben des konterrevolutionären Untergrunds, welches 1932 einsetzte, zeigte sich in den Anstrengungen, alle der Sowjetregierung feindlich gesonnenen Kräfte mit der Gruppe der sog. Sinowjewisten zu verbinden.

Das ließ sich ganz einfach erklären: Trotzki im Ausland und die Feinde der Partei sahen mich und Kamenjew als Personen an, die einmal ein gewisses politisches Gewicht besaßen. Andere Gruppen besaßen keine solchen anerkannten Führer, was bedeutete, dass man sich an uns orientierte.

Für mich und meine Anhänger bestand das Hauptkriterium bei der Frage

der Auswahl von Mitarbeitern in Folgendem: Sind diese oder jene Leute Anhänger oder Gegner Stalins oder vielmehr: In welchem Maße sind diese oder jene verschworene Gegner Stalins, sind sie kühn und energisch genug bei ihren Aktionen und bereit, wirklich gegen Stalin bis zum Ende zu kämpfen? Das war für uns das Wichtigste. Auf dieser Grundlage schlossen wir ein De-facto-Bündnis mit den Rechten. Ich werde hier nicht die bekannte Frage

diskutieren, wie Kamenjew den Kontakt zu Bucharin herstellte. Ich möchte nur sagen, dass der glühendste, ja enthusiastische Anhänger einer direkten Verschmelzung mit den Rechten Sokolnikow war, der zu unserer Organisation gehörte. Die illegalen organisatorischen Bande zwischen unserer Gruppe und den Rechten existierten seit 1932 und dauerten bis zum heutigen Tage an.

Ich hatte den engsten Kontakt zu Tomski. Ich traf ihn 1932 mehrere Male. Karjew unterhielt den Kontakt zu Bucharin, weil er über die besten Möglichkeiten hierzu infolge seiner akademischen Zusammenarbeit mit ihm besaß. Scharow hielt den Kontakt zu Uglanow. Kamenjew hatte Kontakt zu Rykow. Er erzählte mir, dass Rykow unsere Einschätzung der Lage im Land teilte. Was die Haltung der Rechten im Jahre 1932 und danach anging, so war sie besonders durch ihre Unnachgiebigkeit gekennzeichnet, durch ihre Behauptung, dass die Generallinie der Partei am Ende sei, durch ihre entschieden feindselige Haltung Stalin gegenüber sowie durch ihre Ablehnung der sog. Kapitulations-Erklärung. Ihrer Ansicht nach sei der weitere Kampf unvermeidlich.

In diesem Zusammenhang sind zwei Tatsachen zu beachten:

1. Im Verlaufe des berühmten Gesprächs zwischen Bucharin und Kamenjew erzählte ihm Bucharin von einer Episode über ein Treffen zwischen Tomski und Stalin, als Tomski angeblich zu Stalin gesagt haben soll: Wenn die Dinge sich so weiter entwickeln, werden unsere Arbeiter bald auf sie schießen! 2.

In dem Flugblatt, das die Trotzkisten über das Gespräch zwischen Kamenjew und Bucharin herausbrachten, wurde dieser Satz weggelassen – aus Gründen, die mir nicht klar sind. Aber wir und die Rechten betrachteten solche Bemerkungen, die Bucharin Tomski zuschrieb, als völlig normal.

3. Nicht lange vor einer der Vollversammlungen des ZK - ich meine, es war die vom Herbst 1931 – unterhielt sich Tomski mit mir in Sotschi über Bucharin und teilte mir mit, dass Bucharin, obwohl er in einigen Dingen schwankte, was sein Verhältnis zur Partei anging, gleichzeitig Material gegen Stalin sammelte und dass er, nach seinen eigenen Worten, schon eine ganze Akte gegen Stalin besaß. 4.

Frage: In Ihren Aussagen haben Sie Sokolnikow als Mitglied Ihrer Organisation genannt. Was wissen Sie über seine konterrevolutionären Aktivitäten?

Antwort: Sokolnikows Position ist etwas eigenartig. Er stand Reingold sehr nahe – auch ein Mitglied der Organisation. Und Reingolds Hauptaufgabe bestand zeitweilig darin, dass er unser Kontaktmann zu Sokolnikow war. Außerdem besaß Kamenjew direkten Kontakt zu Sokolnikow.

Frage: Aus Ihrer Aussage wird nicht klar, in welcher besonderen Lage sich Sokolnikow befand.

Antwort: Seine besondere Lage bestand in Folgendem: Während er de facto ein Feind der Partei war und bis heute zwei Gesichter hat, obwohl er direkt zu unserer Gruppe gehörte, blieb er dennoch nach außen hin als Kandidat des ZK der VKP(b) in einer irgendwie isolierten Position.

Es gab Zeiten, als er mit mir und Kamenjew zusammen zur engeren Führung der Sinowjew-Gruppe gehörte, die wir als ‚Kern des Kerns‘ bezeichneten. Später trat er dem Vereinigten Zentrum bei.

Die Differenzen, die er besonders mit mir hatte, besonders nach seinem angeblichen Rückzug zwischen dem 14. und 15. Parteitag, blieben eine Episode. Diese Angelegenheit spielte bei unseren späteren Kontakten, die sich bis zu unserer Verhaftung in Verbindung mit dem Mord an Kirow fortsetzten, keine Rolle mehr.

Frage: Worin bestanden konkret Ihre Kontakte zur Schatzkin-Lominadse-Gruppe?

Antwort: Ich und Kamenjew waren der Ansicht, dass Schatzkin, Lominadse und Stern zu den wertvollsten Leuten der jüngeren Generation gehörten, die sich nicht mit dem bestehenden Regime innerhalb der VKP(b) abfinden konnten und was unserer Meinung nach tiefere Prozesse innerhalb der Partei widerspiegelte. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Bericht über sein Treffen mit Schatzkin und Lominadse, den mir Kamenjew im Sommer 1932 übergab. Damals teilte er mir wörtlich mit: ‚Jetzt sind diese Leute wirkliche Feinde Stalins‘.

Ich selbst habe mich häufiger mit Sten getroffen. Ich sah Lominadse nur etwa zweimal. Sowohl Schatzkin als auch Lominadse äußerten mehr als nur einmal, dass Sten voll und ganz ihre Ansichten vertrete.

Jewdokimow traf sich mehrere Male mit Schatzkin in Moskau. Auch Kamenjew traf sich mit ihm und Lominadse während eines Urlaubs in Gagry unter konspirativen Bedingungen im gleichen Jahr 1933.

Ein herausragendes Merkmal dieser Gruppe bestand darin, dass sie unter unseren Verbündeten diejenige war, die Trotzki am meisten verteidigte. Während ich und Kamenjew, die wir erfahrene Politiker waren, uns bei Gesprächen mit anderen nicht erlaubten, Trotzki offen zu verteidigen, diese jungen Leute, also Schatzkin, Lominadse, Sten u. a., mit uns nicht nur nicht übereinstimmten, sondern uns sogar tadelten, weil wir über die großen Verdienste dieses echten Kämpfers und Revolutionärs schwiegen, der selbst ganz allein auf sich gestellt, seine Positionen nicht aufgab und ganz offen den Kampf gegen Stalin führte. Mehr noch: Die Linken sagten es ganz direkt, dass Trotzkis Positionen sich als richtig erwiesen hätten und dass es deshalb nichts zu befürchten gäbe, wenn man es offen aussprechen würde.

Frage: Mit welchen anderen Konterrevolutionären hielten Sie Kontakt?

Antwort: Die konterrevolutionäre Gruppe, die ernsthaft versuchte, mit uns Kontakt aufzunehmen, war die Gruppe der ehemaligen Mitglieder der Arbeiteropposition.

Unsere alte Freundschaft zu ihnen leistete den größten Beitrag zur Vereinigung, besonders mein Kontakt zu Schljapnikow sowie unsere bekannten engen Beziehungen zu Medwedjew. Sie waren beide erbitterte Feinde Stalins und nahmen extrem terroristische Positionen ein.

Ich betrachte die Gruppe Schljapnikow-Medwedjew als die feindlichste und reaktionärste von allen. Ich erinnere mich an Gespräche aus dem gleichen Jahr 1932, als sie mir gegenüber den folgenden Gedanken entwickelten:

‚Ihr (sie meinten damit mich und Kamenjew) seid spät dran, die Dinge so wahrzunehmen wie sie wirklich sind: Tatsächlich begann dies (gemeint die Verfolgung der besten Teile der Partei) bereits unter Lenin und hat sich unter Stalin nur hundertfach verschlimmert‘.

Mit anderen Worten: Schljapnikow und Medwedjew fingen an, nicht nur Stalin, sondern auch Lenin auf monströse Weise niederzumachen und klagten ihn an, gegen den besten Teil der kommunistischen Bewegung Repressalien ergriffen zu haben.

Frage: Was kam bei den Verhandlungen mit Schljapnikow und Medwedjew heraus?

Antwort: Während unseres langjährigen Kampfes gegen die leninistischen Prinzipien der Partei, die von Stalin geführt wurde, hatten wir, besonders ich, einen formalen Block mit den reaktionärsten und feindlichsten Elementen des Landes für ausgeschlossen gehalten. Ihre offen terroristischen Positionen, die sie zu einer Zeit entwickelten, als wir noch nicht über den Terror nachdachten, hat uns in gewisser Weise damals noch zurückgehalten, und ich muss zugeben, dass die dann einsetzende Entwicklung des Kampfes uns auf die Positionen von Schljapnikow und Medwedjew geführt hat.

Frage: Das heißt also, dass sie versichern, dass es kein echtes Bündnis mit der Schljapnikow-Medwedjew-Gruppe gab?

Antwort: Ja, das versichere ich. Aber ich sage nur, dass wir auf sie nicht als mögliche Verbündete zählten.

Frage: Sie haben noch nicht alle Teilnehmer der trotzkistisch-sinowjewistischen Organisation in der Sowjetunion genannt. Sie müssen alle Ihnen bekannten Trotzkisten und Sinowjewisten nennen, die bisher noch nicht gescheitert sind und die ihre konterrevolutionäre Tätigkeit weiter fortsetzen.

Antwort: Nicht lange vor Trotzkis Ausweisung aus Moskau informierte er mich während einer unserer Versammlungen, dass zu seinen Vertrauten und verdeckt arbeitenden Leuten besonders Witker gehöre. Witker hat neulich noch als Chef von Glawrezin gearbeitet. Als er mir sagte, dass Witker mir geheimes Material der Trotzkistisch-Sinowjewistischen Organisation bringen würde, bat er mich, Witkers Beteiligung an dieser Sache sogar den Mitgliedern des Zentrums vorzuenthalten.

Zur gleichen Zeit teilte mir Trotzki auch mit, dass Nemtschenko, der damals eine leitende Rolle bei Glawsotsstrach spielte, all seinen Anhängern unbekannt sei.

Ich sehe es auch als meine Pflicht an, darüber auszusagen, was ich über L. P. Serebriakow weiß.

Sowohl Kamenjew als auch ich waren in der Annahme, dass Serebriakow nicht mit Trotzki gebrochen hatte. Seinen Rückzug von der Bildoberfläche hinein in die Kategorie der Unpolitischen betrachteten wir als eine geschickte Tarnung.

Wir wussten beide, dass Serebriakow Trotzki persönlich noch näher stand als ein I. N. Smirnow.

Ich möchte noch einen weiteren persönlichen Eindruck über Serebriakow hinzufügen: Im Sommer 1932 kamen Serebriakow und Zorin spät abends auf Kamenjews Datscha in Iljinskoje, wo sich einige Literaturarbeiter zum Abendessen eingefunden hatten.

Serebriakow erwies mir und Kamenjew jede erdenkliche Aufmerksamkeit und drückte sein Bedauern darüber aus, dass ich nicht öffentlich reden durfte usw.

Kamenjew berichtete mir von diesen Treffen und ließ mich wissen, dass Pjatakow nicht gerne über politische Dinge sprach, dass er aber genauso dachte wie wir auch.

Wir zählten auch auf Radek als einen bedingungslosen Parteigänger von uns. Ich und Kamenjew haben Radeks Reueerklärungen nie ernst genommen.

Wir sahen uns in dieser Einschätzung dadurch bestätigt, dass Radek 1932 konterrevolutionäre Verleumdungen gegen Stalin machte.

Ich muss an dieser Stelle innehalten, um noch etwas über zwei weitere Doppelzüngler zu sagen: die Trotzkisten Putna und Romm.

Ende 1928 drückte mir gegenüber Putna seine Zustimmung bezüglich meines Doppelspiels aus, das ich innerhalb der Partei spielte.

W. Romm sagte mir gegenüber Ähnliches. Beide waren mit mir über Bogdan verbunden.

Frage: Wir wissen, dass Sie bis 1934 und auch noch später illegale Kontakte hatten mit Leuten, die mit Ihnen übereinstimmten und die mit Ihnen im Apparat der Komintern arbeiteten. Können Sie das bestätigen?

Antwort: Ja, das kann ich bestätigen. Ich habe tatsächlich mit einer ganzen Reihe von Sinowjewisten im Apparat der Komintern noch bis Ende 1934 Kontakte gehabt. Genauer gesagt hatte ich eine Gruppe meiner Leute in der Komintern. Dazu gehörten Madjar, Bulowitsch, Wudsinskaja, Gertsberg und Smesch – ein Pseudonym – ich kenne seinen richtigen Namen nicht.

All diese Leute standen auf konterrevolutionären Positionen, standen der Führung der VKP(b) und der Komintern feindlich gegenüber und informierten mich regelmäßig über die Lage im EKKI (Exekutivkomitee der Komintern, die ‚Regierung‘ der KI – Übers.), über ihre einzelnen Sektionen sowie über Meinungsverschiedenheiten unter den Führern des EKKI.

Diese Informationen waren gegen die Partei gerichtet, waren antisowjetisch, und in ihnen kam Unzufriedenheit mit der Führung des EKKI zum Ausdruck.

Der wertvollste Kontakt in dieser Gruppe war Madjar für mich, der wegen seiner Position und seiner Verbindungen über große Möglichkeiten für regelmäßige Informationen an das Trotzkistisch-Sinowjewistische Zentrum verfügte, was die Lage in der Komintern anging.

Madjar besaß eine durch und durch konterrevolutionäre Einstellung und arbeitete aktiv daran, die Führung des EKKI bei seinen Verbindungsleuten in der Komintern herunterzumachen.

Frage: Das ist aber noch nicht alles. Über Ihre Kontakte im EKKI unterhielten Sie auch Verbindungen zu Personen im Ausland.

Antwort: Mir ist bekannt, dass Gertsberg und Smesch – der erste bis 1932 und der zweite später noch – Kontakte zur Gruppe um Fischer-Maslow hatten und mich über die Lage in dieser Gruppe informierten. Bulowitsch hatte Verbindung zur Gruppe um Heinz Neiman (Heinz Neumann – GF) sowie zu Dorrio (Jacques Doriot – GF). Madjar hatte Kontakte zu deutschen Trotzkisten. Ich erinnere mich, dass mir Madjar 1932 über die Anwesenheit von Anhängern von mir in der Berliner Komintern-Organisation erzählte, auf die ich bei meinem Kampf mit der Komintern rechnen könne.

Die Aufzeichnungen entsprechen exakt meinen Worten; persönlich durchgesehen:

G. SINOWJEW

3. Die Vernehmung von Kamenjew am 10. August 1936 4.

Frage: Haben Sie sich Ende 1931 und Anfang 1932 mit Sokolnikow getroffen?

Antwort: Ja, ich habe mich mit ihm getroffen.

Frage: Was waren das für Treffen?

Antwort: Ich habe Sokolnikow sogar mehrere Male vor der Gründung des Blocks mit den Trotzkisten getroffen. Unsere Gespräche bewegten sich um die allgemeine Lage im Lande, um die Politik der Partei und der Parteiführung.

Wir waren uns völlig einig in unserer Einschätzung der Lage im Lande und auch was die Politik der Führung anging.

Sokolnikow bewertete die gesamte Wirtschaftspolitik der Partei sehr negativ. Sie habe das Land an den Rand der Katastrophe geführt und mit jedem Tag würde diese Katastrophe unvermeidlicher werden, würde sich verschärfen und zuspitzen. Er meinte, dass die Parteiführung auf ökonomischem Gebiet völlig blind sei und nur noch mit den Methoden groben Zwanges in der Lage sei zu regieren.

Das Ergebnis dieser zwangsweise Auferlegung einer bestimmten ökonomischen Struktur über das Land, so sagte er voraus, sei der spontane Widerstand der Bauernschaft, der das Land völlig zerstören und verarmen lassen würde, so wie dies vor der NÖP der Fall gewesen sei.

Auf meine Frage, wie er sich den Ablauf der künftigen Ereignisse vorstelle, Antwortete er, dass eine Fortsetzung dieser katastrophalen Politik das Land wirtschaftlich völlig erschöpfen würde, und danach müsse man wieder von vorne beginnen.

Er wies immer darauf hin, dass unter solchen Verhältnisse eine Neuauflage von Lenins NÖP nicht mehr ausreiche und dass man sehr viel weiter gehen müsse als damals, 1921, dass man den privaten Kapitalisten und der individuellen landwirtschaftlichen Produktion Zugeständnisse machen müsse. Er, Sokolnikow, hatte keinerlei Hoffnung, dass sich die Partei besinnen, das katastrophale Wesen ihrer Linie begreifen und ihre Politik abschwächen würde.

Mit herablassender Ungläubigkeit schätzte er die Fähigkeit der Partei ein zu manövrieren. Er meinte, dass Stalin, der alle Macht in seinen Händen konzentriert habe, niemand zuhören wolle und auch gar nicht dazu in der Lage sei und das Land nach und nach in den Ruin stürzen werde.

Frage: Bezeichneten Sie bei Ihren Gesprächen mit den Trotzkisten Sokolnikow als führendes Mitglied der konterrevolutionären sinowjewistischen Organisation?

Antwort: Ja, der Name Sokolnikow wurde bei unseren Gesprächen mit den Trotzkisten als jemand erwähnt, der voll und ganz unsere Ansichten teilte.

Frage: Wusste Sokolnikow, dass 1932 zwischen den Trotzkisten und Sinowjewisten ein Block gebildet worden war?

Antwort: Ja - Sokolnikow wusste sowohl von mir als auch von Reingold, der ihm nahestand, dass ein Block zwischen den Trotzkisten und Sinowjewisten existierte.

Frage: Was wusste er genau über diesen Block?

Antwort: Ihm war bekannt, dass dieser Block auf einer terroristischen Grundlage arbeitete und dass seine praktische Aufgabe in der Organisierung von Mordanschlägen gegen Stalin und Kirow bestand.

Frage: Hat Sokolnikow an Treffen des Zentrums des Blocks teilgenommen?

Antwort: Ja, ich erinnere mich, dass er an zwei oder drei geschlossenen Versammlungen der Führung des Blocks teilnahm.

Frage: An welchen Treffen genau und in Anwesenheit von wem?

Antwort: An dem Herbsttreffen 1932, als die Frage der Gründung der Gruppe entschieden wurde, die die Terroranschläge leiten sollte. Die Gruppe bestand aus Bakajew, Reingold, Dreitzer, Bogdan und noch ein oder zwei weiteren Personen, an deren Nachnamen ich mich jetzt nicht erinnern kann.

Bei diesem Treffen waren anwesend: Sinowjew, Bakajew, Jewdokimow, Reingold, Bogdan, Sokolnikow und Smirnow - soweit ich mich erinnern kann.

Das zweite Treffen, an das ich mich erinnere, bei dem Sokolnikow anwesend war, war das im November-Dezember 1933 vor dem 17. Parteitag.

Drei von uns nahmen daran teil: Ich, Sinowjew und Sokolnikow. Wir diskutierten, ob wir auf dem 17. Parteitag sprechen sollten, wenn dies möglich gewesen wäre und falls ja, was wir sagen würden.

Frage: Wofür haben Sie sich entschieden?

Antwort: Erstens, dass es wünschenswert wäre, dass wir sprechen würden; zweitens, dass das, was wir sagen würden, durch das Eingeständnis geprägt sein sollte, dass die Generallinie der Partei völlig richtig sei.

Frage: Sie waren Doppelzüngler?

Antwort: Ja.

Frage: Das heißt also, dass Sokolnikow nicht nur von Ihnen wusste, dass terroristische Anschläge gegen Stalin und Kirow vom Trotzkistisch-Sinowjewistischen Block vorbereitet wurden, sondern dass er persönlich an dem Beschluss, die führende terroristische Gruppe dafür zu schaffen, beteiligt war?

Antwort: Ja, das kann ich bestätigen.

Frage: Also war Sokolnikow Mitglied der führenden Gruppe des Trotzkistisch-Sinowjewistischen Blocks?

Antwort: Ja. Aber an dieser Stelle muss ich sagen, dass Sokolnikow, der Kandidat des Zentralkomitees war, uns auch ständig mit Material über das interne Leben des ZK versorgte, in dessen Besitz er war und dass wir, Sinowjew und ich, es als unzweckmäßig ansahen, ihn in die praktische Arbeit des Blocks hineinzuziehen und ihn nur heranzogen, wenn es darum ging, allgemeinpolitische Frage n zu diskutieren.

Frage: Also wenn man von Ihrer Antwort ausgeht, dann war es so, dass die Teilnehmer des Blocks die Terroranschläge gegen Stalin und Kirow vorbereiteten, dass aber Sokolnikows Rolle darin bestand, Sie über interne Vorgänge des ZK zu informieren, da er Kandidat des ZK war. Sie sahen es also als nicht zweckmäßig an, ihn zu sehr in die praktische Arbeit einzubeziehen. Sie wollten ihn offenbar für andere Zwecke verwenden.

Dann versuchen Sie uns zu sagen, welches seine wirkliche konterrevolutionäre Rolle im Trotzkistisch-Sinowjewistischen Block war. Die Untersuchungsmaterialien geben Aufschluss darüber, dass Sokolnikows Tätigkeit auf keinen Fall darauf beschränkt war.

Antwort: Ich habe vorher nicht alles über die tatsächliche Beteiligung Sokolnikows an den Aktivitäten des Blocks ausgesagt.

Ende 1933 und Anfang 1934 unterhielten Sinowjew und ich uns bei mir über die Ausbildung von Leuten, genauer über die des führenden Kerns, der im Fall des Scheiterns unserer Organisation und unseres eigenen Scheiterns dann in der Lage sein sollte, den Kampf mit der Partei weiter fortzuführen. Für diesen Fall wollten wir Sokolnikow als ein prominentes und gleichzeitig aktives Mitglied der Organisation schützen.

Frage: Ihre Antwort ist unvollständig. Worauf haben Sie und Sinowjew sich für den Fall eines möglichen Scheiterns Ihrer Organisation geeinigt?

Antwort: Bei unseren Gesprächen gewannen wir die Überzeugung, dass es notwendig sei, eine führende Gruppe im Trotzkistisch-Sinowjewistischen Zentrum zu bilden, die aktiv werden konnte, falls wir scheitern sollten. Zu diesem Zweck führte ich Gespräche mit Sokolnikow und erhielt von ihm sein volles Einverständnis.

Frage: Wussten die Trotzkisten davon, dass Sie beschlossen hatten, einen parallelen Führungskern innerhalb der terroristischen Organisation zu bilden?

Antwort: Ja. Ich selbst führte die Verhandlungen darüber mit Ter-Waganjan. Er informierte mich darüber, dass sie voll und ganz auf die Beteiligung von Serebriakow und Radek in dieser führenden Gruppe zählten. Er sagte, dass die Trotzkisten eine streng geheime Gruppe besaßen, von der die Partei nichts ahnte, zu der Serebriakow und Radek gehörten.

Wir hatten an Serebriakows persönlicher Nähe und Hingabe an Trotzki keinen Zweifel, und es war uns klar, dass sein beharrlich unpolitisches Auftreten nur eine Tarnung war. Wir wussten auch, dass Serebriakow ein sehr vorsichtiger Verschwörer mit kühlem Kopf war, der viele Kontakte besaß und der sehr angesehen unter den Trotzkisten war.

Wir glaubten auch nicht daran, dass Radeks politische Positionen und Artikel ehrlich waren und wussten, dass er in Wirklichkeit mit seiner Position in der Partei unzufrieden war. Seine Rolle bestand darin, in der Parteiführung einen Wandel herbeizuführen, der ihm gestatten würde, eine führende Rolle in der Komintern zu spielen.

In seinen Gesprächen mit mir meinte Ter-Waganjan, dass er nicht nur in seinem eigenen Namen, sondern im Namen des Führungszentrums der trotzkistischen Organisation, im Namen von Smirnow und Mratschkowski sprechen würde. Nach diesen Gesprächen mit den Trotzkisten schufen wir ein terroristisches Zentrum, bestehend aus Sokolnikow, Serebriakow und Radek, für den Fall, dass wir scheitern sollten.

Frage: Haben Sie alle Mitglieder des Zentrums, die Sie ersetzen sollten, genannt?

Antwort: Ich kann noch Folgendes hinzufügen: 1934 sagte Sinowjew zu mir, dass er im Falle eines Scheiterns eine Reihe von Kontakten aus dem Untergrund, die der Organisation von Saks-Gladnew angehörten, herüberholen würde.

Frage: Haben Sie Serebriakow selbst getroffen?

Antwort: Unsere letzte Begegnung fand 1932 statt. Wir trafen uns bei mir in Ilenskoje. Er brachte seine Sympathien mit mir und Sinowjew zum Ausdruck. Er hatte eine sehr negative Einstellung zur Politik der Partei und ihrer Führung und, wie er dies vorher auch schon getan hatte, zeigte er, dass er Trotzki gegenüber sehr zugetan war.

Frage: Haben Sie ihn seitdem irgendwo wiedergetroffen?

Antwort: Nein, seit der Zeit habe ich ihn nie wiedergetroffen.

Frage: Hat sich irgendjemand aus dem Trotzkistisch-Sinowjewistischen Zentrum mit Serebriakow wiedergetroffen?

Antwort: Ich erinnere mich, dass uns Bakajew später über Serebriakows Haltung berichtete, aber ob er sich mit ihm persönlich getroffen oder ob er die Informationen von anderer Seite erhalten hatte, weiß ich nicht.

Die Informationen von Bakajew stimmten voll mit dem Eindruck überein, den ich bei meiner letzten Begegnung, von der ich sprach, erhalten hatte. Meinen Gesprächen mit Ter-Waganjan aus dem Jahre 1934 konnte ich entnehmen, dass sie engen Kontakt zu Serebriakow unterhielten und dass sie ihn für die führende terroristische Gruppe nominiert hatten.

Frage: Haben Sie sich in dieser Zeit mit Radek getroffen?

Antwort: Ja, ich traf ihn mehrere Male.

Frage: Was waren das für Treffen?

Antwort: Diese Treffen hatten wir mehrere Male in den Redaktionsräumen der ‚Iswestija‘ und einmal auch in den Alexandrowski Gärten. Wir führten aber keine politischen Diskussionen.

Frage: Wussten Sie vor diesen Treffs irgendetwas über Radeks Verbindungen zu trotzkistischen Organisationen?

Antwort: In der Zeit davor traf ich Radek mehrere Male. Er deutete an, dass die trotzkistische Organisation weiter existiere und dass er den Kontakt nicht abgebrochen habe. Besonders wies er darauf hin, dass treue Trotzki-Anhänger in der Armee geblieben seien. Als Beispiel nannte er Schmidt, den er als tapferen Mann beschrieb, der Trotzki bedingungslos ergeben sei. Im gleichen Atemzug nannte er auch Sachnowski, und ich glaube mich erinnern zu können, dass er auch Serebriakow erwähnte.

Zu der Zeit erklärte Radek mir die Gründe, weshalb er sich von der Opposition zurückgezogen hatte, weil die Taktik des direkten Angriffs ganz offensichtlich unter den veränderten Bedingungen nicht mehr angebracht gewesen und dass die Taktik der Unterwanderung der Partei und die der Gewinnung des Vertrauens der Führung sehr viel erfolgversprechender sei.

Er wies darauf hin, dass noch nicht alle jungen Trotzkisten dies verstehen würden und deshalb hätten sie ihn angegriffen.

Frage: Wann fanden diese Gespräche statt?

Antwort: Ende 1932 und davor, also auf jeden Fall vor meiner Abreise nach Minussinsk.

Frage: Wer von den Mitgliedern des Trotzkistisch-Sinowjewistischen Zentrums hatte noch Gespräche mit Radek?

Antwort: Ich wusste von Gesprächen zwischen Sinowjew und Radek.

Frage: Wann fanden diese Treffs statt und was genau hat Sinowjew Ihnen davon erzählt?

Antwort: Diese Treffs fanden 1934 statt, als Sinowjew für den ‚Bolschewik‘ arbeitete. Sinowjew erzählte mir, dass er eine ganze Reihe von Treffen mit Radek hatte, bei denen er ganz klar zu verstehen gab, dass er ein Feind der Partei und der Führung der Partei war, der seine wahren Ansichten unter dem Mantel der Doppelgesichtigkeit verbarg.

Frage: Welche Geldquellen hatte Ihre Organisation für die Verwirklichung ihrer praktischen Aktivitäten zur Verfügung?

Antwort: Ich kann Ihnen hierzu zwei Fakten nennen. Der erste geht auf das Jahr 1929 zurück. Als Ainowjew und ich die Möglichkeit in Erwägung zogen, dass wir eines Tages ausgewiesen werden könnten, beschlossen wir, im Ausland einen Geldfonds anzulegen. Als mir uns darüber mit Sinowjew geeinigt hatten, beauftragte ich Reingold damit, die praktischen Schritte einzuleiten, um ihn einzurichten.

Die zweite Tatsache geht zurück auf Mitte 1933. Bei einem der Treffen unseres Zentrums warf Bakajew die Frage

auf, dass es notwendig sei, Geldmittel zu beschaffen, um die Ausgaben für die Vorbereitung von Terroranschlägen zu verschleiern. Reingold, der dabei war, sagte sofort, dass man diese Mittel über Arkus beschaffen könnte. Später erfuhr ich entweder von Sinowjew oder von Reingold, dass Arkus diese Mittel tatsächlich beschafft hatte. Ich weiß aber nicht, welche Summe es war.

Frage: Wurde dieser Auslandsfonds von Reingold eingerichtet?

Antwort: Ja, Reingold hat ihn eingerichtet.

Frage: Woher wissen Sie das?

Antwort: Ich weiß nicht genau, wer es mir gesagt hat. Ich glaube es war Reingold.

Frage: Wie viel Geld war da drin und wofür wurde es verwendet?

Antwort: Außer mir und Sinowjew wussten Reingold und Arkus als direkte Organisatoren davon. Ihnen war die Einrichtung dieses sinowjewistischen Auslandsfonds bekannt und auch Tumanow, soweit ich weiß, weil er jemand war, der engen Kontakt zu Reingold und Arkus hatte, die sich damals im Ausland aufhielten.

Frage: Zu welchem Zweck wurde dieser Auslandsfonds angelegt?

Antwort: Ich habe schon gesagt, dass der Fonds 1929 eingerichtet wurde für den Fall, dass wir, Sinowjew und ich, ausgewiesen werden würden, und er war deshalb für unsere privaten Zwecke geschaffen worden.

Frage: Wo kam das Geld her?

Antwort: Das weiß ich nicht.

Das Protokoll entspricht exakt meinen Worten und wurde von mir durchgelesen:

LEW KAMENJEW

VERNEHMER:

Der Vorsitzende der Wirtschaftsabteilung des NKWD der UdSSR und Kommissar für Staatssicherheit Zweiten Ranges: MIRONOW;

Der Vorsitzende der Zweiten Abteilung der Wirtschaftsabteilung des NKWD der UdSSR, Oberleutnant für Staatssicherheit: JARTZEW